Das olympischste aller Teams in Rio

Die Athleten des olympischen Flüchtlings-Teams.
Zehn Männer und Frauen starten fern ihrer Heimat unter der Flagge mit den fünf Ringen.

Falls diese Geschichte nicht verfilmt werden sollte, hat Hollywood irgendetwas nicht verstanden. Es ist die Geschichte der 18-jährigen Syrerin Yusra Mardini, ihrer dramatischen Flucht und ihres olympischen Traums.

Es war vor zirka einem Jahr, irgendwo auf dem Meer zwischen der Türkei und Griechenland. Mardini ist auf der Flucht, das Boot kentert. Doch die Insassen haben mehr Glück als die Tausenden, die ihr Leben im Mittelmeer verloren: Mardini kann schwimmen. Mit ihrer Schwester springt sie ins kalte Wasser der Ägäis. Sie ziehen das Boot, sie schieben das Boot, sie schwimmen stundenlang, bis sie das rettende Ufer erreichen. Alle 20 Menschen an Bord überleben.

Der Klub als Familie

Mardinis Odyssee endet im November 2015 in Berlin. Die Wasserfreunde Spandau schenken ihr Sportkleidung und lassen sie mittrainieren. "Ich hatte nichts, als ich zum ersten Mal zum Training kam", erzählt sie. "Der Klub ist zu meiner Familie geworden." Ab heute wird sie sich mit den besten Schwimmern der Welt messen, im olympischen Becken von Rio. "Wenn ich ins Wasser springe, lasse ich alle Probleme hinter mir."

Erstmals ist in Rio ein zehnköpfiges Team von Flüchtlingen am Start. Gestern lief die Mannschaft unter der olympischen Flagge ins Olympiastadion ein. Neben Mardini marschierten ein syrischer Schwimmer, eine Judoka aus dem Kongo und Leichtathleten aus dem Südsudan und Äthiopien. Rose Nathike Lokonyen, 800-Meter-Läuferin aus dem Südsudan, trug die Fahne.

Die Delegation wird angeführt von der ehemaligen Marathon-Weltrekordlerin Tegla Loroupe. Sie dankt IOC-Präsident Thomas Bach, der "mit dieser Aktion deutlich macht, dass jemand mit dem Status eines Flüchtlings auch ein Mensch ist".

Medienrummel

In Rio rollen neue Probleme auf Mardini zu. Nicht zu vergleichen mit dem Kampf ums Überleben im Mittelmeer, dennoch belastend: das Interesse der Medien.

Ihr deutscher Trainer Sven Spannekrebs versucht, sie vor der Wucht der Öffentlichkeit abzuschirmen. 1000 Interview-Anfragen trafen in den vergangenen Tagen ein. Die allermeisten mussten abgelehnt werden. Organisiert wurde in Rio dafür eine Pressekonferenz der Flüchtlinge. Gesprochen wurde Englisch oder Arabisch, das für Journalisten simultan übersetzt wurde.

"Der Geist unseres kleinen Teams ist großartig. Wir alle sind stolz, Millionen von Flüchtlingen zu vertreten", sagte Mardini. "Ich hoffe, dass die Menschen von unserer Geschichte lernen, dass es immer weitergeht und dass man seine Träume erreichen kann."

Natürlich weiß sie, dass sie in Rio keine Medaille holen wird. Vermutlich wird sie nicht einmal ihre ersten Läufe über 100 Meter Freistil und 100 Meter Schmetterling überstehen. Aber es bleibt ihr ein großer Traum – jener von den Spielen 2020 in Tokio. Und wer weiß, vielleicht schwimmt sie dann wieder für Syrien.

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