Erfolgslauf in Paris: Warum Thiem Titelfavorit Nummer eins ist
Österreichs Tennis-Ass Dominic Thiem gilt bei den French Open für viele als Favorit auf den Titel. Heute soll gegen den Überraschungsmann Hugo Gaston der nächste Schritt gelingen.
04.10.20, 05:00
Im kühlen Paris geht’s in die heiße Phase. Im Fachjargon bedeutet dies bei Grand-Slam-Turnieren soviel wie in die zweite Turnierwoche.
Mit dabei ist Dominic Thiem. Der olympische Gedanke („dabei sein ist alles“), zählt für den Weltranglisten-Dritten freilich längst nicht mehr, der Niederösterreicher hat gute Karten, um Historisches zu schaffen. Noch nie in der Profi-Ära (seit 1968) konnte ein Herr seinem ersten Triumph beim folgenden Grand-Slam-Turnier den zweiten folgen lassen. Das gelang zuletzt John Newcombe, der 1967 Wimbledon und darauf die US Open gewann. Ein mögliches Double ist für den US-Open-Champ zwar noch kein Thema („daran verschwende ich noch keine Gedanken“), für die Tennisfans allerdings schon.
„Er ist der Turnierfavorit. Nicht nur für mich, ich habe mit vielen Experten aus anderen Ländern gesprochen“, sagt Ex-Profi Alexander Antonitsch, der bislang begeistert war. „Die Auslosung war alles andere als einfach.“ Immerhin gab Thiem gegen die Kaliber Marin Cilic, Jack Sock und Casper Ruud, heuer einer der besten Sandplatzspieler, keinen Satz ab. Heute (4. Match nach 11.00 Uhr, im kurier.at-Liveticker) ist der 27-Jährige gegen Hugo Gaston Favorit. Der 20-jährige Franzose, nur die Nummer 239 weltweit, schlug Freitagabend mit Stan Wawrinka den French-Open-Sieger von 2015. Mit 6:0 im fünften Satz. Bevor es zum erhofften Semifinaltanz mit Rafael Nadal kommt, sprechen einige Dinge für Thiem. Auch für den großen Titel.
Hugo Gaston ist bislang die große Turniersensation. Der mit einer Wild Card ausgestattete Franzose, der sonst vor noch wenigeren Leuten spielt, riss gegen Wawrinka die wenigen Zuschauer mit, erstmals war ein Hauch von Euphorie zu spüren. „Von Dominic trennt ihn aber schon eine Klasse“, sagt Ex-Spieler Stefan Koubek. Thiem ist vorsichtiger: "Er ist besser als seine Weltranglistenposition aussagt." Monsieur Gaston sagt das, was alle Außenseiter meist zu sagen pflegen: „Ich habe nichts zu verlieren.“
Im Viertelfinale könnte Diego Schwartzman auf Thiem warten. Im direkten Duell mit seinem argentinischen Freund liegt Thiem 5:2 voran. Für Rafael Nadal sieht es schwieriger aus, sein prognostizierter Viertelfinalgegner Alexander Zverev zeigte sich am Freitag wieder von der besten Seite. Der Deutsche ließ dem Italiener Marco Cecchinato, immerhin Halbfinalist in Paris vor zwei Jahren, keine Chance.
Die psychische Verfassung
Thiem ist in einem Lauf wie selten zuvor. „Mich beeindruckt, dass er in jeder Partie von Beginn voll da ist. Das war früher nicht so sehr der Fall“, sagt Koubek. Mit einem Grand-Slam-Titel im Rücken läuft es eben.
Die physische Verfassung
„Die US Open und zwei Wochen darauf die French Open – das ist ein gewaltiges Programm“, sagt Antonitsch. Thiem bereitete sich aber optimal vor. Mit Sportwissenschafter Mike Reinprecht erledigte der Niederösterreicher enorm viel im körperlichen Bereich. Den Rest erledigt Physio Alex Stober, einer der besten seines Faches. Antonitsch: „Für mich ist Thiem der fitteste Spieler derzeit.“ Und dank der schnellen Partien hat er in Paris bislang noch nicht allzu viel Kraft gelassen. Insgesamt stand der Lichtenwörther nur 6:43 Stunden auf dem Platz. „Das ist wichtig in der ersten Woche“, sagt Thiem.
Die Umstellung
Nadal hat den Vorteil, dass er die US Open ausließ. Aber : „Thiem kann man in Paris um drei Uhr in der Früh wecken und er spielt bei den French Open sein bestes Tennis“, sagt Antonitsch. Thiem ist auf Sand groß geworden.
Die Bedingungen
Thiem mag Paris, stand zuletzt zweimal im Endspiel. Zwar springen seine Topspins bei den feuchten, kühlen, langsamen Bedingungen nicht so hoch auf, dieses Problem hat aber auch Nadal. „Zumindest hat er mehr Zeit, den Ball zu nehmen“, sagt Koubek. Dass es kühl und feucht ist, stört Thiem, nicht. „Ich bin das von Österreich gewöhnt, hatte die Bedingungen auch heuer schon.“
„Dank Günter Bresnik ist Thiem sensationell ausgebildet, kann die Gegner bei allen Bedingungen wegschießen.“ Unter dem neuen Trainer Nicolás Massú hat sich Thiem noch einmal verbessern können.
Die junge Garde sorgt in Paris für Aufsehen. Nicht nur Hugo Gaston. Weniger groß ist aber die Überraschung, dass der Italiener Jannik Sinner im Achtelfinale steht. Der Südtiroler ist seit 16. August 19 Jahre und überschreitet in Paris die Dollar-Million an Preisgeldern. 2019 gewann er als bisher jüngster und am niedrigsten platzierter Spieler die Next Gen ATP Finals der besten Spieler unter 21. Bei den French Open hat Sinner bislang noch keinen Satz abgegeben, heute wartet im Achtelfinale der Deutsche Alexander Zverev.
Auch Titelverteidiger Rafael Nadal trifft heute auf einen Jungstar. Sebastian Korda, der einen US-Pass hat, ist der Sohn des ehemaligen Weltklassespielers Petr Korda und trainiert auch schon in der Akademie von Günter Bresnik. In der 2. Runde schlug der 20-Jährige mit John Isner die Nummer eins in den USA.
Für eine große Überraschung sorgte ein 22-jähriger Deutscher. Daniel Altmaier schlug den als Nummer sieben gesetzten Italiener Matteo Berrettini 6:2, 7:6 und 6:4. Ob einer der jungen Spieler den Titel holen kann? „Nein, zwei Wochen halten die das noch nicht durch“, sagt Alexander Antonitsch.
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