Ein Kniefall sorgt für Schlagzeilen in den USA

Colin Kaepernick (li.) ging als Erster aus Protest in die Knie.
US-Athleten kritisieren das politische Klima in den USA - und werden dafür selbst kritisiert.

Gut möglich, dass Colin Kaepernick als Footballer nie so berühmt geworden wäre wie er es jetzt binnen weniger Wochen als passionierter Protestierer geworden ist. Seitdem der Back-up-Quarterback der San Francisco 49ers beim Abspielen der US-Hymne erstmals freiwillig in die Knie gegangen ist, dreht sich auf einmal alles um ihn. Die einen feiern den 28-Jährigen als mutigen Vorreiter einer neuen Protestbewegung, die anderen kritisieren ihn als Vaterlandsverräter und würden Kaepernick am liebsten überhaupt gleich des Landes verweisen, wie es etwa Präsidentschaftskandidat Donald Trump vermelden ließ.

Für Kaepernick ist der Kniefall nichts anderes als ein Symbol für das aktuelle Klima in den USA so kurz vor den Präsidentschaftswahlen und die Benachteiligung der farbigen Bevölkerung. "Ich werde nicht aufstehen, um meinen Stolz für die Flagge eines Landes zu zeigen, das Schwarze und Farbige unterdrückt", sagt der Footballer.

Starker Gegenwind

Laut einer aktuellen Umfrage begrüßen weite Teile der Bevölkerung zwar das Engagement, dass Kaepernick und seine Sportlerkollegen sich aber ausgerechnet die Hymne für ihren Protest ausgesucht haben, stößt auf Unverständnis. 72 Prozent der Amerikaner bewerten dieses Verhalten als unpatriotisch.

Heftigen Gegenwind bekam auch die Fußballerin Megan Rapinoe zu spüren, nachdem sie beim Länderspiel gegen Thailand während der Hymne stillen Protest geübt hatte. Der US-Verband distanzierte sich in einer Aussendung von der 109-fachen Teamspielerin. "Wir erwarten, dass sich alle Repräsentanten des Landes während des Abspielens der Hymne erheben und der Fahne zuwenden."

Die aktuelle Hysterie rund um die Hymnen-Verweigerer ist wohl auch deshalb so groß, weil politische oder gesellschaftskritische Statements und Kampagnen von Sportlern Seltenheitswert haben – und auch verpönt oder durch Bestimmungen strengstens untersagt sind, wie etwa bei Olympia.

Auch deshalb haben sich die Athleten, die trotzdem ihre Botschaften aus den Stadien hinaus in die Welt trugen, in die Erinnerung geprägt. Wie etwa die US-Leichtathleten Tommie Smith und John Carlos, die bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko während der Siegerehrung die geballte rechte Faust zum Himmel reckten – als Symbol für Black Power, die berühmte Bürgerrechtsbewegung in den USA.

Schwarze Armbinde

Auch ein Österreicher nutzte die olympische Bühne einst für ein Statement. Wolfgang Mayrhofer segelte 1980 in Moskau zu Silber und trug anschließend bei der Siegerehrung eine schwarze Armbinde – als Protest gegen den Einmarsch der UdSSR in Afghanistan. Die Spiele in Moskau waren von vielen Länder boykottiert worden. Mayrhofer sagt: "Aus heutiger Sicht wäre es richtiger gewesen, nicht hinzufahren. Ich wollte aber auch nicht im Geheimen zornig sein und habe deshalb verschiedene Protest-Utensilien nach Moskau geschmuggelt. Die Protestform, die ich gewählt habe, die schwarze Armbinde, war dann vermutlich sehr österreichisch. Ich hätte auch anderes tun können, etwa im Olympischen Dorf ein Transparent entrollen. Ich wollte aber auch nicht, dass andere denken, dass ich mich damit aus Selbstverliebtheit zum Märtyrer stilisiere."

Falsche Fahne

Ein Kniefall sorgt für Schlagzeilen in den USA
epa000440085 Captain of SS Lazio Paolo Di Canio leaves the field in underpants only after launching his clothes to supporters in the North Curve of Rome's Olympic stadium after the Serie A soccer match against Fiorentina on Sunday, 22 May 2005. The tattoo on his right arm sports the word 'DUX' and is dedicated to Italian fascist dictator Benito Mussolini. EPA/ETTORE FERRARI
Der 58-Jährige ist heute Professor an der WU und beschäftigt sich intensiv auch mit Karriere- und Laufbahnforschung. "Politisch Interessierte fragen mich bis heute, ob ich der mit der Armbinde bin. Man kommt nicht gleich in das Kastl des Sportlers als hirnloses Muskelpaket."

Mayrhofer bekam damals keine Probleme mit dem IOC. Mittlerweile kennt man in der olympischen Familie aber kein Pardon. So wurde bei den Paralympischen Spielen in Rio einem Weißrussen die Akkreditierung entzogen, da er bei der Eröffnung die russische Fahne geschwenkt hatte. Bekanntlich war das russische Team von den Spielen ausgeschlossen worden.

Auch der äthiopische Olympia-Marathon-Zweite Feyisa Lilesa war gerügt werden, weil er mit erhobenen und überkreuzten Armen ins Ziel gerannt war. Damit wollte er auf die Situation der Oromo aufmerksam machen, seiner Volksgruppe, die in der Heimat verfolgt wird. Die Sanktionen des IOC fürchtete der 26-Jährige weit weniger als die Konsequenzen daheim in Äthiopien. "Vielleicht werden sie mich töten", sagte Lilesa, der in den USA Asyl beantragen will.

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