Wenn Weltpolitik Sport von Olympia-Bühne drängt

In Rio wollen 206 Nationen ihre Stärke beweisen. Das sorgt für kleine und große Spannungen.

Auch zwei Tage danach geraten sie noch fast aneinander, brasilianische und argentinische Journalisten. Beim Mittagsbuffet im Medienrestaurant im olympischen Park werden noch einmal Ausschnitte der Basketball-Partie vom Wochenende zwischen den beiden Nachbarländern gezeigt. Zwei Verlängerungen waren nötig, bis Argentinien 111:107 gewann.

Es war eng und hektisch, es wurde geschubst und geschimpft – nicht nur auf dem Parkett, sondern auch auf den Rängen und erst recht hier wieder im Restaurant. Im Radio spielt es derweil "Killing in the Name" von der US-Band Rage Against the Machine. Argentinier und Brasilianer wippen im Takt dazu, während sie über die längst vergangenen Schiedsrichter-Entscheidungen diskutieren und fluchen.

Bei einem Tennismatch des Argentiniers Juan Martin del Potro kam es zu einer Schlägerei zwischen einem Fan im Argentinien-Trikot und einem Anhänger in den brasilianischen Landesfarben. Militärpersonal musste ausrücken. "Wir brauchen Frieden zwischen Argentinien und Brasilien", sagte der spätere Silbermedaillen-Gewinner Del Potro danach.

Spiel oder Ersatzkrieg

Frieden stiften soll der Sport und Völker verständigen. Doch in Wahrheit sei der Sport doch Ersatzkrieg, sagen viele, und übertreiben damit maßlos. Sport sei doch nur ein Spiel, urteilen andere und unterschätzen die Bedeutung des Wettkampfs, der bei Veranstaltungen wie Olympischen Spielen einen Höhepunkt erreicht.

Der Gewinner blickt von der obersten Position des Siegertreppchens auf die Untergebenen herab, zur Strafe müssen die Verlierer noch andächtig der Nationalhymne des Siegers lauschen.

Rivalitäten gibt es viele bei einem Event wie Olympia, an dem 206 Nationen teilnehmen. "Sie finden keinen Weg, Russland zu schlagen, und versuchen nun, die Athleten zu benutzen", sagte Julija Jefimowa. Die russische Schwimmerin, eine überführte Doperin, kam dank einer juristischen Entscheidung nach Rio und sah sich dort heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Vor allem ihre US-Gegnerinnen zeigten sich entsetzt. Der Kalte Krieg ist eben doch noch nicht ganz auf Eis gelegt.

"Hass in seinen Augen"

Für den bisher größten Eklat sorgte der Ägypter Islam El Shehaby: Der Judoka verweigerte seinem israelischen Gegner Or Sasson nach dem Kampf den Handschlag. "In manchen Situationen habe ich den Hass in seinen Augen gesehen", sagte Sasson. Vom ägyptischen Team wurde El Shehaby ausgeschlossen und heimgeschickt, eine offizielle Entschuldigung blieb aus. Hochoffiziell geht es in Serbien zu: Der Sportminister forderte seine Athleten auf, eine Siegerehrung mit kosovarischer Beteiligung zu boykottieren. Hintergrund: Die Unabhängigkeit des Kosovo wird von Serbien nicht anerkannt.

Dennoch gelingen Olympia Dutzende schöne Gesten, für die vielleicht schönste sorgten zwei Turnerinnen. Lee Eun-ju (Südkorea) und Hong Un-jong (Nordkorea) schüttelten einander für ein Foto überglücklich die Hände. "Von Politik verstehe ich aber nichts", sagte die 17-jährige Südkoreanerin.

Nicht der dümmste Satz.

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