Valentin Dragnev: Stammspieler beim FC Bayern

Starke Ansage: Noch in diesem Jahr will Valentin Dragnev Großmeister werden. Erst seit rund zwei Jahren trainiert er wirklich intensiv.
Der Wiener Valentin Dragnev (17) spielt für den großen Münchner Verein in der Schach-Bundesliga.

Anfang März erst ist er 17 Jahre alt geworden, Ende März wurde ihm vom Weltverband der Titel "Internationaler Meister" verliehen – so jung wie Valentin Dragnev ist das noch keinem österreichischen Schachspieler gelungen. Der Wiener spielt – wie auch der Burgenländer Florian Mesaros (15) – u. a. in der deutschen Bundesliga beim FC Bayern München, er ist dort Stammspieler. Der KURIER hat ihn zum Weißwurstessen getroffen.

KURIER: Magst du Weißwürste?

Valentin Dragnev: Ja, sie schmecken mir. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal welche gegessen zu haben. Im Bayern-Team hatten wir beim letzten gemeinsamen Essen Steak.

Was verdient man als Bayern-Profi?

Bei den Bayern verdiene ich nix, ich bekomme nur die Spesen ersetzt. Bayern hat den Grundsatz, seine Spieler nicht zu bezahlen. Als einziger Bundesligaklub, glaube ich.

Du spielst ehrenhalber für Bayern?

Valentin Dragnev: Stammspieler beim FC Bayern
Schach Deutsche Bundesliga Bayern München Heimspiel Kulturhaus Milbertshofen, 20. Februar 2016
Bei keinem anderen Verein würde ich so weit vorne eingesetzt werden und so starke Gegner haben. Das zählt für mich im Moment am meisten. Reich wird man mit Schach sowieso nicht – arm wird man! Man hat nur Ausgaben, zumindest in meinem Fall: für Computer, Bücher, Nenngelder, Hotels, Flüge. Jetzt bezahlen das noch meine Eltern. Die Turniere, an denen ich teilnehme, sind wiederum überwiegend so stark besetzt, dass ich gerade nicht in die Preisgeldränge komme. Doch ich mache mir auch gar nichts aus Geld, ich brauche keinen Luxus.

Trotzdem musst du irgendwann entscheiden, ob du Berufsspieler wirst oder nicht.

Da habe ich mich längst entschieden. Schon mit 13, 14 Jahren war ich sicher, dass ich Profi werde.

Um in jüngerem Alter Großmeister zu werden als Österreichs aktuelle Nr. 1, Markus Ragger, hast du drei Jahre...

Nein, nicht drei Jahre. Ich werde dieses Jahr Großmeister. Das Prädikat "jüngster GM" ist nicht wichtig. Es hat eine Bedeutung, doch hauptsächlich, weil es andere Leute toll finden, nicht ich selbst.

Gibt’s dann eine Großmeister-Party?

Internationaler Meister ist nichts Besonderes, aber Großmeister – da würde ich feiern.

Willst du besser werden als Ragger?

Na, was für eine Frage. Auf jeden Fall! Ich habe großen Respekt vor ihm, aber eines Tages will ich mindestens gleich stark sein. (Ragger ist mit 2697 Elo Nr. 41 der Welt.)

Was fehlt dir noch zur Weltklasse?

Vieles. Eigentlich fast alles.

Warum willst du überhaupt Profi werden? Um Geld zu verdienen, um Weltmeister zu werden, oder damit einmal eine Eröffnung nach dir benannt wird?

Das hört sich alles gut an. Aber man spielt Schach, weil man eine spezielle Verbindung hat zum Spiel. Alles andere ist egal. Ich würde auch spielen, wenn ich auf der Straße leben muss.

Was ist Schach für dich? Kunst, Sport, Mathematik?

Schach ist alles. Okay, es ist ein Spiel, aber man kann jede Situation im Leben mit einer Situation am Brett vergleichen. Und es fasziniert mich, dass man nie alles kennen kann. Bis jetzt habe ich nichts Spannenderes gesehen.

In der Disco abzuhängen ist spannender, würden viele 17-Jährige darauf antworten.

Ich weiß nicht, ob das spannend ist, ich gehe nicht wirklich aus. In der Disco, das macht Spaß, ein paar Stunden halt, und dann ist es wieder vorbei.

Würdest du sagen, dass du ein ganz normaler 17-Jähriger bist?

Ich bin eher ein alter Mann. Früher ist das Leben langsam vergangen, doch jetzt, da ich ständig bei Turnieren bin, geht es so schnell: Zack, wieder ein Jahr vorbei. Ich möchte gar nicht so alt sein, wie ich bin. 17 schon, und ich hab’ noch fast nichts gemacht.

Welche Musik hörst du, was liest du?

Vor allem Klassik, auch Hip-Hop. Ich lese Comics, seit ich vier bin. Alles aus Entenhausen. Daraus habe ich fast mehr gelernt als in der Schule.

Ist Schulstoff im echten Leben unnütz?

Also ich werde ihn nie brauchen. Aber ich sage nicht, dass er unnütz ist, es gibt schon interessante Sachen.

Du machst viel Sport, spielst Fußball im Park. Trägst du da dein Bayern-Trikot?

Valentin Dragnev: Stammspieler beim FC Bayern
Valentin Dragnev 2016 Schach
Nein ... Ich weiß nicht, wie die anderen darauf reagieren würden. Ich trage ein normales T-Shirt, denn so ein fanatischer Fußballfan bin ich nicht.

Wie findest du das Leiberl generell?

Ja, das war gratis (lacht). Ich habe drei davon gekriegt und eine Weste. Ich trage sowieso meistens bequeme Joggingsachen. Aber ich würde auch bei Anzugpflicht spielen, wenn es den Anzug dafür kostenlos gäbe.

Habt ihr Kontakt zu den Fußball-Bayern?

Nein. David Alaba hab’ ich noch nie getroffen, und Freikarten bekomme ich ebenfalls keine, tut mir leid.

Für manche Sportfans ist Bayern ein Feindbild. Bist du stolz, dort zu spielen?

Nein, ein Name gibt mir nichts. Bayern ist ein ganz normaler Verein.

Noch ein Schachtipp?

Begeisterung. Damit macht man alles besser.

Valentin Dragnev (17) gewann im November 2014 in Tallinn als erster Österreicher einen EM-Titel im Schach – im Schnellschachbewerb der Alterskategorie U16 (Mesaros eroberte den U-14-Titel). Mit einer Elo-Zahl von 2432 ist er 15. der allgemeinen österreichischen sowie 39. der U-18-Weltrangliste. Er besucht keinen Schulunterricht und legt die Prüfungen bis zur Matura als Externist ab. Dragnevs Stammmannschaft in Österreich ist der Bundesliga-Klub 1. SK Ottakring. Ottakring und der SC Donaustadt betreiben die erfolgreichste Nachwuchsarbeit im Wiener Schach, bei diesen beiden und vielen anderen Vereinen sind neue Kinder und Jugendliche stets willkommen.

Der FC Bayern München e. V. hat neben der Profifußball-Sparte (in eine AG ausgegliedert) sieben weitere Abteilungen, etwa Basketball, Sportkegeln und eben Schach. Die Schachspieler waren neun Mal deutscher Meister (zuletzt 1994/’95) und holten 1992 den Europacup. Heuer liegen sie in der stärksten Liga der Welt nach 11 von 15 Runden auf dem vorletzten Platz, es droht der Abstieg.

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