Schladming 2013

Blick in die WM-Glaskugel

Alle Titelkämpfe wieder muss der KURIER-Computer den Blick in die Glaskugel überprüfen. Ja, es scheint tatsächlich so zu sein: Österreich holt in der Heimat 13 Medaillen.

Von Stefan Sigwarth und Christina Pertl

02.02.13, 20:51

So ganz sicher sind wir uns ja nie mit unseren Prognosen für alpine Ski-Weltmeisterschaften. Doch wir haben ein technisches Hilfsmittel, das in Österreich einzigartig ist: den KURIER-Computer (KC). Alle zwei Jahre wird er aus dem Kammerl geholt, in dem ansonsten nur alte Zeitungen liegen; alle zwei Jahre wieder muss die Maschine, die mancher Kollege relativ liebevoll "Blechtrott’l" heißt, mühsam entstaubt und die zugehörige Dampfmaschine angeworfen werden.

Heuer hat er’s fast ein wenig übertrieben: Während der ÖSV in Schladming auf sechs bis acht Medaillen hofft, errechnete KC gleich 13 Prämierungen für die Österreicherinnen und Österreicher. Ob es nicht doch Zeit wird für ein neues Gerät?

Super-G Damen

Erster Bewerbstag, erste Medaille für Österreich: Anna Fenninger holt Silber und beruhigt die angespannten Nerven von Fans, Athleten und Funktionären. Zwar fehlen der Salzburgerin knapp vier Sekunden auf die Beste, doch die heißt Lindsey Vonn (Bild) und ist wieder einmal in herausragender Form.

"Heute habe ich gut gefahren", sagt die Vorfahrerin der Speed-Branche, die allerdings nach Reporterfragen zum Thema "Was läuft da mit Barack Obama?" die Contenance verliert.

Tina Maze tröstet sich mit Bronze, während Titelverteidigerin Elisabeth Görgl untröstlich ist. Als die Fans "Lizz, sing amoi" fordern, hellt sich die Miene der Steirerin aber deutlich auf.

Super-G Herren

Die zehnte Medaille bei Großereignissen in der Karriere von Aksel Lund Svindal (Bild) glänzt golden: Erstmals holt sich der norwegische Hüne den Titel im Super-G; jene in Abfahrt, Riesenslalom und Kombi hatte er ja schon. Das nächste Projekt, verrät der 30-Jährige beim Siegerinterview, sei es nun, den letzten weißen Fleck in seiner Biografie zu tilgen. "Ja, ich werde jetzt Slalom trainieren und schauen, dass ich so gut wie Marcel Hirscher werde."

Christof Innerhofer fährt aus Ärger über seine Rückreihung in der Abfahrt von Kitzbühel mit zwei gelben Flaggen anstelle der Stöcke und kann Svindal nicht gefährden, doch es reicht, um Hannes Reichelt auf Distanz zu halten.

Superkombi Damen

Nach ihrem bronzenen Ausrutscher im Super-G ist Tina Maze (Bild) so richtig sauer. Nach einem Boxkampf mit ihrem Trainer und Lebensgefährten Andrea Massi und einem K.-o.-Sieg nach elf Sekunden der ersten Runde findet sie aber in die Erfolgsspur zurück.

Erstmals schaffen es zwei Österreicherinnen zur Siegerehrung: Anna Fenninger holt Silber, Nicole Hosp Bronze, Michaela Kirchgasser bleibt wegen einer Hundertstelsekunde Verspätung nur Blech.

Lindsey Vonn scheidet aus, weil sie im Übermut über ihren Super-G-Triumph und ihren Sieben-Sekunden-Vorsprung nach der Kombi-Abfahrt darauf besteht, mit ihren langen Herren-Skiern auch den Slalom zu fahren.

Abfahrt Herren

Bernhard Russi kreischt vor Glück, als Max Franz startet – und in seine Fahrt wirklich einen Three-Sixty einbaut. "Haben sie ihm also wirklich gesagt, dass er gewinnt, wenn er das macht", staunt Russi, der am Kitz-Wochenende als Experte des Schweizer Fernsehens das Geschehen vorhergesagt hatte.

Franz hilft’s freilich wenig, er wird Achter. Wie schon am Hahnenkamm siegt erneut der Südtiroler Dominik Paris, Erik Guay wird Zweiter, kann sich aber nicht recht freuen, denn bei den beiden vorangegangenen Weltmeisterschaften hatten jeweils Kanadier (2009 John Kucera, 2011 Guay) die Abfahrt gewonnen.

Klaus Kröll (Bild) wird Dritter und kann wieder lachen.

Abfahrt Damen

"Heute habe ich auch gut gefahren", sagt Lindsey Vonn nach dem zweiten Gold. Reporterfragen, was denn da gewesen sei mit Wladimir Putin, bleiben unbeantwortet. Irritierend: Keinem fällt auf, dass Vonn nur vier Zehntelsekunden Vorsprung hat – niemand fragt nach. KURIER-Recherchen ergeben: Vonn war mit Slalom-Skiern unterwegs.

Anna Fenninger (Bild)holt Silber und strahlt wie ein Hutschpferd. Aus Mitleid mit ihrer Freundin Lara Gut (Neunte) schenkt sie ihre Medaille weiter, worauf die Zürcher Boulevardzeitung Blick die Adneterin für die Wahl zur Schweizerin des Jahres vorschlägt. Dass Stacey Cook Bronze holt, geht in dem ganzen Tohuwabohu völlig unter.

