Weihnachten bei der gefährlichsten Kreuzfahrt der Welt
Bei der Segel-Regatta wird nonstop die Welt im Renntempo umrundet. Die Führenden passieren demnächst Kap Hoorn
25.12.20, 05:00
Weihnachten auf hoher See – was klingt wie ein Werbespruch für eine Kreuzfahrt, ist für 27 Segler Realität. Weihnachtsfeiern an Bord wird es bei der neunten Auflage des Vendée Globe allerdings keine geben.
Dank der Technik gab es zumindest die Möglichkeit, ein paar Worte zu wechseln, Weihnachtswünsche zu senden, der Familie mitzuteilen, dass man noch lebt. Das ist nicht selbstverständlich auf hoher See. Schon gar nicht, wenn man alleine in einem Boot die Welt im Renntempo umsegeln will.
Zwei Menschenleben hat das Vendée Globe gekostet. Seit 1989 wird alle vier Jahre im Hafen im französischen Les Sables-d’Olonne gestartet. Westlich von Afrika geht es ab in den Süden, um das Kap der Guten Hoffnung und dann eine Runde um den Globus ostwärts. Die Regeln sind einfach: ein Mensch, ein Boot, einmal um die Welt, keine Zwischenstopps und keine Hilfe von außen. Bei der neunten Auflage der Extrem-Regatta liegt die Gruppe der Führenden gerade zwischen Neuseeland und Kap Hoorn. Der Rekord für die 44.996 Kilometer liegt bei 74 Tagen und 3 Stunden.
In der Not
Das Rennen gilt mit einer Ausfallquote von circa 50 Prozent als „Demolition Derby“ (Abbruch-Derby). Mitfavorit Alex Thomson aus Großbritannien musste heuer wegen eines Ruderbruchs aufgeben. Sein Pech: im Gegensatz zu anderen hatte er aus Gewichtsgründen kein Ersatzruder mitgenommen.
Extreme Notsituationen mussten ebenfalls schon gemeistert werden: Der Franzose Kevin Escoffier konnte 550 Seemeilen südlich des Kap der Guten Hoffnung nur noch den Funkspruch „Ich sinke“ absetzen, bevor der Funk zusammenbrach. Die Renn-Leitung manövrierte drei nahe Konkurrenten zum Unglücksort, Landsmann Jean Le Cam konnte Escoffier aus dem Wasser ziehen. Der Unglücksrabe berichtete: „Binnen Sekunden hat sich das Boot in eine Welle gebohrt und der Bug um 90 Grad nach oben gefaltet. Nach der zweiten Welle hat es das Boot zweigeteilt.“ Escoffier sprang in die Rettungsinsel und hoffte bei fünf Meter hohen Wellen auf Rettung. Ein Glück, dass diese kam.
Solche Geschichten gab es in der Geschichte der Regatta zuhauf. Für den Deutschen Boris Herrmann, Vater einer sechs Monate alten Tochter, kein Grund für Zweifel. Herrmann ist der erste Deutsche in der Geschichte des Vendée Globe. Die Motivation des Hamburgers: „8.000 Menschen haben den Mount Everest bezwungen. 500 waren im All. Aber weniger als 100 haben die Welt alleine und nonstop umsegelt. Ich will einer von ihnen sein.“
Im Klima-Kampf
Herrmanns Team machte schon 2019 Schlagzeilen, als Greta Thunberg über den Atlantik zum UNO-Gipfel nach New York gesegelt wurde. Der Slogan vom Team Malizia bezieht sich auf die zweite Mission des Skippers: „A Race we must win – ein Rennen, das wir gewinnen müssen“ gilt dem Kampf gegen den Klimawandel. Herrmann sammelt Meeresdaten und stellt sie Wissenschaftern zur Verfügung. „Greta hat mir Glück gewünscht und gesagt, dass auf dem Boot noch versteckte Botschaften von ihr sind.“
Viel Zeit, diese Botschaften zu suchen, hat der Hamburger nicht. Selbst die Schlafphasen sind immer nur kurz. „45 Minuten am Stück sind maximal vertretbar“, sagt Herrmann über die Regeneration bei gutem Wetter. „Ansonsten müssen 15 Minuten reichen.“ Danach sollte wieder alles kontrolliert werden: Kurs, Technik, Schiffsverkehr.
Im Cockpit
Das Single-Leben auf hoher See ist hart. Als Toiletten werden Kübel mit Biosäcken verwendet. Das Bett wird an der Carbonwand festgeschnürt. Man will ja nicht die kostbaren 15 Minuten durch eine Welle vergeuden. Die meiste Zeit verbringen die Segler im Cockpit vor den Instrumenten. Die Steuerung der Yachten, die dank der Foils bis zu 40 Knoten (74 km/h) erreichen, ist dank der Technik leichter als die der Boote in den olympischen Klassen. Dafür sind die Segler Mädchen für alles. Sie müssen Wetterdaten studieren, Schäden reparieren, abschätzen, wie viel von der Nahrung gegessen werden darf, und sie müssen zum Beispiel, wie in den vergangenen Tagen, um eine drohende Flaute herumnavigieren.
Zu Weihnachten gönnte sich Boris Herrmann übrigens etwas Besonderes: Lammeintopf, im Plastiksackerl gefriergetrocknet und mit heißem Wasser genießbar gemacht.
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