Mentalcoach über Thiem: "Die Familie ist nie ein guter Co-Trainer"
Man muss nicht die Ergebnisse der vergangenen Wochen unter die Lupe nehmen, man muss nicht die Weltrangliste studieren. Für eine Bestandsaufnahme des Tennisprofis und Menschen Dominic Thiem reicht einfach ein Blick auf seine bisher letzte Partie in der Nacht auf Donnerstag.
Mit einer vom Turnierveranstalter in Indian Wells ausgestatteten Wild Card unterlag die ehemalige Nummer drei der Welt dem Franzosen Adrian Mannarino nach harten Kampf, aber erneut fast beängstigend knapp 6:4, 4:6 und 6:7. Also die nächste knappe Niederlage. Dass Thiem nach 1:0-Satzführung im zweiten Durchgang bereits 4:1 führte und sogar im entscheidenden Tie-Break mit 5:3 vorne lag, rückt das derzeitige Problem noch eklatanter in den Vordergrund: Es liegt nicht in den Händen und den Beinen, sondern in einem anderen Körperteil. „Spiele gewinnt man auf diesem Niveau nur im Kopf“, sagt Tennis-Allrounder Alexander Antonitsch.
Vertrauenspersonen
Axel Mitterer ist zwar noch nicht mit Thiem unterwegs gewesen, hat sich aber als Mentalcoach im Sport, vor allem auch in der Szene, einen Namen gemacht. „Für einen erfolgreichen Sportler ist es unerlässlich, dass das Umfeld passt. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies der bei Thiem der Fall ist“, sagt der Tiroler. „Er hatte vor nicht allzulanger Zeit Leute wie Herwig Straka oder den deutschen Physio Alex Stober im Stab. Leute, die eine gute Vertrauensperson abgaben. Ich glaube nicht, dass es diese wichtige Komponente in der Investorengruppe Kosmos gab.“
Thiem hat zwar wieder ein Betreuerteam, viel und immer mehr macht aber die Familie, Bruder Moritz ist der neue Manager. Für Mitterer, der unter anderem im Skigymnasium Stams tätig ist, ist das auch kein günstiger Weg. „Eltern sind wichtige Vertrauenspersonen, aber niemals Co-Trainer, selbst wenn Vater Wolfgang Tennislehrer ist“, sagt Mitterer und nennt ein Beispiel. „Erst kürzlich kam ein junger Skifahrer zu mir, bei dem einfach die Mutter zu lieb war und die nach Misserfolgen sagte: ‚Das wird schon wieder.‘ Das nervte ihn. Nach einem Sechs-Augen-Gespräch war die Sache geklärt.“ Kurz: Im Sportlichen haben Eltern nichts verloren.
Ein weiteres Problem ist auch Thiems Mindset. „Trainer Günter Bresnik lehrte ihn, dass er lieber einen Ball 20.000-mal über das Netz dreschen solle, dann könne er das und würde keinen Mentalcoach brauchen“, erinnert Mitterer. „Das hat Thiem noch im Kopf, dabei ist er im Training gut, am Spielerischen liegt es kaum.“
Wild Cards kein Vorteil
Auch, dass Thiem ständig mit Wild Cards beschenkt wird, sei nicht gut. „Da macht er sich selbst den Druck, es mit Siegen zurückgeben zu müssen. Besser wäre, er kämpft sich durch die Qualifikationen. Nicht nur für die Spielpraxis.“
Freilich könne auch die Verletzung eine Rolle spielen. „Eine Handverletzung ist das schlimmste für einen Tennisspieler. Und noch schlimmer ist es, dass es bei einem Schlag passiert ist. Mit einer derartig unguten Kombination hatten viele Spieler schon Probleme.“ Was zu tun ist: „Er braucht in diesem Bereich eben eine Vertrauensperson.“ Thiem wird es wissen, „er ist intelligent“.
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