Werner Gregoritsch zieht Bilanz: "Bin meiner Familie etwas schuldig"
Ausgerechnet sein allerletztes Heimspiel muss Werner Gregoritsch nach zu vielen Verwarnungen während der EM-Qualifikation gesperrt auf der Tribüne verfolgen. Der U-21-Teamchef wird ab 20.30 Uhr (ORF Sport+ live) in Wiener Neustadt zittern, leiden und hoffentlich über einen Sieg gegen Slowenien jubeln.
Dann haben die „Buam“ des 66-Jährigen am Dienstag in Frankreich noch eine Chance auf die EM-Teilnahme.
„Das wäre ein letztes Geschenk vor meiner Pensionierung“, sagt Gregoritsch, der im KURIER-Interview Bilanz zieht – und sein Herz öffnet.
KURIER: Sechs Punkte wären gegen Slowenien und danach in Frankreich nötig für die EM. Welchen Eindruck haben Sie von dieser Quali?
Werner Gregoritsch: Unser Problem ist, dass aus den beiden Pflichtsiegen gegen Zypern nur zwei Unentschieden wurden. Da haben wir es verspielt, wenn wir es nicht mehr schaffen sollten. Es ist in der Quali gleich schlecht losgegangen: Ich habe auf Zypern Corona bekommen und bin beim Match mit hohem Fieber im Hotel gelegen. Diese zwei fehlenden Punkte vom ersten Spiel fehlen bis heute.
Ihr Team wirkt nicht so stabil wie die EM-Teilnehmer von 2019. Stimmen Sie zu?
Das hat seine Gründe. Ein Teil der Aufgabe ist, Spieler für das A-Team weiterzuentwickeln. Leo Querfeld war der uneingeschränkte Chef – dass er nicht mehr bei uns war, ist schön für ihn, aber schon ein Problem. Und bei Yusuf Demir finde ich es besonders traurig: Mit seinem Talent wären fünf Jahre für die U-21 möglich gewesen – davon hat er vier Jahre in seinen Vereinen nicht gespielt.
Von Ihnen war öfters zu hören „Zusammenhalt ist das Wichtigste“. Erleben Sie den ganz am Ende auch noch so?
Der Zusammenhalt ist groß! Darauf haben wir geachtet, das ist ein Vorteil. Ein Nachteil ist, dass wir dauernd umbauen mussten, während die Slowenen die Quali beinahe unverändert durchspielen.
Geistert das Ende Ihrer Ära schon im Kopf herum?
Als wir zum Camp in Bad Tatzmannsdorf ins Hotel gekommen sind, war es schon ein Gedanke: „Da haben wir uns auf die EM 2019 vorbereitet, und jetzt ist es vielleicht bald vorbei“. Aber nach 13 Jahren passt es wirklich so: Alles geht seinen Weg. Ich habe mit den Spielern ein gutes Verhältnis, auch mit den meisten Trainern. Gerade mit den Teamchefs Koller, Foda und Rangnick hat sich eine super Zusammenarbeit entwickelt. Und als Vater vom Michi hab ich auch noch ein unglaubliches Glück.
Sie haben Michael in Kapfenberg und beim U-21-Team trainiert. Warum bildet Österreich nicht mehr torgefährliche Mittelstürmer aus?
Gerade jetzt seh’ ich es nicht mehr so dramatisch: Junior Adamu kommt wieder in Fahrt und ich sehe in der U-21 mit Leon Grgic von Sturm und Tobi Hedl von Rapid nach längerer Zeit wieder echte, starke Neuner. Dazu kommt mit dem Rapidler Niki Wurmbrand ein Flügelstürmer mit extrem hohen Potenzial nach. Wie dieser Bursch’ spielt und trainiert – da können wir uns schon freuen.
Ihre Leidenschaft ist weiter spürbar. Planen Sie eigentlich eine „echte“ Pension oder könnte Sie ein spannendes Projekt noch aus dem Ruhestand zurückholen?
Ich will das Wort „endgültig“ nicht in Verbindung mit der Pension verwenden. Es müsste alles passen, dass ich später noch wo etwas übernehme. Mir und meiner Frau ist schon wichtig, dass die Lebensqualität passt. Nur als Beispiel: 13 Jahre lang war ich nicht zu meinem Geburtstag zu Hause. Ich bin meiner Familie etwas schuldig.
Peter Perchtold aus dem Stab von Ralf Rangnick ist als Ihr Nachfolger im Gespräch. Wissen Sie mehr?
Nein, und ich habe mich bewusst auch gar nicht umgehört. Es passt so, wie es ist.
Welcher war Ihr größter Sieg mit einer U-21?
Das 2:0 im November gegen Frankreich in Ried – wie wir diese Stars beherrscht haben, plus vier Stangen- und Lattenschüsse, das war sensationell! Großartig waren auch der Sieg bei der EM 2019 gegen Serbien und das Remis gegen die Deutschen als besseres Team. Dann gab es noch ein 3:0 in Holland mit einer halben B-Elf. Und: drei Remis in fünf Spielen gegen die Spanier. Das hat mir imponiert.
Das waren jetzt viele große Siege. Sie müssen trotzdem nur eine besonders bittere Niederlage nennen.
Am meisten wehgetan hat bei der EM 2019 die Niederlage gegen die Dänen, weil wir da eigentlich im Flow waren. Und 2014 das 1:3 gegen Albanien bei einem Qualispiel, weil davor einige Spieler in die Disco ausgerückt waren. Sonst hab’ ich mich immer auf meine Spieler verlassen können. Aber dieses Auftreten hat mich menschlich schwer enttäuscht.
Bitte finalisieren Sie folgende Sätze: Der Fußball hat ...
... viele Facetten zwischen Freud und Leid und bildet dabei immer den Moment ab.
Meine Krebserkrankung im Jahr 1997 hat ...
... mich sicher zu einem anderen Menschen gemacht.
Meine Emotion hat ...
... mich ausgezeichnet, hat mir aber auch (denkt lange nach) oft geschadet.
Der ÖFB hat ...
... mir 13 wunderschöne Jahre mit jungen Menschen gegeben in einem Beruf, den ich immer noch liebe.
Die Arbeit hat ...
... mich als Mensch und Trainer voll gefordert und auch mich weitergebracht.
Der Mensch hat ...
... Höhen und Tiefen im Leben. Und im Fußball kommt das alles sehr komprimiert daher (lacht).
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