Superkombi Herren

Also doch: Marcel Hirscher (Bild) startet in der Superkombi. Zwar hat der Wunderwuzzi aus Annaberg-Lungötz nach der Abfahrt einen kolossalen Rückstand auf den führenden Christof Innerhofer, doch der wird im Slalom drei Mal abgewunken, jeweils wieder zum Start gebracht und gibt vor dem vierten Versuch w.o.

Damit ist der Weg frei für Hirscher, der den "depperten Schneekristall", wie er die Medaille zärtlich nennt, sofort in sein Herz schließt.

Bei Aksel Lund Svindal (27. in der Abfahrt) macht sich das Slalom-Training schon bezahlt – er nimmt Hirscher zweieinhalb Sekunden ab und landet nur knapp hinter dem Annaberger. Ivica Kostelic ärgert sich über Bronze.

Teambewerb

Es beginnt mit einem Paukenschlag: Die Kostelic-Geschwister (Bild) treten für Kroatien an, mangels fitter weiterer kroatischer Skifahrer zu zweit. FIS-Renndirektor Günter Hujara schüttelt den Kopf: "Das geht so nicht, das hab’ ich Euch schon gestern gesagt." Die Kostelics suchen daraufhin zwei Mitstreiter, doch Papa Ante und Mama Marica haben keine Rennlizenz.

So geht der Sieg an die Deutschen, die den Österreichern das Nachsehen geben. Dass Lena Dürr immer Bestzeiten gefahren ist, lässt ihren Manager Kilian Albrecht seine inoffizielle Landeshymne singen: „Ohoo Vorarlberg, bischt zwar als Land ein Zwerg, klein aber oohoo, hollodrioooo.“

RTL Damen

Nach ihrem Nummer-1-Hit "My Way is my Decision" legt Tina Maze nach: "Go for Gold", eine Cover-Version von Andreas Gabaliers WM-Hymne, steigt aber nur an zweiter Stelle der Hitparade ein. Derart motiviert verteidigt die erzürnte Slowenin ihre Goldene von Garmisch-Partenkirchen.

Viktoria Rebensburg und Kathrin Zettel steigen mit Maze aufs Podium, Michaela Kirchgasser (Bild) verpasst als Vierte die Medaillenränge um eine Hundertstelsekunde.

Nachdem Lindsey Vonn bei der Siegerehrung alleine gesehen wird, stellt der ehrlich besorgte Boulevard am nächsten Tag die Frage: "Lindsey und Wladimir – alles aus wegen Platz sieben im Riesenslalom?"

RTL Herren

"Mister Giant Slalom" Ted Ligety (li) liegt nach dem ersten Durchgang drei Sekunden vor dem Zweiten. Der heißt völlig überraschend Marcel Hirscher (re); am Ende behalten die zwei ihre Plätze, obwohl sie nach Hirscher-Bestzeit nur noch eine Hundertstelsekunde trennt.

Philipp Schörghofer wird im ersten Durchgang durch eine Nebelbank behindert, hat aber nach Platz 50 beim Saisonauftakt in Sölden immer bei genau bei diesen Verhältnissen trainiert und holt dank einer speziellen Infrarotbrille wie schon 2011 die Bronzemedaille.

Der Vorarlberger Marcel Mathis wird wegen einer Hundertstelsekunde Vierter und wird im Ziel schon von Landsmann Kilian Albrecht erwartet.

Slalom Damen

Und noch eine Goldene für das US-Team: Mikaela Shiffrin (Bild= fährt zwei Mal Bestzeit und wird danach von ihrem Manager Kilian Albrecht auf Schultern durch Schladming getragen. "Ohoo Vorarlberg, bischt zwar als Land ein Zwerg, klein aber oohoo, hollodrioooo", singen die beiden auf ihrem Weg zur Siegerehrung.

Ob Albrecht danach sein Versprechen wahr macht und der Weg bis zum ÖSV-Hotel Pichlmayrgut fortgesetzt wird, ist noch nicht bekannt.

Kathrin Zettel ist mit Silber überaus zufrieden, während Tina Maze den Blick nach vorne richtet: "Ich will mindestens 2500 Punkte am Ende der Weltcup-Saison haben." 1694 sind es nach 26 von 37 Bewerben.

Slalom Herren

Die WM endet, wie sie begonnen hat, mit einer Medaille für Österreich. Marcel Hirscher (Bild) siegt im Slalom und teilt Freude und Triumph mit seinem besten deutschen Freund Felix Neureuther. "Leider geil", sagt der 23-jährige Annaberg-Lungötzer. Die Analyse zeigt, dass die beiden Slalom-Akrobaten vom ersten bis zum letzten Schwung ident gefahren sind, auch den Sturz kurz vor dem Ziel absolvierten sie synchron.

Ein Start im Synchro-Ski-Weltcup ist damit in der kommenden Saison Pflicht. Der drittplatzierte Andre Myhrer glaubt zwar nicht an Zufälle, will sich zum Rennverlauf aber lieber nicht äußern: "Das zu beurteilen, ist die Aufgabe von Herrn Hujara."