Sport vor Corona: Die große Sehnsucht nach den Emotionen
Wenn im Ernst-Happel-Stadion die 50.000 Plätze beim Spiel der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft leer bleiben, dann ist das schon traurige Routine. Das Corona-Virus ließ auch den Sport zu Beginn des Jahres 2020 in seinen Grundfesten erschüttern. Da die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen wird, sind Menschenansammlungen undenkbar geworden.
Ein Glück für diverse Profi-Veranstaltungen, dass auch ohne Zuschauer der Betrieb fortgeführt werden kann. Doch ein Blick ins Archiv zeigt, wie abartig diese Geisterveranstaltungen sind. Emotionen sind im Sport das Um und Auf.
Der Kurier gab sich auf die Suche nach Sport-Veranstaltungen, die Gänsehaut auslösten und sich Fans auf den Tribünen vor Freude in den Armen lagen. Die Sehnsucht nach dem echten Sport wird mit jedem Tag größer. Waren Sie bei einer dieser Veranstaltungen dabei? All das wäre ohne Fans nie in Erinnerung geblieben.
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Euro 2016
Im Fußball haben sich auf jeden Fall die Fans aus Nordirland einen Namen gemacht. Bei der EURO 2016 war Will Grigg einer der Stars, obwohl er keine Minute spielte. Weil er bei Wigan in der dritten englischen Liga Torschützenkönig war, hatte ein Fan den Song „Freed from Desire“ in „Will Grigg is on Fire“ umgetextet. Auf den Tribünen, in den U-Bahnen, auf den Straßen ging es rund, der Song wurde ein Ohrwurm.
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Watford 2013
Unglaubliche Emotionen löste das Aufstiegsspiel von Watford gegen Leicester 2013 aus. Watford setzte sich dank eines Treffers in der 97. Minute gegen Leicester City durch. 18 Sekunden zuvor hatten die Gäste einen Elfmeter verschossen und den sicheren Sieg vergeben. Im Stadion „Vincarage Road“ brach Ekstase aus. Siegtorschütze Deeney hatte zu Beginn der Saison noch gefehlt, weil er nach einer Schlägerei eine Haftstrafe absitzen musste. Watford erreichte das Play-off-Finale und verlor dort 0:1 gegen Crystal Palace.
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Wien 1986
Die jüngeren Leser werden sich kaum erinnern können. Aber bei der Wiedereröffnung des Wiener Praterstadions nach dem Bau des Daches sorgte nicht nur die neue Akustik für Begeisterung. Österreich schoss Vizeweltmeister Deutschland mit einem 4:1 aus dem Prater und feierte nach 55 Jahren wieder einen Erfolg gegen den großen Nachbarn. Gefeiert wurde wie nach einem WM-Finale, auch wenn es nur ein Testspiel war.
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Rom 2017
Francesco Totti kam in der 54. Minute für Mo Salah in die Partie der AS Roma gegen Genoa. Es sollte noch ein langer Nachmittag werden. Das Spiel war letztlich nur der Nebenschauplatz. Nach dem Schlusspfiff gab der 40-Jährige in einer langen Rede seinen Abschied vom Profifußball bekannt. 70.000 Römer waren gekommen, die meisten weinten wie seit Kindesgagen nicht mehr. Totti, der Fußballgott aus der italienischen Hauptstadt, der den Klub nie verlassen hatte, sagte nach 24 Jahren Arrivederci.
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Schladming 2013
Die Fahrzeit von Marcel Hirscher beim WM-Slalom in Schladming fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Österreich hatte bis zum Schlusstag der Heim-WM nur eine Goldmedaille mit der Mannschaft gewonnen. Der Druck auf Hirscher war enorm, um nicht zu sagen unmenschlich, wie er später einmal zugab. „Angespieben hätte ich mich da fast, ich habe gedacht, ich gehe ein und schaffe es nicht, da runterzufahren. In Schladming ist es für mich um alles gegangen. Da ist es darum gegangen, ob ich ein Großer werde.“
Als er die ersehnte Goldmedaille holte, gab es bei den 45.000 Skifans im Zielstadion der Planai kein Halten mehr.
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Innsbruck 1976
Wie man dem Druck auf zwei Brettern davonfahren kann, zeigte auch schon Franz Klammer 1976. Bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck war der Kärntner der haushohe Favorit in der Abfahrt. Und dieser Rolle wurde er auch zur Freude der 60.000 Fans am Patscherkofel gerecht. Im Zielraum herrschte ein echtes Griss um Klammer.
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Wien 2017
Es war ein Sommermärchen, das Clemens Doppler und Alexander Horst bei der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft auf der Donauinsel erlebten. Obwohl Doppler erst kurz zuvor erfahren hatte, dass sein Knie lädiert ist, spielten sich die beiden - getragen von 10.000 Zuschauern - bis ins Finale. Mit WM-Silber sorgten sie für die erste WM-Medaille für Österreich. Und für unvergessliche Momente bei allen Anwesenden.
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Vancouver 2010
Es war im wahrsten Sinn des Wortes ein Golden Goal, das Kanadas Eishockey-Star Sidney Crosby im Olympia-Finale 2010 gegen die USA erzielte. Auch, wenn im Mutterland des Eishockeys alles andere als Gold bei den Winterspielen in Vancouver eine Enttäuschung gewesen wäre, war das Land danach im Ausnahmezustand.
Innsbruck 2010
Gregor Schlierenzauer war österreichicher Rekordhalter an Weltcupsiegen, als er 2010 erstmals in seiner Heimat in Innsbruck siegte. Die Stimmung bei der Vierschanzentournee im Kessel am Bergisel kochte über. "Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke", sagte Schlierenzauer erst zuletzt wieder.
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Antholz 2020
Als Corona längst in der Tür nach Europa stand, feierten bis 23. Februar noch knapp 200.000 Fans in Südtirol bei der Biathlon-WM. Lokalmatadorin Dorothea Wierer machte mit ihren Goldmedaillen im Einzel und in der Verfolgung das Schützenfest perfekt.
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Paris 2003
Der französische Gesundheitsminister musste seine Zustimmung geben, dass die Spieler aus China, Singapur, Hongkong oder Kanada an der Tischtennis-WM in Paris teilnehmen durften. In ihren Ländern breitete sich nämlich SARS aus. Am 25. Mai staunten die 10.000 Zuschauer nicht schlecht, als Werner Schlager im Finale den Koreaner Joo Se Hyuk besiegte und erstmals WM-Gold nach Österreich holte. Von 1997 bis heute ist er übrigens der einzige nicht-chinesische Weltmeister.
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Kansas 2016
Kaum zu glauben, aber wahr: Im Guiness Buch der Rekorde steht, dass bei einem Spiel der National Football League die beste Stimmung herrschte. 142,2 Dezibel erreichten die Fans der Kansas City Chiefs (USA im Arrowhead Stadium am 29 September 2014. Der Rekord wurde acht Sekunden vor dem Ende des ersten Viertels gemessen. Die Chiefs besiegten die New England Patriots 41:14.
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