In Wien gibt es Polizisten, die in verschiedenen Fan-Szenen unterwegs sind, um die Stimmung einschätzen zu können. Ihr Chef erzählt, wie es ist, zwischen den Fronten im Stadion zu stehen.
Zwei Wochen ist es her, dass das Wiener Derby im Allianz-Stadion eskaliert ist, 10 Menschen wurden verletzt, es gab fast 600 Anzeigen. Nach dem Match machten die szenekundigen Beamten (SKB) der Polizei Schlagzeilen, weil es auf einem Video so aussah, als hätte einer der Polizisten das Tor, durch das die Fans in Rage auf das Spielfeld stürmten, absichtlich geöffnet. Der Sachverhalt wurde geklärt, den SKB trifft keine Schuld.
Aber hätte man die Eskalation verhindern können? Die Risikobewertung obliegt der Bundesliga, eine sichere Durchführung des Matches den Vereinen, die als Veranstalter für die Sicherheit im Stadion zuständig sind. Die SKB sind Berater und helfen mit Informationen aus der Fan-Szene. Wie viele Ordner gestellt werden, entscheiden letztendlich aber die Vereine.
Der Leiter der SKB in Wien, Oberst Wolfgang Lang, hat dem KURIER Einblicke in die Fan-Szene und den Beruf gegeben.
KURIER: Wie ist das Verhältnis zwischen SKB und Fans – Freund oder Feind?
Wolfgang Lang: Die meisten SKB sind schon viele Jahre dabei und wachsen mit den Fans mit, genauso ist das umgekehrt. Die Fans wissen, dass wir Polizisten sind, aber es gibt einen über Jahre entstandener gegenseitigen Respekt, der uns hilft, Informationen zu gewinnen. Die Fans wissen wiederum, wo ihre Grenzen sind – oder sie sollten es zumindest. Leider wird das durch Alkoholkonsum manchmal vergessen.
Ist die Fanszene in den vergangenen Jahren gewalttätiger geworden?
Seit Corona hat sie sich verändert. Die Leute gehen mehr hinaus, gerade die, die unter den Lockdowns besonders gelitten haben – also die Jungen. Dadurch werden die Fans immer jünger und sind auch motivierter. Man sieht das bei den spektakulären Choreografien im Stadion. Viele kommen aus sozial schwierigen Verhältnissen. Sie finden in den Gruppierungen eine Art Familie und sind Mitläufer. Da sind Leute dabei, die wir mit einem Bengalo in der Hand erwischen, und sie wissen gar nicht, dass das eine strafbare Handlung ist. Aufklärung ist da ein wichtiger Part unseres Jobs.
Es gibt strenge Hierarchien, man muss sich hocharbeiten. Je aktiver man ist, desto schneller geht es. Die Jungen verteilen Flyer oder machen andere Werbung für den Verein. Nur dann darf man zum Beispiel bei Rapid im Block West stehen.
Ist ein Aufstieg in der Hierarchie mit Gewalt verbunden?
Das ist nicht die Regel, aber nicht auszuschließen.
Wäre es wichtig, bei bestimmten Matches mehr Einschränkungen auszusprechen? Zum Beispiel, den Familiensektor sperren oder noch strenger auf Pyrotechnik kontrollieren. Sowohl die Polizei als auch die Vereine wissen sehrwohl, dass Derbys nie wie ein normales Fußballspiel sind, sondern immer mit Risiken verbunden. Aber wir haben eine sehr gute Verbindung mit den Fans und den Vereinen, man berät sich gegenseitig. Wie viele Ordner es gibt, entscheidet der Verein selbst, das ist natürlich auch eine Geldfrage. Was Pyrotechnik angeht, sind die Strafen, die die Vereine beim Abfeuern bezahlen müssen, in anderen Ländern extrem hoch. Da gibt es das nicht. In Österreich sind die Strafen relativ niedrig.
Sollte die Polizei Ihrer Meinung nach mehr Befugnisse innerhalb des Stadions haben?
Unsere Befugnisse sind meiner Ansicht nach ausreichend.
Wie schwierig ist die Arbeit als SKB?
Der Job ist Learning by Doing und nicht einfach. Manche können ihn nicht machen, weil der Fan eben keinen Respekt hat und er deshalb keine Informationen bekommt. Die Ausbildung ist sehr auf Psychologie ausgelegt und man muss sich in der Szene auskennen und den Sport mögen, denn die Fans sprechen mit den Beamten ja auch über die Matches. da muss man schon wissen, wie es ausgegangen ist. Aber es kommen zum Beispiel auch Fragen, ob wir einen Strafzettel verschwinden lassen können. Das geht natürlich nicht, aber da muss man eben trotzdem ein offenes Ohr haben.
Darf man als SKB eigentlich selbst ein Fan sein?
Natürlich wird es Sympathien geben, aber ich bestehe darauf, dass man Distanz zeigt. Es wird keinen SKB mit einem T-Shirt eines Vereins geben – das passt einfach nicht. Auch gegenüber unseren Kollegen, die bei den Spielen im Einsatz sind, wäre das respektlos. Diese gewisse Distanz, die wir pflegen, hat sich bewährt. Es geht uns um einen respektvollen Umgang. Aber das ist immer eine Berg- und Talfahrt, je nachdem, wie die Stimmung ist.
Wie ist die österreichische Fankultur im internationalen Vergleich?
Wir sind weit entfernt von der Gewaltbereitschaft in anderen Ländern, wie Polen, Serbien oder auch Ostdeutschland. Da geht es auch um Politik. Nach den Matches gibt es geplante Schlägereien rund um das Stadion. Das ist in Österreich nicht so.
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