Skistar Reichelt: „Es waren die schlimmsten Tage meines Lebens“

ÖSV-PRESSETERMIN: "WANDERUNG AUF DIE STREIF" -  REICHELT
Nach den Doping-Ermittlungen gegen ihn gibt der österreichische Abfahrer Einblick in seine Gefühlswelt.

Es gibt für einen Abfahrer angenehmere Dinge, als die Streif zu Fuß von unten nach oben zu bezwingen. Zum Beispiel die Streif auf Skiern hinunter zu rasen. An den durchgeschwitzten Leibchen und an den teilweise nicht zu überhörenden Fluchen wurde schnell klar, welchen Streifzug die heimischen Skistars bevorzugen.

Einer freilich schien den anstrengenden Fußmarsch von Kitzbühel auf den Hahnenkamm sogar richtig zu genießen: Hannes Reichelt ist im Moment um jede Luftveränderung und Abwechslung froh. Seit sein Name in der Doping-Operation Aderlass aufgetaucht ist und er wegen seiner Nähe zum früheren ÖSV-Langlaufcoach Gerald H. vom BKA einvernommen wurde, ist Hannes Reichelt angespannter als im Starthaus in Kitzbühel. „Ich habe mich wieder etwas erfangen. Aber diese zwei, drei Tage nach der Einvernahme waren die schlimmsten in meinem Leben“, sagte der 38-Jährige beim Medientag in Kitzbühel.

KURIER: Es überrascht, dass Sie hier sind und den Journalisten Rede und Antwort stehen.

Hannes Reichelt: Warum sollte ich mich denn verstecken? Ich bin der Meinung: Wenn du nichts Unerlaubtes getan hast, dann brauchst du dich auch nicht zu verstecken.

Das heißt, Sie haben auch nie daran gedacht, hinzuschmeißen und die Karriere zu beenden?

Nein. Weil das irgendwie so ausschauen würde, als wäre das ein Schuldeingeständnis. Außerdem will ich auch noch nicht aufhören. Ich denke mir sogar: ,Jetzt erst recht, dann fahre ich absichtlich noch zwei Jahre.’

 

Wie ist der Stand der Dinge?

Im Moment warte ich auf die Auswertung meiner zwei Handys, die beschlagnahmt worden sind und überprüft werden. Und natürlich warte ich auch auf die Aussage von Gerald, die für mich sehr wichtig ist. Dass er sagt, dass Doping nie ein Thema war. Es ist schon arg, dass ich jetzt beweisen muss, dass ich etwas nicht getan habe.

Biathlet Dominik Landertinger hat die Zusammenarbeit mit Trainer Gerald H. beendet, als dessen Name bei den Ermittlungen aufgetaucht war. Warum haben Sie das nicht gemacht?

Ich habe schon damit gerechnet, dass ich befragt werde. Andererseits bin ich der Meinung: Wenn man nichts tut, dann kann einem auch nichts passieren. Das war offenbar falsch gedacht. Natürlich ist man im nach hinein gescheiter: Vielleicht hätte ich die Zusammenarbeit früher beenden sollen. Aber das ist halt auch nicht so einfach: Er ist mein Schulfreund, ich habe mit ihm maturiert, so einfach lässt man dann einen guten Freund auch nicht fallen.

 

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Abfahrer Reichelt in seinem Element.

Wobei innerhalb der Szene immer wieder einmal leise Verdachtsmomente gegen ihn zu vernehmen waren.

Ja, es gab Ermittlungen, aber da ist nichts heraus gekommen. Ich habe immer gesagt: Er war ÖSV-Trainer, und der Skiverband würde nie einen Trainer anstellen, der Dreck am Stecken hat. Außerdem war Doping in den Gesprächen zwischen uns nie Thema. Mir war aber klar: ,Wenn da was sein sollte, finito, dann trenne ich mich.’

Wie soll’s jetzt weiter gehen?

Ich hoffe, dass das alles schnell aus der Welt ist. Je länger sich das hinaus zögert, desto mehr belastet mich die Geschichte. Und ich will und sollte mich eigentlich auf die neue Saison vorbereiten. Ich merke, dass das Training eine große Hilfe ist. Auch meine Familie. Und auch die vielen Nachrichten geben Auftrieb. ,Hannes, diesen Blödsinn glauben wir nicht. Kopf hoch.’ Ich gebe es zu: Bei einigen Nachrichten sind mir sogar die Tränen gekommen.

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