22 Jahr’, rotes Haar. Jannik Sinner hat ein paar Mal sanft angeklopft und ist nun eingetreten. In einen Kreis, in dem sich nur die ganz Großen aufhalten. In seinem ersten Grand-Slam-Finale legte er gleich ein denkwürdiges Match hin, lag gegen Daniil Medwedew 0:2 in Sätzen zurück, siegte aber noch 3:6, 3:6, 6:4, 6:4 und 6:3.
Überraschung? Nach seinem tollen Herbst war der Erfolg für viele zu erwarten. Österreichs Tennis-Experten hatten ihn in KURIER-Gesprächen zumindest auf dem Zettel. Für Stefan Koubek, 2002 im Viertelfinale von Melbourne, war Sinner gar der Turnierfavorit.
Doch, wie tickt der Mann, der nun als erster Italiener überhaupt die Australian Open gewann?
Die Topstars, und warum sollte es im Tennis anders sein, ziehen im Netz nicht nur bildlich gemeint oft das letzte Hemd aus und zeigen sich offen mit ihren Lebenspartnern. Nicht so Sinner. „Ich muss kein Bild posten, um allen zu zeigen, dass ich verlobt bin. Ich will mein Privatleben privat halten.“ Freilich, seine Freundin verstecken will er dann auch wieder nicht (sie heißt Maria Braccini). In einem Interview mit dem italienischen Sender RAI zeigte er sich angesprochen darauf aber zurückhaltend. Bekannt ist jedenfalls auch, dass er wie viele seiner Kollegen in Monaco lebt. Österreichs Turnierbosse Herwig Straka (Wien) und Alexander Antonitsch (Kitzbühel) beschreiben ihn als „bescheiden und sehr sympathisch“.
Vorleben
Sinner begann seine Karriere nicht nur in Tennis-Schuhen, sondern auf Skiern. 2008 holte er sich im Nachwuchs den Titel des italienischen Riesenslalom-Meisters, 2012 wurde er Vize-Meister. Dann sattelte er komplett um. „Ich wollte mich mehr auf Tennis konzentrieren, weil der Wettkampf im Tennis länger als anderthalb Minuten wie beim Skifahren dauert – das hat mich gereizt.“ Am Sonntag durfte er immerhin 3:43-Stunden arbeiten. Als er 13 war, wurde Trainerlegende Riccardo Piatti auf ihn aufmerksam. Der Aufstieg begann.
Sinner trifft man oft beim Golfen an. Auch aus seiner Vorliebe zu Autos macht er keinen Hehl. „Ich fahre gerne Kart“, erzählte er einmal.
Sprache
Wenn Sinner mit seinem Südtiroler Dialekt Siegerinterviews auf den Courts führt, könnte man glauben, ein Ski-Star gibt seine Wortspenden ab. „Wir Südtiroler und Österreicher verstehen uns mit unserem Dialekt gut“, erzählte Sinner im Oktober nach seinem Titel in Wien.
Heimat
Also ist er doch ein waschechter Südtiroler und nicht emotionaler Südländer? Nicht zwingend. „Ich bin mit 13, 14 von daheim weg nach Italien und wenn man dann mit italienischen Leuten beisammen ist, fühlt man sich richtig italienisch“, sagt der in Sexten im Hochpustertal aufgewachsene Sinner. “ Ich fühle mich zu 100 Prozent als Italiener, aber ich bin halt in Südtirol aufgewachsen. Das wird sich auch nie ändern.“
Fanliebe
Jannik Sinner ist als Italiener logischerweise auch ein Fußball-Fan. Sein Herz schlägt für Milan. Als Sinner im November hauptverantwortlich für den ersten Davis-Cup-Sieg der Italiener seit 1976 war, feierten die Fans der Rossoneri im Stadion San Siro mit Gesängen ihren Tennis-Helden. Sinner stand kurz im Mittelpunkt des Champions-League-Schlagers gegen Borussia Dortmund: „Jannik“, „Jannik“, „Sinner“, „Sinner“, ...
Spitzname
Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera nannte ihn schon bald „Roter Baron“. Auf diesen Namen hörte früher der mit noch reichhaltigerer Haartracht ausgestattete Boris Becker. Der Deutsche war nicht eifersüchtig und sah schon bald die Vorzüge von Sinner. „Es beeindruckt mich, wie klar er in seinem Alter im Kopf ist.“ Sinner war zu dieser Zeit noch ein Teenager.
Rekord
Sinner wird trotz seines ersten Grand-Slam-Titels auf Rang vier bleiben, aber aufgrund der im Herbst erspielten Punkte bald einen italienischen Rekord aufstellen. Bester Landsmann bis zum Aufschwung von Jannik Sinner war Adriano Panatta, der vor 47 Jahren ebenfalls die Nummer vier der Welt war. Sogar die Nummer eins ist bald möglich.
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