ÖFB-Team: Und alles kann wieder gut werden

Erstmals seit der verpatzten EURO geht das Nationalteam wieder auf Reisen. Die Erkenntnisse nach den Analysen will man schon morgen in Tiflis gegen Georgien in die Tat umsetzen.

Nach der EURO ist vor der WM-Qualifikation, die für Österreich morgen in Georgien (18 Uhr MESZ/live ORF eins) angepfiffen wird. Die Enttäuschung von Frankreich wurde verarbeitet und in der vergangenen Woche im Kollektiv noch einmal final analysiert. Gestern Nachmittag hob das Nationalteam nach Tiflis ab, wo man die gewonnenen Erkenntnisse zur positiven Anwendung bringen möchte.

Am Montag und Dienstag setzte man sich im Teamhotel zusammen und besprach die Gründe für das Scheitern in der EM-Gruppenphase. Recht flott verständigten sich alle auf ein und dieselben Faktoren, die in Frankreich nicht gepasst hätten. Ja, das frühe Aus sei zu verhindern gewesen, meint so mancher Spieler. Nun möchte man es in Zukunft mit der Erfahrung des Sommers, der ganz und gar nicht zum Märchen wurde, besser machen.

Nein, es handelt sich dabei aber nicht um einen Neubeginn, wie alle Teamspieler bekräftigten. Zu lange kennt man einander schon, viel zu wenig wurde dafür das Personal verändert, zu sehr hält man an dem in der EM-Quali so erfolgreichen Stil zu Recht fest, zu viel Potenzial ist im Kader vorhanden. Jetzt gilt es, diese Qualität auszuspielen, wenn es darauf ankommt. Martin Harnik bringt es auf den Punkt: "Gewisse Faktoren wie Formschwäche oder Verletzungen kann man nicht verändern. Wir brauchen also das Rad jetzt nicht neu erfinden."

Was sind nun die Gründe des Scheiterns, die man mit den richtigen Erkenntnissen zum eigenen Vorteil nutzen kann? Ein Versuch einer Bestandsaufnahme so knapp vor der nächsten großen Aufgabe:

Die EM-Situation

Sie war für die meisten Spieler und auch für den Teamchef und sein Betreuerteam neu, unter dem Strich kam man damit nicht gut genug zurecht. Martin Hinteregger rechnet vor: "In der Qualifikation hatten wir zehn Spiele, bei der EM in der Vorrunde nur drei. Nach der Niederlage gegen Ungarn war schon klar, dass es fast dem Ende entgegenging." Der Auftakt-Schock inklusive Junuzovic-Verletzung und Dragovic-Ausschluss wurde nur schwer weggesteckt. Dragovic: "Das gehört eben zum Fußball dazu. Ich hoffe, es macht uns stärker."

Junuzovic meint: "Wir wissen jetzt, dass solche Spiele passieren können. Wir müssen das alles realistisch einordnen. Wir haben einfach nicht unser wahres Gesicht gezeigt." Kollege Harnik ortete sogar Nervosität: "Wir waren nervös und verkrampft. Das waren aber auch Top-Teams mit viel Turnier-Erfahrung bei ihrem ersten Spiel."

Mehr Eigeninitiative

Der neue Kapitän Julian Baumgartlinger fordert für künftige Aufgaben wie Qualifikation und vielleicht die Endrunde 2018 in Russland: "Wenn jeder eine Führungsrolle einnimmt, werden wir einen Schritt nach vorne machen. Wir haben viele Spieler mit Führungsqualitäten, die sie bei ihren Vereinen schon ausspielen." Verteidiger Dragovic sieht es als unabdingbar an, dass "jeder mehr Verantwortung auf dem Spielfeld übernimmt". Der Druck soll somit auf einige Schultern verteilt werden.

