Tischtennis: Von Olympia träumen, Schulden abbauen, Wogen glätten

ÖTTV-Ass Liu Jia
Als Liu Jia das erste Mal für Österreich an Olympischen Sommerspielen teilnahm, hieß der US-Präsident noch Bill Clinton und Nokia bewarb sein brandneues Mobiltelefon 3310 mit integriertem Vibrationsalarm. Das war im Herbst 2000.
24 Jahre später peilt die Tischtennisspielerin die Teilnahme an ihren siebenten Sommerspielen an. Um in Paris im Sommer wieder an der Platte zu stehen, muss die mittlerweile 41-Jährige mit ihren rot-weiß-roten Kolleginnen bei der am Freitag in Busan (Südkorea) beginnenden Team-Weltmeisterschaft zumindest ins Viertelfinale einziehen. Kein einfaches Unterfangen, aber auch kein völlig illusorisches.
Mit der wieder fitten Europameisterin Sofia Polcanova tritt Österreich de facto in Bestbesetzung an, in der Gruppe mit Hongkong, Portugal, Australien und Kasachstan zieht der Sieger direkt ins Achtelfinale ein, die zweit- und drittplatzierten Nationen müssen eine K.-o.-Runde mehr bestreiten.
Schwieriger scheint die Ausgangslage für Österreichs Männer zu sein, die nur dank einer Wildcard an der WM teilnehmen dürfen. Frankreich dürfte in der Gruppe außer Reichweite sein, mit Dänemark, Australien und Algerien wird ein enger Kampf um den Aufstieg erwartet.
Österreichs Gegner in der Vorrunde
Männer, Gruppe 4: ÖSTERREICH, Frankreich, Australien, Dänemark, Algerien
Frauen, Gruppe 6: ÖSTERREICH, Hongkong, Portugal, Australien, Kasachstan
Modus: Die Gruppensieger stehen im Achtelfinale, die -zweiten und -dritten ziehen ins 1/16-Finale ein.
Österreich gehört als WM-Teilnehmer bei Frauen und Männern und als erfolgreichste Nation bei der jüngsten Europameisterschaft noch immer zur erweiterten Weltspitze, ein Blick auf den rot-weiß-roten Kader verdeutlicht aber: Österreich ist in die Jahre gekommen.
Liu Jia ist mit 41 Jahren nicht die älteste ÖTTV-Athletin in Busan. Robert Gardos, 45, darf sich ebenso Routinier nennen wie auch Daniel Habesohn, 37. Umso wichtiger ist es für den Verband im Oktober einen kräftigen Impuls zu geben. Das im November letzten Jahres begangene 100-Jahr-Jubiläum soll nicht das letzte Top-Ereignis gewesen sein. Daher gilt: Bitte zu Tisch! Die Europameisterschaften im Oktober in Linz sollen dem Tischtennissport hierzulande wieder eine große Bühne bieten.
Zuletzt bestimmten aber eher Geschichten um die angespannte finanzielle Situation im Verband Tagesordnung und Schlagzeilen. Tatsächlich arbeitet die 2021 angetretene Verbandsspitze um Präsident Wolfgang Gotschke weiterhin einen rund 400.000 Euro schweren Schuldenberg aus der Vergangenheit ab. Elf Jahre hat man dafür vom Ministerium Zeit bekommen.
Trotz umfangreicher Verschlankung der Organisation konnten die Budgets für den Spitzensport gehalten oder sogar erhöht werden, heißt es aus dem Verband: „Sportlicher Erfolg ist die Basis für einen Sportverband. Wenn wir dort beginnen, einzusparen, wird es gefährlich.“ Deshalb stand auch an Nichtantreten bei der Team-WM im fernen (und teuren) Südkorea nie zur Debatte. Gotschke fragt rhetorisch: „In wie vielen olympischen Sportarten ist Österreich noch mit Frauen und Männern für eine WM qualifiziert? Es ist daher eine Verpflichtung.“
Kompromiss: Die Bundesliga wird eigenständig
In Zukunft wird es weder einfacher noch billiger. Von den 2,4 budgetierten Millionen für die Heim-EM muss der Verband 600.000 selbst aufstellen, den Rest tragen Land und Bund. Die für die Organisation und Abwicklung gegründete und in einer Generalversammlung einstimmig beschlossene ÖTTV-Marketing-GmbH sorgte in einigen Tischtennis-Kreisen ebenfalls für kritische Stimmen. Der Verband aber betont, dass sich durch das Konstrukt niemand bereichere, sämtliche Beteiligten keine Entschädigung erhalten und ohnehin jeder abgerechnete Cent transparent gemacht werde.
Die kritischen Stimmen stammten vor allem aus der Ecke der Bundesliga. Als gemeinsamer Nenner wurde nun eine Vereinbarung zwischen dem ÖTTV und der Bundesliga getroffen. Die Bundesliga verwaltet sich ab der kommenden Saison selbstständig – auch was die Finanzen angeht.
Eine der ersten Aufgaben wird gleich eine zentrale sein, nachdem der bisherige Vorsitzende zurückgetreten ist. Zudem muss mit dem ORF jener Vertrag, den der ÖTTV 2022 zum Abschluss gebracht hat und der erstmals Bundesliga-Spiele live ins Bild gerückt hat, neu verhandelt werden. Als nächstes ist auf ORF Sport+ in zwei Wochen die Partie Linz-Froschberg gegen Ossiacher See zu sehen. Klingt eher nicht nach ganz großer Tischtenniswelt. Es sei denn Sofia Polcanova schlägt für Linz als aktuelle Olympia-Teilnehmerin auf.
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