"Auf eigenes Risiko": Viele offene Fragen vor den Olympischen Spielen
Auf den Tag genau am 4. Februar in einem Jahr sollen die olympischen Winterspiele in Peking eröffnet werden. Sollen? „Es geht nicht um Ja oder Nein“, sagt Karl Stoss, der Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC). „Es stellt sich nur die Frage, unter welchen Bedingungen die Olympischen Spiele stattfinden werden.“
In einem Video-Workshop gab das chinesische Organisationskomitee zuletzt Auskunft über den Stand der Vorbereitungen. Covid war explizit kein Thema. „Es macht mehr Sinn, abzuwarten und aus den Erfahrungen der Sommerspiele in Tokio zu lernen“, erläutert OK-Chef Guo Jinlong. Diese sollen laut IOC tatsächlich im kommenden Sommer stattfinden. Doch viele Fragen sind noch offen.
- Zwei Olympische Spiele innerhalb von sechs Monaten. Das gab’s noch nie?
Doch. Lange Zeit war es normal, dass Winter- und Sommerspiele im selben Kalenderjahr stattfanden, zuletzt 1992. Erst dann wurde der Rhythmus geändert.
Während die Sommerspiele in Tokio ordentlich wackeln, sollte Corona in genau einem Jahr Geschichte sein, wenn die Winterspiele am 4. Februar in Peking eröffnet werden.
Sportstätten der Sommerspiele 2008 werden wiederverwendet. So wird das charakteristische Schwimmstadion in Peking zu einer Curling-Halle umgebaut, Hallen für die Eishockey-Spiele existieren bereits und Eröffnungs- und Schlussfeier finden im berühmten „Vogelnest“ statt.
Für die alpinen Bewerbe musste 240 Kilometer entfernt unweit der Chinesischen Mauer erst ein Skigebiet aus den Hügeln gestampft werden. Der Anblick der Kunstschneebänder in der wüsten- artigen Landschaft wird so manchem Ski-Fan weniger gefallen.
Bisher waren kaum Athleten bei den Sportstätten. Doch gerade bei Schneesportarten sind Erfahrungswerte wichtig. Nach den Absagen im vergangenen und im heurigen Winter sind nun ab Oktober 20 Testwettkämpfe geplant. „Unsere Serviceleute konnten die Schneebedingungen noch nicht testen“, sagt ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel. „Peking ist eine Riesenherausforderung für uns alle. Die Event-Erfahrung der Chinesen, vor allem in den Schneesportarten, ist nicht historisch gewachsen. Ich kann nur hoffen, dass sie genug internationales Know-how einkaufen, um das Manko auszumerzen.“
- Werden die um ein Jahr verschobenen Sommerspiele in Tokio stattfinden?
Zumindest rechnen ÖOC und IOC derzeit noch damit. Die Olympischen Spiele könnten dann ein schönes Zeichen sein, dass die globale Krise überwunden ist. IOC-Präsident Thomas Bach sagte vor wenigen Tagen, dass es „überhaupt keinen Grund“ gebe, dass die Spiele nicht am 23. Juli eröffnet werden. Doch es mehren sich Gerüchte, dass Olympia wegen der Corona-Pandemie auf der Kippe steht. The Times zitierte ein Mitglied der japanischen Regierung, das anonym bleiben will: „Niemand möchte der Erste sein, der es offen ausspricht“, doch man sei sich im Klaren, dass eine Austragung im Sommer angesichts von Corona zu schwierig sei.
- Wann fällt eine Entscheidung?
Es gibt keine Deadline. Aber es ist davon auszugehen, dass eine etwaige Absage spätestens im März erfolgen wird.
- Was will die Bevölkerung in Japan?
Tendenziell eine Absage. Laut der jüngsten Umfrage sind nur noch knapp 20 Prozent für Olympia im Jahr 2021.
- Ist die Situation in Japan tatsächlich so schlimm?
Auch Japan kämpft mit einer stärkeren Infektionswelle als noch vor einem Jahr. Zwar sinken jetzt die Corona-Zahlen, der Ausnahmezustand wurde aber bis 7. März verlängert. Allerdings: Die 7-Tages-Inzidenz liegt bei 17, in Österreich bei über 100. Insgesamt gab es in Japan 394.000 Infektionen, in Österreich 417.000. Japan hat 14 Mal so viele Einwohner wie Österreich. Doch das Gesundheitssystem in Japan steht unter Druck – und mit dem Impfen wurde noch nicht begonnen, weil man erst prüfen will, ob Japaner den Impfstoff vertragen.
- Wo liegen die anderen Probleme?
Olympische Spiele sind ein globales Ereignis. Fast 12.000 Athleten reisen aus aller Welt an. 25 Prozent dieser Sportler sind laut IOC noch gar nicht qualifiziert. „Wenn Sportarten ihre Qualifikationen nicht durchbringen, wird man auf alte Ranglisten zurückgreifen“, vermutet ÖOC-Sportdirektor Christoph Sieber. „Das wünscht sich niemand.“
- Werden die Sportler die Spiele überhaupt genießen können?
Das Flair wird definitiv anders sein. In einem 32-seitigen Dokument wurden die Corona-Grundregeln erklärt. Dazu gehören strikte Maskenpflicht, regelmäßige Corona-Tests sowie die Aufforderung zur Nutzung einer Corona-Warn-App und der Einhaltung von Hygieneregeln. Die Sportler sollen keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und wurden darauf hingewiesen, dass sie „die Olympischen Spiele und Paralympics auf eigenes Risiko besuchen“.
- Werden Zuschauer zugelassen sein?
Das ist noch offen. Während die Fußball-EM 2021 ohne Fans durchaus vorstellbar ist, sind es Olympische Spiele eher nicht. Möglicherweise wird die maximale Zahl der Zuschauer stark reduziert. Und es wird etwa vorgeschlagen, dass die Fans die Athleten nicht durch Rufe und Gesänge unterstützen sollen, sondern nur durch Klatschen.
- Wie geht das ÖOC mit der ungewissen Situation um?
„Die Vorbereitungen Richtung Tokio und Peking gehen ganz normal und unbeirrt weiter“, sagt Sieber. „Denn die Vorbereitung kann nicht nachgeholt werden.“
- Werden Olympia-Sportler bevorzugt geimpft?
Einige Länder wie Israel, Ungarn und Serbien haben bereits mit Athletenimpfungen begonnen, doch die meisten Nationen halten sich zurück. Im ÖOC wünscht man sich, dass noch vor der intensiven Vorbereitung die Impfung erfolgt. Sieber: „Aber niemand erwartet, dass Athleten früher an die Reihe kommen als kritische, systemrelevante Bevölkerungsgruppen. Es will sich niemand vordrängen.“
- Ist eine weitere Verschiebung auf 2022 denkbar?
Nein. Sollte heuer tatsächlich abgesagt werden, würde sich Tokio vermutlich für den nächsten freien Olympia-Termin 2032 bewerben – und vermutlich den Zuschlag bekommen. Zuvor sind noch Paris (2024) und Los Angeles (2028) an der Reihe.
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