Olympia-Comebacks: Raufbolde & Schlägertypen
Es ist ein Kommen und Gehen bei Olympia. Die einen schleppen sich dreckig und aufgeschunden von der ramponierten Wiese, die anderen schreiten elegant und gut gekleidet auf das fein-säuberlich getrimmte Gras. Während die Rugbyspieler am Donnerstag ihren Olympiasieger ermitteln, beginnt für die Golfspieler erst der viertägige Schlagabtausch.
Beide Sportarten kehren in Rio nach langer Zeit zurück in die olympische Familie. Rugby war zuletzt 1924 dabei, Golf gar 1904. Beide Sportarten verstehen es, abseits der olympischen Bühne die Massen anzuziehen, auch deshalb stehen sie hier in Rio de Janeiro unter besonderer Beobachtung. Bei der IOC-Abstimmung über die Aufnahme hatten die Rugby-Helden ihre blutigen Nasen vorn: 81 Ja-Stimmen, acht Vetos, eine Enthaltung. Bei Golf hieß es: 63 – 27 – 2.
92 Jahre hat es gedauert, bis Rugby wieder olympisch wurde. Wäre die Pause nur 88 Jahre lang gewesen, hätte man 2012 in London wohl im Twickenham Stadium gespielt – vor 82.000 fachkundigen Zuschauern.
Doch es ist nicht 2012, und es ist nicht London. Und so spielt man im grau-grünen Hinterland von Rio, eine halbe Autostunde außerhalb der Stadt. Auf einem Polo-Platz wuchsen Stahlrohr-Tribünen in die Höhe, vier Stangen wurden aufgestellt, einige Linien auf den Rasen gezeichnet. Fertig war das Stadion für die Olympischen Spiele.
Nur das Publikum erinnert an die Fans im Rugby-Palast von London. In einem Sektor auf der Südtribüne sitzen die Briten, die jeden Try ihres Teams mit einem inbrünstigen „Uuuuuuuh!“ feiern; rechts sind die Argentinier, die ihren Sektor hellblau-weiß dekoriert haben; der Edelfan aus Fidschi hängt ein acht Meter langes Transparent über die Tribüne, zieht das T-Shirt aus, präsentiert seinen Kugelbauch und tanzt sich in Ekstase; die Brasilianer bejubeln ihren ersten Try wie den WM-Titel im Fußball. Nach der 5:0-Führung verlieren sie gegen Fidschi 12:40. Egal. Am heutigen Finaltag wird das Stadion mit den 15.584 Plätzen ausverkauft sein.
Kurzversion
Das Spezielle beim olympischen Rugby: Hier wird die 7er-Variante gespielt. Je sieben Spieler spielen zwei Mal sieben Minuten , dafür mehrmals am Tag. Die Idee ist faszinierend: Derselbe Ball, derselbe Platz, aber nur halb so große Teams und ein Sechstel der Spielzeit. Die Folge: weniger Tacklings und mehr Durchbrüche, weil viel Platz vorhanden ist. 7er-Rugby passt perfekt zu Olympia. Die Rugby-Union-Weltmeisterschaft (mit 15 Spielern) dauerte im Vorjahr in England eineinhalb Monate. Das olympische Herren-Turnier ist in drei Tagen erledigt.
So schnell das Turnier vorbei ist, so schnell sind die Spiele. In 14 Minuten läuft jeder Spieler zwischen 1,5 und 1,8 Kilometer, die Hälfte davon in Maximaltempo. Mit der Urgewalt eines Sprinters und doch leichtfüßig tragen sie den Ball, nach einem Tackle geht es ohne Unterbrechungen weiter. Das Spiel läuft sogar weiter, wenn ein Verletzter auf dem Feld behandelt wird. Und Verletzte gibt es oft. Nicht Verletzte wie beim Fußball, wo oft Wunderheilungen zu sehen sind. Richtig Verletzte. Ein offener Nasenbeinbruch hier, ein Kreuzbandriss da, eine Gehirnerschütterung dort. Rugby ist ein harter Sport und sprichwörtlich „ein Sport für Hooligans, der von Gentlemen gespielt wird“.
Etwa von Mister Carlin Isles. Der 26-Jährige aus dem Team USA spielte bereits in der NFL bei den Detroit Lions Football, und er sprintete 100 Meter in 10,24 Sekunden.
Dabei soll er auf den ersten 40 Metern schneller gewesen sein als Leichtathletik-Weltstar Usain Bolt.
Mit einer Titelverteidigung wird es schwierig beim olympischen Golfturnier: George Lyon ist auch schon wieder 78 Jahre tot, und seine kanadischen Landsmänner, die ab Donnerstag auf dem Olympic Golf Course von Barra da Tijuca abschlagen, zählen nicht einmal zum erweiterten Kreis der Sieganwärter.
Zumindest aber jene Golfanlage, auf der Lyon bei den Sommerspielen von St. Louis 1904 Gold gewonnen hat, gibt es heute immer noch. Der Glen Echo Golf Club in Missouri gilt daher als älteste noch regelmäßig bespielte Sportstätte der olympischen Historie.
Ansonsten aber fremdelt der weltweit so populäre Golfsport bei seiner Rückkehr ins olympische Programm mit der größten Sportveranstaltung auf dem Planeten. Die besten vier Golfer der Gegenwart verzichten auf den Schlagabtausch im Zeichen der fünf Ringe: Die Gründe für die Absagen reichen von der Zika-Angst bis zum übervollen Terminkalender – zwischen letztem Major-Turnier des Jahres und Vorbereitung auf den Ryder Cup fanden einige keinen Platz für das olympische Comeback.
„Es wird eines der begehrtesten Turniere werden in der Zukunft. Hoffentlich“, sagt Bernd Wiesberger. Der Burgenländer startet um 13.52 Uhr MESZ in das Turnier, er ist Feuer und Flamme für die olympische Idee. „Selbst die größten Turniere der Welt bringen nicht so eine Reichweite wie es Olympia kann. Wir können viele Leute dazu bringen, mit dem Sport zu beginnen“, sagt er.
Zwei Major-Sieger
Trotz eines bisher mäßigen Sommers darf sich der 30-Jährige einiges ausrechnen. Trotz prominenter Absagen (McIlroy, Spieth) kämpft ein internationales Weltklassefeld um die drei Medaillen. So schlagen mit dem Schweden Henrik Stenson (British Open) und dem Briten Danny Willett (Masters) zwei Major-Sieger des Jahres 2016 ab.
Beim Modus ging der internationale Verband auf Nummer sicher: Herren und Damen (kommende Woche) spielen je vier Runden ohne Finalgrenze. Keine packende Matchplay-Variante mit K.-o.-Duellen, kein alternativer Mixed-Bewerb. „Schade“, findet auch Österreichs Sportdirektor Niki Zitny. Bernd Wiesberger ist’s egal: „Der Golfsport gehört zu den Olympischen Spielen. Er sollte seinen Platz dort haben.“
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