Federer-Coach Ljubicic über Thiem: "Er ist ein fantastischer Kämpfer"
Die ehemalige Nummer 3 der Welt trainiert seit Jahren Roger Federer. Welche Probleme Dominic Thiem hat und was die echten Topstars auszeichnet.
08.06.22, 05:00
Von Andreas Jaros
Ivan Ljubicic, seit Jahren Trainer von Roger Federer, wurde als Spieler Daviscup-Sieger mit Kroatien und gewann zweimal (2005 und 2006) das Wiener Stadthallenturnier. In Losinj hat er eine Tennis-Akademie gegründet, die noch bis 12. Juni Schauplatz der Senioren-EM sein wird.
Der KURIER erwischte den 43-jährigen Ex-Profi auf der Adria-Insel und bat ihn um seine Returns zur Thiem-Krise und zu der Perspektive der großen drei, Federer, Nadal, Djokovic.
KURIER:Das Comeback von Dominic Thiem verlief mit sieben Niederlagen niederschmetternd. Er war wie Sie Nummer 3 der Welt, und ist jetzt im Niemandsland der Rangliste. Was würden Sie an seiner Stelle tun?
Ivan Ljubicic: Ich bin mit Ratschlägen vorsichtig, da ich keine Insider-Informationen habe. Aber ich bin mir sicher, sein Team hat einen Plan, wie er wieder in die Spur kommt. Es ist nie leicht, nach Verletzungen zurückzukommen. Schon in der Vergangenheit schienen eine Menge Spieler nach Handgelenksgeschichten Probleme zu haben.
In Paris hat Thiem beim Debakel gegen den Bolivianer Hugo Dellien keinen einzigen Breakball gehabt. Wie erklären Sie sich das?
Er hat kein Selbstvertrauen. Und im Tennis auf höchstem Niveau ist die Konkurrenz riesig. Wenn du nur ein wenig nachlässt, hast du gegen niemanden eine Chance.
In Österreich gab es auch Kritik an seinem Touring-Coach Nicolas Massu. Was kann ein Trainer in so einer Situation tun?
Ich kenne Nico noch aus meinen Spielertagen. Er hat immer eine außergewöhnliche Energie auf den Platz gebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er als Coach anders tickt.
Wurden Sie als Spieler von einer schweren Verletzung zurückgeworfen?
Glücklicherweise bin ich von gröberen Blessuren verschont geblieben. Nur 2008 habe ich mich am Oberschenkel bedient und musste die Olympischen Spiele und die US Open sausen lassen. Gegen Ende meiner Karriere hat sich dann der Knöchel gemeldet. Das Handgelenk schmerzte auch einmal – aber nur kurz.
Roger Federer ist mittlerweile 40 Jahre alt und arbeitet an seinem Comeback nach einer schweren Knieverletzung.
310 Wochen lag der Schweizer auf Platz eins der Weltrangliste.
103 Turniersiege hat Federer bisher in seiner Karriere gefeiert, 20 davon bei Grand-Slam-Turnieren.
Glauben Sie, dass Thiem der absolute Siegeswillen einiger ganz großer Spieler fehlt?
Wer sagt denn so was? Dominic ist ein fantastischer Kämpfer, dem einfach nur die Erfolgserlebnisse und sein früheres Level fehlen. Normalerweise ist seine Vorhand eine mächtige Waffe, die den Unterschied macht.
In Rafael Nadal und Novak Djokovic und Ihrem Schützling Roger Federer brennt das Feuer auch noch im höchst fortgeschrittenen Alter. Gibt es ein Geheimnis?
Es ist fantastisch, wie ambitioniert die drei noch immer sind. Ihre Erfolge wären nicht möglich gewesen, wenn sie sich früh auf ihren Lorbeeren ausgeruht hätten.
Roger will unverändert nach den US Open als dann 41-Jähriger wieder angreifen?
Das ist unser Plan und unsere Hoffnung.
Seine Pause gab Ihnen die Chance, sich Ihrer neuen Akademie in Veli Losinj mit neun Sand- und vier Hartplätzen beim „Punta Vitality“-Hotel zu widmen. Was sind dort ihre Ziele?
Das Projekt ist langfristig angelegt, aber der Start ist wichtig. Darum bin ich so oft als möglich vor Ort.
Worin unterscheidet sich Ihre Akademie von jener Nadals auf Mallorca?
Ich will uns nicht mit anderen vergleichen oder gar in Konkurrenz treten. Die Anlagen von Nadal oder auch von Patrick Mouratoglou (Ex-Trainer von Serena Williams, Anm.) an der französischen Riviera sind für mich Tennisfabriken. So können und wollen wir nicht sein. Was mein Team und ich vorhaben: Willige Spieler aller Leistungsklassen besser machen.
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