Abgeklärtheit

Läuft ein Spiel wie jenes bei der EURO gegen Ungarn nicht nach Plan, weil der Gegner einen taktisch überrascht, dann muss man seine Ziele auch revidieren und an die Situation anpassen können. Diese Erkenntnis äußert jedenfalls Kapitän Baumgartlinger: "Wenn wir gegen Ungarn einen Punkt gemacht hätten, hätte alles ganz anders ausgesehen." Weniger in einem Spiel kann dafür mehr in einem Turnier sein.

Effektivität

Chancen wären vorhanden gewesen, vor allem gegen Island. Wer aber einen Elfmeter in der ersten Hälfte und drei Hochkaräter nach dem Wechsel nicht nutzen kann für das erlösende zweite Tor, der darf sich nicht über einen verfrühten Heimflug statt eines Krachers gegen England wundern. Junuzovic bedauert heute noch die Möglichkeiten: "Nur eine Hälfte lang haben wir unsere Identität gezeigt." Harnik pflichtet ihm bei: "Viele Spieler konnten ihre Leistung nicht bringen, ich zähle mich auch dazu. Und dennoch waren wir am Ende ganz knapp dran."

Flexibilität

Marcel Koller ist dafür bekannt, dass er an einem Spielerstamm festhält. Diese Eigenschaft des Schweizers ermöglichte erst die Entwicklung und Formung dieses Teams. Die EURO zeigte aber, dass das Festhalten an angeschlagenen oder nicht in Form befindlichen Spielern nach hinten losgeht.

Der Plan B

Marcel Koller hatte gegen Island eine taktische Überlegung, die absolut ihre Berechtigung hatte. An der Umsetzung haperte es aber nicht nur der Spieler wegen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass diese Variante nie unter Wettkampf-Bedingungen geprobt worden war. Der Plan A der österreichischen Mannschaft ist hinlänglich bekannt und durchaus erfolgreich, ein geprobter Plan B in der Hinterhand könnte als Fangnetz für alle Eventualitäten fungieren.

Den vielen wohlklingenden Worten sollen und müssen Taten folgen, wie auch die Spieler wissen. Man kann den Fußball in viele Einzelteile zerlegen, unterm Strich bleibt er einfach: Spielglück, Hochform wichtiger Spieler, Effizienz, mentale Stärke in heiklen Situationen und auch taktische Finesse begünstigen den Erfolg. In Frankreich haben von diesen Faktoren eben zu viele gefehlt.

Gestern Vormittag absolvierte das Nationalteam noch eine Trainingseinheit, ehe man am Nachmittag durchaus gut gelaunt und optimistisch nach Tiflis abhob. Marc Janko versicherte mit einem Seitenhieb: "Die Woche war durchaus harmonisch, es sind keine Teller geflogen." Die Analysen der EM sind Geschichte. "In Österreich haben wir ohnehin das Problem, dass wir gerne in der Vergangenheit leben. Unser Blick ist jetzt nach vorne gerichtet."

David Alaba weiß, dass die georgische Aufgabe keine leichte wird. "Sie stehen defensiv sehr gut, das haben sie zuletzt in einigen Spielen auch gezeigt." Beispielsweise beim 1:0 über Spanien.

Vorsicht ist daher geboten, zumal Janko Österreich noch nicht zu den großen Fußball-Nationen zählt. "Wir tun gut daran, uns in Bescheidenheit zu üben. Wir haben noch Lernpotenzial, das haben wir bei der EM gesehen. Zu den großen Nationen fehlen uns noch Kleinigkeiten."

Ein Ziel sei es nun, "dass wir die Fans wieder ins Boot holen". Marko Arnautovic formulierte es ähnlich: "Wir wollen den Leuten die Fröhlichkeit zurückgeben."

An der Diskussion über seine Position im Mittelfeld wollte Bayer David Alaba nicht mehr teilnehmen. "Es ist mühsam, wenn ich hier immer dazu etwas sagen muss. Ich habe schon so viel zu dem Thema gesagt."

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