Radprofi Jonas Vingegaard: Der Aufsteiger aus der Fischfabrik

Alles im Griff: Jonas Vingegaard ließ Tadej Pogacar keine Chance zur Attacke
Vom Halbtagsarbeiter zum Vorfahrer in nur vier Jahren. Der Däne verteidigte am Donnerstag Gelb in souveräner Manier.

2018   legte Jonas Vingegaard  von früh bis mittags in einer Fabrik Fische ins Eis, trainierte nachmittags und fuhr für das dänische Team ColoQuick-Cult. Und nun ist der 25-jährige Däne der Mann in Gelb bei der 109. Tour de France. Dass er in die World Tour rutschte, verdankte er  einem Zufall: Die Scouts von Jumbo-Visma wollten einen Teamkollegen beobachten, dann fiel ihnen aber dieser 1,75 Meter große und 60 Kilo leichte Kerl aus dem Nordwesten Dänemarks auf. Die Erwartungen waren gering: „Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Jahren viel von ihm hören werden“, sagte Teamchef Merijn Zeeman.

Ein Irrtum. Ein erklärbarer  für Jonas Vingegaard, dessen Tour-Debüt im vergangenen Jahr auf dem zweiten Gesamtrang hinter Tadej Pogacar geendet hatte: „Ich würde nicht sagen, dass ich faul war, aber ich war nicht immer der Typ, der am meisten trainiert hat“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. „Dann hatte ich auch noch einen Job. Ich denke, alles in allem hatte ich viele Aspekte, die ich verbessern konnte, und das hat einen großen Unterschied gemacht.“

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Glück durch Pech

Im vergangenen Jahr war Vingegaard nur durch Pech zur Nummer eins seines Teams geworden: Primoz Roglic war schwer gestürzt und musste aufgeben. Auch heuer landete der Slowene hart auf dem Asphalt, nun ist er einer der vielen  Helfer. Gemeinsam fuhr das Team am Mittwoch für den 25-Jährigen, gemeinsam fuhr man Tadej Pogacars dezimierte Mannschaft Emirates in Grund und Boden. Und als der 23-jährige doppelte  Titelverteidiger  im Schlussanstieg isoliert war, ergriff Vingegaard die Chance.

Vor den 165,1 Kilometern von Briançon nach  Alpe d’Huez am Donnerstag blieb Pogacar und Kollegen nicht einmal der nächste Corona-Fall erspart: Nach zwei Fahrern erwischte es nun  Teammanager Joxean Fernández Matxin.  Nach dem heftigen Mittwoch ließen es die Favoriten  über  den Col du Galibier zunächst ruhig angehen. Neun Ausreißer (unter ihnen   Sebastian Schönberger von B&B-KTM) zeigten  in der Abfahrt Spektakel, allen voran Tom Pidcock (Ineos), dem seine Cross-Erfahrung beim kontrollierten  Rasen half.

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Auf der Jagd

Am Col de la Croix de Fer drückte Jumbo-Visma aufs Tempo, aus sieben Minuten Rückstand wurden vier, dann wieder sechs, am Ende siegte der Brite Pidcock solo. „Im Anstieg zum Galibier hatte ich ein paar Probleme, aber in der Abfahrt konnte ich die Lücke wieder schließen", sagte der 22-Jährige aus Leeds, der nicht nur amtierender Cross-Country-Weltmeister auf dem Mountainbike ist, sondern auch der einschlägige Olympiasieger von Tokio. Und nun der jüngste Sieger in der Geschichte der Alpe-d'Huez-Ankünfte bei der Tour. „So eine Erfahrung wie hier und heute mit diesem Menschenspalier, das ist einfach unglaublich."

Und Jonas Vingegaard? Konterte routiniert die drei Attacken von Tadej Pogacar, beide kamen mit 3:23 Minuten Rückstand als Sechster und Fünfter ins Ziel. Und so bleibt der Däne 2:22 Minuten vor dem Slowenen, neuer Dritter ist der Waliser Geraint Thomas mit 2:26 Minuten Rückstand.

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