Die außergewöhnlichste Ausgabe der Wiener Turniergeschichte ist zu Ende, der Russe Andrej Rublew feierte ein Happy End. Auch sonst gab es viele Sieger. Der größte ist wohl der Sport, trotz der traurigen Situation konnte das Turnier abgehalten werden. Und das mit der besten Besetzung seiner Geschichte, wenn auch nur vor 1.000 Fans mit Masken pro Stadthallen-Session. Die Bilanz der Erste Bank Open.
Positiv: Die Organisation
Turnierboss Herwig Straka darf zu Recht sagen: „Die ganze Welt hat auf Wien geschaut.“ Das lag nicht nur am herausragenden Teilnehmerfeld, sondern auch an der beispielgebenden Organisation. Trotz Corona-Regelungen gelang es, ein Turnier der Superlative unter Einhaltung strengster Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen. „Normalerweise sitzt man hier und vermeldet Rekordzahlen – in diesem Jahr sitzen wir hier und sind froh und demütig und behandeln es mit Respekt, dass wird die Erste Bank Open durchführen konnten“, resümierte Straka. Die Stimmung war ebenso gut in der Halle.
Positiv: Der Sieger
Der Ranglisten-Achte Andrej Rublew schlug im Endspiel Lorenzo Sonego 6:4, 6:4 und feierte als erster Spieler bereits seinen fünften Titel in diesem Jahr. Bei der Siegerehrung verspürte er nur großen Dank: „Ich bin glücklich, dass wir in diesen Zeiten bei so einem gut organisierten Turnier spielen konnten. Auch das Publikum war traumhaft“, sagte Rublew, der im Viertelfinale Dominic Thiem rauswarf. Beeindruckend: Der 23-jährige Russe, dessen Großmutter aus Österreich kam, verlor in Wien kein einziges Aufschlagspiel und gab keinen Satz ab.
Der Italiener Lorenzo Sonego hatte nach einer Niederlage in der Qualifikation schon sein Ränzlein geschnürt. Dann durfte der 25-Jährige als Lucky Loser doch in den Hauptbewerb und gab bis zum Finale keinen Satz ab.
Positiv: Der Rohdiamant
Der 21-jährige Jurij Rodionov bewies gegen Topmann Denis Shapovalov erneut hohe Spielkunst. Was ihm noch fehlt, ist Konstanz. Deshalb war im Achtelfinale gegen den Briten Daniel Evans Schluss.
Positiv: Die Aussicht
Nächstes Jahr soll ein Star geholt werden, der noch nie da war: Rafael Nadal steht auf der Wunschliste ganz oben. Straka steht ständig in Verbindung mit dem Spanier.
Positiv: Die Stimmung
Ein Stadionsprecher, der alle mitriss, Musikeinlagen und Spieler, die sich immer wieder pushten. Zwar durften nur 1.000 Fans pro Session rein, aber die saßen allesamt ziemlich unten und erweckten den Eindruck, als wäre alles wie immer. Und selbst Novak Djokovic lobte: "Das ist ein sehr fachkundiges Publikum."
Positiv: Der Hausherr
Dominic Thiem wurde seit Turnierbeginn von einer schmerzhaften Prellung geplagt, biss sich aber durch. Auch gegen Rublew stand er im Viertelfinale bis zum Matchball auf dem Platz, aufgeben kommt für den Weltranglisten-Dritten nicht in Frage. So konnte er zwar sein sportliches Ziel - die Titelverteidigung - nicht erreichen, ein Plus gibt es aber für den Sportsgeist.
Negativ: Die Absagen
Kei Nishikori sagte verletzungsbedingt rund 20 Stunden vor der geplanten Partie gegen Thiem wegen einer Schulterverletzung ab. Der Argentinier Diego Schwartzman und der Australier Alex De Minaur waren vor Wien jeweils in einem Finale gestanden und sagten ebenso kurzfristig ab. Auch der Italiener Matteo Berrettini zog schon früher zurück.
Novak Djokovic trat als erste regierende Nummer eins seit 22 Jahren in Wien an. Zunächst spielte er auch phasenweise wie eine Nummer eins, im Viertelfinale gegen Sonego aber wie ein Kreisliga-Spieler. Auch mit seiner Begründung lässt sich kein Fairness-Preis gewinnen: „Ich habe in Wien mit dem Viertelfinaleinzug mein Ziel erreicht, Nummer eins am Jahresende zu sein.“
Negativ: Das Doppel-Ass
In dieser Woche lief in Wien alles gegen Jürgen Melzer. Zuerst verlor er mit dem Franzosen Édouard Roger-Vasselin im Viertelfinale gegen Lukasz Kubot und Marcelo Melo. Das polnisch-brasilianische Duo gewann dann das Turnier. Melzer und Roger-Vasselin wurden im Ranking aber nicht nur von Kubot/Melo, sondern auch von den Finalisten Jamie Murray/Neal Skupski (GBR) überholt und sind nur noch Neunter. Die acht besten Doppel schlagen beim ATP-Finale in London auf. In Paris folgt die Entscheidung.
Auch das war Gesprächsthema in Wien: Alle Tennishallen müssen im Lockdown ab Dienstag für Hobbysportler schließen. Jedoch haben einige Hallenbetreiber bereits angekündigt, dennoch aufzusperren. Es wird spannend.
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