Wie alle Kinder und Jugendlichen hat der Athlet seine ersten Gehversuche im Klettern in der Disziplin Lead gemacht. „Beim Speed bin ich dann eher zufällig gelandet. Und ich war früher da auch nie wirklich gut“, erzählt der 18-Jährige.
Seit er sich nun voll und ganz auf die Speed-Disziplin konzentriert, geht’s mit der Karriere rasant bergauf. Das Krafttraining, das er seit Winter intensiviert hat, zeigt Wirkung. „In unserem Sport geht es in erster Linie um Schnellkraft. Ausdauer brauchen wir nicht wirklich viel.“
Umso wichtiger ist im Speedklettern Reaktionsschnelligkeit. Bereits der Start kann im Kampf gegen die Zeit (Qualifikation) und im Duell Mann gegen Mann (Finale) entscheiden. Amon hat nun sogar herausgefunden, dass er bei seinem Rekordlauf beim Start noch einen Puffer von vier Hundertstelsekunden gehabt hätte. Allerdings bewegen sich die Speedkletterer auf einem schmalem Grat: „Ein Fehlstart bedeutet die Disqualifikation.“
Einmal in der Wand geht es dann vor allem um Koordination und die perfekte Griffabfolge. Bei 5,36 Sekunden bleibt keine Zeit zum Nachdenken oder Improvisieren. „Alle Bewegungen sind automatisiert. Es geht darum anzureißen und immer schneller zu werden“, sagt Amon.
Der Niederösterreicher ist einer der jüngsten Athleten in der Weltspitze. Ihm fehlt noch die nötige Wettkampferfahrung, auch im Training hat Amon Aufholbedarf. In den letzten Monaten galt die Aufmerksamkeit auch der Matura.
Zudem lebt der Niederösterreicher für einen Speedkletterer am falschen Ort. „In Wien gäbe es theoretisch fünf Speedlinien. Nur ist dort keine Route gesetzt. Es ist traurig, wenn ich zum Trainieren nach Innsbruck fahren muss“, berichtet er.
Das mondäne Kletterzentrum in Innsbruck, wo sich die halbe Welt der Kletterelite trifft, wird im Herbst auch die neue Heimat des Niederösterreichers werden, wenn Amon offiziell zum Heeressportler aufsteigt – der nächste Schritt Richtung noch mehr Professionalität.
Das ist auch notwendig in dieser Disziplin, die sich extrem rasant weiterentwickelt hat, seit das IOC beschlossen hat, 2024 im Speedklettern olympische Medaillen zu vergeben. Mit seiner Zeit von 5,36 Sekunden wäre Kevin Amon vor zweieinhalb Jahren noch souveräner Weltrekordhalter gewesen, in diesem Jahr knackten die ersten Kletterer die 5-Sekunden-Marke. Aktuell liegt die Bestmarke bei 4,90 Sekunden – Tendenz fallend.
Viel Luft nach oben
Er selbst sieht bei sich noch viel Luft nach oben. „Mir ist klar, dass es nicht mehr so große Sprünge sein werden wie im letzten Jahr. Aber warum sollte es nicht möglich sein, irgendwann einmal unter fünf Sekunden zu laufen?“, sinniert der Teenager. „Ich hätte mir ja auch nie gedacht, dass ich so schnell den österreichischen Rekord schaffe.“
Amon weiß, dass er hierzulande noch Exotenstatus hat. Österreich war stets ein Land der Leadkletterer, also in jener klassischen Disziplin, in der immer neue Herausforderungen und Routen warten und die Wand möglichst bis nach oben erklommen werden soll. Traditionalisten können mit Speedklettern wenig anfangen. „Die Alpinisten sagen: Das ist ja nicht Klettern“, berichtet Amon.
Er verweist dann gerne auf die Internationalität seines Sports. Indonesien etwa, sonst ein weißer Fleck auf der globalen Sportlandkarte, ist eine Hochburg des Speedkletterns und stellt den Weltrekordhalter. „Man kann schon sagen, dass Speed von der Wertigkeit über Lead und Bouldern zu stellen ist“, sagt Amon und verweist auf die Olympischen Sommerspiele.
Bei der Premiere 2021 in Tokio wurden Medaillen lediglich im Kombiformat aus Lead, Bouldern und Speed vergeben. Kommenden Sommer in Paris steht weiter eine Kombination aus Lead und Bouldern auf dem Programm. Die Speedies, wie Kevin Amon sich und seine Kollegen gerne nennt, laufen als eigenständige Disziplin. „Da sieht man, welchen Stellenwert wir haben.“
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