Vendée Globe: Bis ans Ende der Welt ... und zurück

Segelboot
Die Nonstop-Regatta bringt erfahrene Segler rund um den Globus – und an ihre Grenzen.

Wenn ein Segler an einem Ort Zuflucht sucht, an dem vor einigen Jahren sechs seiner Berufskollegen in einem Orkan ums Leben kamen, muss die Lage ausweglos sein.

Jean-Pierre Dick hatte keine andere Wahl.

Ein Sturm zog auf – mit Windspitzen bis zu 130 km/h und zehn Meter hohen Wellen. Und damit ist im Südpolarmeer, im eisigen Nirgendwo zwischen Antarktis und Australien, nicht zu spaßen. Dem Franzosen erschien daher der tagelange Umweg durch die Bass-Straße, der berüchtigten Meerenge zwischen Tasmanien und dem australischen Festland, als einziger Zufluchtsort.

"In den nächsten Stunden muss man die Ergebnisliste vergessen und vernünftig sein", begründete Jean-Pierre Dick den Kurswechsel. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch: "Diesen Reiz erhältst du nur bei der Vendée Globe."

Noch nie zuvor hat ein Teilnehmer der Segelregatta diese Route eingeschlagen, einschlagen müssen.

Einfache Regeln

Die Vendée Globe ist die härteste Prüfung im Hochsee-Segeln, die Nonstop-Regatta führt in mehr als 46.000 Kilometer einmal rund um den Erdball (siehe Grafik). Die Regeln sind simpel: ein Mensch, ein Boot, ein Hafen.

In dem französischen Fischerdorf Les Sables-d’Olonne an der Atlantikküste startet und endet alle vier Jahre der Wettkampf, dabei sind das Kap der Guten Hoffnung, das Kap Leeuwin und das Kap Hoorn jeweils an Backbord sowie die Antarktis an Steuerbord zu passieren. Verboten ist es, fremde Hilfe anzunehmen und Festland zu betreten.

Seit der Erstaustragung 1989 zieht die Vendée Globe Segler und Fans (via Echtzeit-Tracker) in ihren Bann. Waren es einst 13 Starter, so stachen Anfang November dieses Jahres 29 Abenteurer in See. Nach 38 Tagen allein auf den Weltmeeren sind jedoch nur noch 22 Teilnehmer im Rennen. Während der Letzte gerade Südafrika hinter sich gelassen hat, nimmt das Spitzenduo bereits Kurs auf Südamerika. Der führende Franzose Armel Le Cléac’h, bei den vergangenen beiden Ausgaben jeweils Zweiter, und sein walisischer Verfolger Alex Thomson segeln beinahe in Sichtweite zueinander. Der Gewinner wird im Jänner nach 73 Tagen erwartet und damit fünf Tage früher als der Sieger 2012/2013.

Doch die Halbwertszeiten von Hochrechnungen auf hoher See sind kurz. Niemand weiß das besser als Thomson. Vor zehn Jahren brach sein Kiel, er musste sein Boot verlassen. Ein 100 Seemeilen vor ihm liegender Rivale drehte um und barg ihn.

Eisige Wellen

Nicht alle haben so viel Glück. 1997 beschrieb Gerry Roufs die Wellen als "Berge, so hoch wie die Alpen". Seit jenem Funkspruch gilt der Kanadier als verschollen.

Zu den unwirtlichen Bedingungen gesellen sich physische und psychische Belastungen im Isolationszustand. "Es ist wie ein Straflager, in dem man 24 Stunden arbeiten muss", sagt Thomson. 7000 Kalorien verbrauchen die Segler pro Tag, geschlafen wird im Halb-Stunden-Rhythmus. An die Strapazen gewöhnt ist Jean-Pierre Dick, er nimmt zum vierten Mal teil. 2013 wurde er Vierter. Die letzten 4900 Kilometer musste er ohne Kiel segeln. Das ist in etwa so, wie ein Formel-1-Auto ohne Bremsen beherrschen zu wollen.

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