Wie Ultra-Radfahrerin Elena Roch den Männern das Hinterrad zeigt

Elena Roch in ihrem Element - auf ihrem Rennrad.
Elena Roch kann entspannt lachen. Was sie erreicht hat, kann ihr keiner nehmen. Die Niederösterreicherin hat voriges Jahr als erste Frau die Gesamtwertung des Race Around Austria gewonnen – zwei Stunden vor dem besten Mann. Dabei war die 31-Jährige erst durch Zufall zum Ultracycling gekommen. Sie war vom Laufen auf das Rennrad umgesattelt, und als sie 2016 nach Tirol übersiedelte, erzählte ihr jemand vom Ötztaler Radmarathon. „Das ist halt in Tirol so ein Ding.“
Roch hat die Herausforderung angenommen und ist dabei geblieben. Ende 2024 holte sie den Weltmeistertitel im 24-Stunden-Einzelzeitfahren, im Mai, beim Race Around Niederösterreich, den Europameistertitel. Im Juni wurde sie beim B-Hard Ultra Race in Bosnien Gesamtzweite. Nur ein Mann war schneller. „Dabei hätte das ein einmaliges Ding bleiben sollen“, erinnert sie sich im KURIER-Gespräch. (Unter dem Info-Kasten.)
Elena Roch organisiert neben Job und Training auch spezielle Rennradcamps nur für Frauen an verschiedenen Orten in Österreich und Südtirol. (Infos, Termine und Programm unter vibecycling.at.) Neben geführten Radtouren stehen dort etwa auch Pilates und Kulinarisches, Schrauber-Workshops und Mentaltraining auf dem Programm.
Mit ihren Camps für Frauen will die erfolgreiche Ausdauersportlerin andere ermutigen: „Einfach machen. Nicht denken: Bin ich gut genug?“, rät sie. Das sei bei Frauen oft ein Hemmschuh. Und noch einen Tipp hat die Niederösterreicherin, die selbst mit einem gebrauchten Rennrad und einem Sturz wegen der Schuh-Clips begonnen hat: „Nicht vom High-End-Material abschrecken lassen.“ Man könne mit einem Second-Hand-Bike starten und viel Freude damit haben.
Der wichtigste Tipp betreffe aber weder Fitness noch Equipment: „Das Wichtigste ist, sich eine Community zu suchen – zum Beispiel Frauengruppen, wo man sich austauschen kann.“
Elena Roch ist das beste Beispiel dafür, dass Ultra-Radsport nicht mit Leistung beginnt – sondern mit Neugier, Mut und einer Prise Humor. „Wir Frauen zweifeln oft. Aber wenn man sich einmal überwindet, merkt man, zu was man eigentlich imstande ist.“
Und das stärkt einen dann auch für weitere Ziele. Es ist leichter gesagt als getan – aber manchmal muss man einfach nur anfangen.
KURIER: Nehmen Sie uns mal mit in den Ablauf eines mehrtägigen Rennens mit Support-Team – wie funktioniert das?
Elena Roch: Die Zeit läuft durchgehend. Pausen sollen so kurz wie möglich sein. Alles, was am Rad geht – Essen, Trinken – wird am Rad erledigt. Ich nehme fast nur Flüssignahrung zu mir. Wenn ich absteige, wird kombiniert – z. B. Klo und Massage. Es gibt einen schriftlichen Plan.
Was steht da drauf?
Beispiel: Person X nimmt das Rad, Y tauscht das Licht, Z gibt mir die Kiste fürs Klo mit Desinfektionsspray oder Sitzcreme. Danach übergibt mir jemand das Rad, einer fährt das Begleitfahrzeug weiter – alles geregelt.
Und Schlaf?
Das finde ich fast am schwierigsten zu planen. Wir planen Schlafphasen grob, passen sie aber oft spontan an. Letztes Jahr war’s so heiß, dass ich tagsüber geschlafen habe, um die kühlen Nachtstunden zu nutzen. Geschlafen wird teils im Wohnmobil, teils im Hotel – je nachdem, was möglich ist.
Wie lange schlafen Sie da?
Am Anfang habe ich Powernaps gemacht, so 20, 30 Minuten. Dann einmal oder zweimal eine Stunde. Insgesamt waren es ca. 3 Stunden 15 Minuten.
In drei bis vier Tagen? Wow. Und danach – schlafen Sie einmal einen ganzen Tag?
Gar nicht. Die ersten zwei Tage nach dem Rennen bin ich meist so voller Adrenalin, dass Schlaf schwer fällt. Die Müdigkeit kommt dann verzögert – wie ein Jetlag.
Sie haben einen Job – wie geht sich das mit dem Training aus?
Mein Urlaub geht größtenteils für Rennen drauf. Ich bin selbstständig und mache Rennradcamps für Frauen. Im Sommer trainiere ich 20 bis 25 Stunden pro Woche, im Winter weniger. Ich versuche, es mit dem Pendeln zu kombinieren. Ich arbeite in Innsbruck und wohne in Inzing, ca. 20 km entfernt.
Als Frau im Sport: Müssen Sie sich manchmal blöde Sprüche von Männern anhören?
Ja, schon, immer wieder. Im Trainingsumfeld gibt’s einige Herren, die einem alles erklären müssen. Das nimmt mit den Leistungen aber ab. Schade, dass man sich als Frau den Respekt erst erarbeiten muss. In der Ultra-Community ist das nicht so. Jeder respektiert einen, man feiert einander, unabhängig vom Geschlecht. Es geht nicht nur um Leistung, sondern auch ums Finishen.
Warum können Frauen gerade im Ausdauersport oft sehr gut mit Männern mithalten – oder sind teilweise sogar besser?
Was man ja schon weiß: Bei Sprint oder reiner Kraft gibt’s biologische Unterschiede. Aber je länger die Ausdauerleistung wird, desto weniger fallen diese Unterschiede ins Gewicht. Und Ultracycling ist ja nicht nur körperlich – da zählen viele Komponenten: Schlaf- und Pausenmanagement, mentale Stärke, Schmerzverarbeitung. Im Supported-Bereich auch, wie gut das Team funktioniert. Das ist dann eigentlich kein Einzelsport, auch wenn es so wirkt.
Mentale Stärke ist ein wesentlicher Punkt?
Ja, ich glaube schon. Gerade im Umgang mit Schmerzen oder Schlafmangel sehe ich keinen Nachteil für Frauen.

Ultra-Radfahrerin Elena Roch
Apropos Schmerzen, was sind bei Ihnen typische Schwachstellen beim langen Fahren?
Knieprobleme, wobei ich das mittlerweile ganz gut im Griff habe. Sitzprobleme sind ein großes Thema, vor allem bei Rennen über 24 Stunden. Wundversorgung kostet Zeit. Nackenprobleme – beim Race Around Austria hatte ich Anzeichen vom „Shermer’s Neck“, ein Phänomen, bei dem durch die Position am Rad die Nackenmuskulatur so nachlässt, dass man den Kopf nicht heben kann.
Wie motivieren Sie sich in schwierigen Momenten – bei Schmerzen oder Müdigkeit?
Ich arbeite mental viel vor. Ich definiere meine Ziele sehr klar – zum Beispiel: sicher und gesund ins Ziel, innerhalb der Karenzzeit. Während dem Rennen setze ich mir Zwischenziele, z. B. 200 Kilometer. Schmerzen versuche ich mental umzulenken – mit Visualisierungen, etwa vom Sonnenaufgang oder dem Zieleinlauf. Und ich denke an mein Team – weil sie sich extra Urlaub nehmen, mitkommen und alles mittragen.
Kommentare