"Ohrfeige für alle Australier": Empörung über Djokovic-Ausnahme

FILE PHOTO: Novak Djokovic
Premierminister fordert Nachweis für medizinische Ausnahme. Plus: Internationale Pressestimmen zur Causa Djokovic.

Mit Wut und Empörung ist in Australien die Ankündigung des Tennis-Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic aufgenommen worden, mithilfe einer Ausnahmegenehmigung bei den Australian Open anzutreten. In Medien und sozialen Netzwerken machten viele Menschen ihrem Ärger über die Entscheidung zugunsten des 20-fachen Grand-Slam-Turniersiegers Luft - der nun offenbar ohne die eigentlich vorgeschriebene Impfung gegen das Coronavirus ins Land darf.

Ein User nannte Djokovics Teilnahme eine "Ohrfeige für alle Australier" und sprach damit vielen Australiern aus der Seele. Der Sender ABC sprach von "Zorn und Konfusion" im ganzen Land.

"Es ist mir egal, wie gut er als Tennisspieler ist. Wenn er sich weigert, sich impfen zu lassen, sollte er nicht reingelassen werden", betonte der prominente Arzt Stephen Parnis. Die Ausnahmegenehmigung für den serbischen Tennisstar sei "eine erschreckende Botschaft" an Millionen Australier.

"Er ist nicht unverzichtbar"

Der Sportreporter Andy Maher aus Melbourne erklärte, selbst zahlreichen Australiern sei zwei Jahre lang eine solche Ausnahmegenehmigung zur Einreise in ihr Heimatland verweigert worden, "aber dieser Kerl - der sich angesichts des Coronavirus außergewöhnliche Freiheiten herausgenommen hat - bekommt seine Ausnahme". Djokovic sei ein großartiger Sportler, "aber er ist nicht unverzichtbar". Die Journalistin Samantha Lewis twitterte, es sei "die patriotische Pflicht" aller Zuschauer, Djokovic während seines gesamten Aufenthalts auszubuhen.

Djokovic hatte am Dienstag auf Instagram geschrieben, er sei im Begriff, mit einer Ausnahmegenehmigung nach Australien zu reisen. Damit beendete er knapp zwei Wochen vor dem Auftakt des ersten Grand-Slam-Turniers der Tennis-Saison die monatelangen Spekulationen um seine Teilnahme. Die Australian Open in Melbourne beginnen am 17. Jänner. Nur Spielerinnen und Spieler, die gegen das Coronavirus geimpft sind oder eine medizinische Ausnahmegenehmigung erhalten haben, dürfen daran teilnehmen.

Der neunfache Melbourne-Sieger Djokovic hatte seinen Impfstatus bisher stets offen gelassen. Die Veranstalter des Turniers teilten mit, die medizinische Ausnahmeerlaubnis sei nach strenger Überprüfung erteilt worden, an der zwei unabhängige Expertengremien beteiligt gewesen seien. Djokovic habe einen "völlig legitimen Antrag" gestellt und den notwendigen Prozess durchlaufen, verteidigte Turnierdirektor Craig Tiley die Entscheidung. "Jeder, der die Konditionen erfüllt hat, erhielt eine Einreisebewilligung von den Behörden. Dabei wurde niemand bevorzugt", erklärte Tiley.

Ausnahmegenehmigungen

Laut Tennis Australia und der Regierung des Bundesstaates Victoria haben 26 Personen eine Ausnahmegenehmigung beantragt, Djokovic sei einer von einer Handvoll erfolgreichen Antragstellern. Es habe in dem anonymen Antragsprozess keine Bevorzugung für Djokovic gegeben.

Tiley hofft, dass der Tennisstar selbst Stellung nimmt und seine Situation aufklärt. "Es wäre sicherlich nützlich, wenn Novak erklären würde, mit welcher Begründung er die medizinische Ausnahmebewilligung beantragt und erhalten hat", meinte der Turnierdirektor. "Ich würde mir wünschen, dass er zur Gemeinschaft redet. Wir hatten eine sehr schwierige Periode in den letzten zwei Jahren, und ich würde es schätzen, Antworten zu erhalten."

Australiens Premierminister forderte am Mittwoch jedenfalls eine Bestätigung ein. "Wenn die Beweise nicht ausreichen, wird er nicht anders behandelt als alle anderen und er wird im nächsten Flugzeug nach Hause sitzen. Für Novak Djokovic sollte es keine Sonderregeln geben. Überhaupt keine", erklärte Scott Morrison.

Pressestimmen zur Causa Djokovic

Australien:

The Age: "Novak Djokovic wäre gut beraten, seine übliche "herzzerreißende" Freudenfeier in der Rod Laver Arena zu unterlassen. Nach dem Spott zu urteilen, den seine medizinische Ausnahmegenehmigung für den Kampf um den 10. Australian Open-Titel in Melbourne hervorgerufen hat, ist er wohl im Begriff, der am wenigsten beliebte Besucher des Landes zu werden, seit Katie Hopkins letztes Jahr ausgewiesen wurde, weil sie damit geprahlt hatte, die Hotelquarantäne gebrochen zu haben. ... Eine Stadt, die sechs Lockdowns überstanden hat und in der eine zweifache Impfung die Bedingung für den Zugang zu jedem öffentlichen Gemeinschaftsraum ist, wird es wahrscheinlich nicht gutheißen, dass der führende Impfskeptiker des Tennis durch die VIP-Spur am Flughafen Tullamarine geleitet wird."

The West Australian: "Der Djoker hat sich in den Joker verwandelt und sich selbst schamlos die Rolle als Bösewicht zugeteilt, bevor er seinen Versuch startet, die Tenniswelt zu regieren."

The Herald Sun: "Die medizinische Ausnahmegenehmigung ... ist eine kranke Heuchelei. Seine Teilnahme ist eine Beleidigung für jeden Australier, der wegen Covid durch die Hölle gegangen ist."

Großbritannien:

Daily Mail: "Nachdem Australien seine Bürger mit unerbittlichem Eifer im Kampf gegen Corona drangsaliert hat, hat es mit No-vax Djokovic einem Mann eine öffentliche Plattform gegeben, der für die andere Seite zu arbeiten scheint... Sie sollten sich schämen."

The Telegraph: "Novak Djokovics Ausnahmeregelung beweist, dass Australiens harte Corona-Haltung nicht für die Reichen und Berühmten gilt."

Spanien:

Marca: "Am Ende hatten wirtschaftliche und sportliche Interessen - die Tatsache, den Weltbesten in Australien zu haben - Vorrang vor den Gesundheitsvorschriften, die jeder nach den Gesetzen seines Landes einhalten muss angesichts einer Pandemie, die die Welt seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat."

El Mundo: "Die Behörden des Bundesstaates Victoria, die prinzipiell zögerlich sind, Ausnahmen zu gewähren, unterstützten das Zugeständnis an Djokovic. All dies geschieht inmitten einer Welle von Ansteckungen in der Bevölkerung, die die Krankenhäuser in Melbourne unter Druck gebracht hat."

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