Eine kurze Episode? Ein kleiner Einschüchterungsversuch und alles ist wieder erledigt?
Von Westen aus gesehen ist es schwer zu glauben, dass die Posse rund um Tennisspielerin Peng Shuai vorbei ist.
Die 35-Jährige, die Anfang November in einem langen Social-Media-Beitrag Zhang Gaoli, einen hohen Politiker des Landes, einer jahrelangen aufgezwungenen Affäre bezichtigt hatte, war anschließend tagelang verschwunden. "Wo ist Peng Shuai" (#WhereIsPengShuai), fragte sich die (Tennis)-Welt online. Bis sich merkwürdige Lebenszeichen von ihr bei chinesischen Medien oder auf Social Media fanden.
Nein, sagen Beobachter der chinesischen Politik und Gesellschaft. "Peng ist verschwunden, wie viele andere in der Vergangenheit auch schon", erklärt Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik von der Universität Wien dem KURIER. Sie vergleicht Pengs Fall mit jenem von Jack Ma, dem Gründer der milliardenschweren Alibaba Group, der im Vorjahr öffentlich das chinesische Finanzwesen kritisiert hatte. Ende 2020 war er plötzlich – für drei Monate – unauffindbar.
Viele Betroffene in ähnlichen Situationen sind dann vorübergehend in Gefangenschaft, in Hausarrest oder werden in andere Landesteile entführt, erklärt die Sinologin. Es heißt dann in China: "Die Partei kam, um mit dir zu sprechen." Nicht selten wird den Betroffenen dann eine Art Abkommen abverlangt: Man muss etwa unterschreiben, gewisse Dinge nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. "Die Partei bzw. der Sicherheitsdienst legt dir ein Drehbuch vor, an das du dich zu halten hast", sagt Weigelin-Schwiedrzik. Danach werde man ständig beobachtet. "Auch wenn in den meisten der anderen Fälle die Betroffenen wieder freigelassen wurden, sind sie nach ihrem Verschwinden nicht frei."
Auch Peng Shuai tauchte nach einigen Tagen wieder auf. So war sie etwa auf Videos beim Feiern in einem Restaurant zu sehen, oder in einem Video-Telefonat mit IOC-Präsident Thomas Bach.
"Einige Leute sollten ihre bösartigen Unterstellungen beenden und diese Sache nicht politisieren", hieß es daraufhin aus dem Außenministerium in Peking. Mareike Ohlberg, China-Forscherin beim German Marshall Fund, sieht in den Medienbeiträgen und in der Wortmeldung des Ministeriums eine eindeutige Message nach innen. "Sie signalisieren: Es ist jetzt Zeit, zu diesem Fall den Mund zu halten", erklärt Ohlberg. Selbst wenn nach außen niemand glaubt, dass die Nachrichten zu Peng Shuais Verbleib zu 100 Prozent stimmen.
Die Geldfrage
Das Olympische Komitee und sein Präsident Thomas Bach haben sich – gewollt oder ungewollt – auf das "Drehbuch" des Sicherheitsdienstes eingelassen. "Mit den Olympischen Winterspielen im Februar in Peking haben das IOC und seine Sponsoren Milliarden Dollar Gründe, China dabei zu helfen, die Peng-Shuai-Geschichte zu beenden", schreibt der Economist.
Die Profivereinigung der Tennisspielerinnen geht einen anderen Weg. Die WTA hat sich mit der chinesischen Regierung angelegt und droht mit dem kompletten Rückzug der Damen-Tennistour aus China – und riskiert damit massive ökonomische Einbußen.
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