122 Jahre Tour de France: Trinker, Tränen und Tragödien

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Seit 1903 quälen sich Jahr für Jahr die besten Radfahrer über die Straßen von Frankreich. Das größte Radrennen der Welt war geprägt von Skandalen, Katastrophen und kuriosen Geschichten .

Über 3.338,8 Kilometer führt die Tour de France 2025, 51.500 Höhenmeter müssen während der 21 Etappen überwunden werden. Es sind Distanzen, über die vor hundert Jahren nur gelacht werden konnte. Ein Blick auf Geschichte und Geschichten des wichtigsten Radrennens der Welt.

1904: Das „Ende“ 

Die zweite Auflage der Tour ist von Skandalen überschattet. Fahrer werden ausgeschlossen, Zuschauer streuen Nägel auf die Straße, es kommt zu Schlägereien und Absprachen, Fahrer benutzen Autos oder Eisenbahn, manchen wird Schlaf- oder Abführmittel ins Essen gemischt. Tour-Gründer und Organisator Henri Desgrange resigniert: „Die Tour de France ist vorbei, und die zweite Auflage ist, befürchte ich, zugleich die letzte.“

1911: Giftmischer

In Führung liegend trinkt Paul Duboc aus einer Flasche. Nach wenigen Metern bricht er mit einer mysteriösen Vergiftung zusammen und wird fast von einem Begleitauto überfahren. Davon profitiert Gustave Garrigou, den die Zuschauer für den Täter halten und lynchen wollen. Der damals 26-jährige Garrigou tarnt sich mit einem falschen Trikot, lässt sein Rad umlackieren und gewinnt die Tour.

1913: Erbarmungsloses Regelwerk 

Bei der Abfahrt vom Tourmalet bricht die Gabel am Rad des Führenden Eugene Christophe. „Ich bin den Berg zu Fuß heruntergelaufen. 14 Kilometer, ich konnte vor lauter Tränen fast nichts sehen“, erzählt er nachher. Dann trifft er ein Mädchen, das ihn zu einem Schmied führt. Da es verboten ist, fremde Hilfe anzunehmen, schweißt Christophe die Gabel unter Anweisung des Schmieds selbst. Nur den Blasebalg lässt er von einem Bub bedienen. Da kennen die Rennkommissare kein Pardon und verpassen Christophe eine Zeitstrafe.

Paul Duboc trinkt 1911 von einer Flasche und bricht mit einer Vergiftung zusammen

Paul Duboc trinkt 1911 von einer Flasche und bricht mit einer Vergiftung zusammen

1924: Doping-Erklärung 

Die Brüder Pelissier laden Journalisten in ein Café und berichten von Dopingpraktiken. Auf der Tagesordnung stehen Kokain, Chloroform, Pillen und Cremen. Das beliebteste Mittel trägt den Namen „Dynamit“.

1926: Die längste Tour 

Die längste Frankreich-Rundfahrt wird 1926 gefahren. In 17 Etappen geht es über 5.745 Kilometer. 41 von 126 Fahrern kommen ins Ziel.

1935: Bier als Stärkung 

Während der heißen Etappe nach Bordeaux wird an einem Stand Bier an die Fahrer verteilt. Alle halten an – bis auf den Franzosen Julien Moineau, der die Etappe gewinnt. Nachher erfährt man, dass Moineaus Freunde den „Erfrischungsstand“ aufgebaut haben.

Henri Cornet war 1904  mit 19 Jahren der jüngste Sieger der Tour de France

Henri Cornet war 1904  mit 19 Jahren der jüngste Sieger der Tour de France

1957: Ein Österreicher auf dem Podest

Der 23-jährige Adolf Christian beendet die Tour auf Rang drei und holt das beste Ergebnis eines Österreichers.

1967: Die Tragödie am Mont Ventoux 

Der Brite Tom Simpson ist ein Sportler, der offen zugibt, seine Leistung mit Tabletten zu steigern. „Wenn mich zehn umbringen, gib mir neun davon“, soll er einmal gesagt haben. Im Jahr 1967 hat der 29-Jährige einen Cocktail aus Amphetaminen, Betäubungsmittel und Alkohol in seinem Körper, als er in der brütenden Hitze am Mont Ventoux tot von seinem Rad fällt.

1978: Der Gelbe wird überführt 

Der Belgier Michel Pollentier versucht, bei einer Dopingkontrolle Fremdurin abzugeben und wird als Führender aus dem Rennen genommen.

Ein Gedenkstein erinnert an Tom Simpson, der 1967 tot von seinem Fahrrad fiel.

Ein Gedenkstein erinnert an Tom Simpson, der 1967 tot von seinem Fahrrad fiel.

1989: Das Sekunden-Drama

Vor dem letzten Zeitfahren nach Paris hat Lokalmatador Laurent Fignon noch 50 Sekunden Vorsprung auf Greg LeMond. Der Amerikaner setzt auf einen aerodynamischen Helm und einen Triathlon-Lenker und schafft das Unglaubliche. Zum Entsetzen der Zuschauer setzt sich LeMond mit 8 Sekunden Vorsprung durch. „Ich werde immer der Fahrer bleiben, der die Tour verloren hat“, sagt Fignon ( 2010). „Dabei habe ich sie zwei Mal gewonnen.“

1997: „Quäl dich, du Sau!“

Jan Ullrich führt 1997 in der Gesamtwertung, als er auf der 18. Etappe plötzlich einbricht; das Gelbe Trikot ist in größter Gefahr. Teamkollege Udo Bölts treibt Ullrich mit den Worten „Quäl dich, du Sau!“ an. Mit Erfolg. Ullrich gewinnt als erster Deutscher die Tour de France und wird in seiner Heimat zum Helden.

1998: Die Festina-Affäre

Die Tour ist am Tiefpunkt angelangt und wird vom zu diesem Zeitpunkt größten Dopingskandal der Sportgeschichte erschüttert. Bei Willy Voet, einem der Betreuer des Festina-Teams, werden große Mengen unerlaubter Substanzen gefunden. Hauptsächlich handelt es sich dabei um EPO. Die Polizei führt Razzien durch, die Fahrer protestieren mit einem Sitzstreik, die Tour steht vor dem Abbruch.

1999–2005: Der größte Sünder 

Nach seiner Krebserkrankung liegt die Überlebenschance von Lance Armstrong nur noch bei 50 Prozent. Doch der US-Amerikaner kehrt in den Radrennsport zurück. Von 1999 bis 2005 dominiert er den Sport wie kein anderer und gewinnt sieben Mal die Tour – Rekord. Doch die Geschichte ist zu schön, um wahr zu sein. Armstrong ist (wie so viele seiner Konkurrenten) bei allen Triumphen gedopt. Alle sieben Siege werden aberkannt.

2016: Läufer Froome 

Die Zuschauer trauen ihren Augen nicht, als Christopher Froome im Gelben Trikot zwischen den Fans den Berg hinaufläuft. Die Sitzstrebe war gebrochen, das Rad nicht mehr benutzbar. Es dauert einige Minuten, bis er ein (viel zu kleines) Ersatzrad vom neutralen Materialwagen bekommt. Am Ende gewinnt der Brite seine dritte Tour de France.

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