Nach Olympia-Gold: "Sie ist nicht hingefahren, um nur dabei zu sein"
Sonntag, 6 Uhr früh in einer Wohnung in Niederkreuzstetten bei Mistelbach (NÖ). Christine und ihre Tochter Jutta-Katharina Kiesenhofer (27) sitzen angespannt vor dem Laptop, es läuft das Straßenrennen der Damen bei den Olympischen Spielen. Und mittendrin im Pulk der Weltelite Anna Kiesenhofer. Mutter und Schwester verfolgen angespannt den Olympia-Auftritt der 30-jährigen Niederösterreicherin.
Was sie in den folgenden fast vier Stunden erleben mussten, wie sie zitterten, bangten, jubelten und sich schließlich in die Arme fielen, hätten sie sich zuvor nie träumen gewagt.
Wobei Mama Christine insgeheim auf ein gutes Abschneiden ihrer Tochter hoffte. Anna sei speziell. „Sie ist nicht nach Japan gefahren, um nur bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. So ist sie nicht“, schildert die stolze Mutter der Ausnahmeathletin. Ein Jahr und acht Monate schon hat die Familie die 30-Jährige nicht mehr persönlich gesehen, man war ausschließlich telefonisch und über WhatsApp in Kontakt. „Sie war in Lausanne und hat Corona extrem ernst genommen. Sie hatte Angst vor einem Lungenschaden, dann wäre es mit dem Sport vorbei gewesen“, schildert Schwester Jutta-Katharina. Deshalb vermied die Sportlerin auch unnötige Reisen.
Die 30-Jährige hatte sich an ihrer Wohnadresse am Genfer See zurückgezogen und völlig abgekapselt. So, meint die Familie, konnte sie sich perfekt auf das Ziel Olympia vorbereiten. Und wie sie ihre Tochter kennt, habe Anna nichts dem Zufall überlassen.
„Vor allem die Hitze in Japan hat sie in der Vorbereitung beschäftigt. Sie hat im Sommer mit Pulli und Jacke trainiert, um auf 39 Grad Körpertemperatur beim Radfahren zu kommen“, erzählt Christine Kiesenhofer. Die Berge in der Schweiz seien das perfekte Terrain für die Einzelkämpferin gewesen.
Vor allem die mentale Stärke habe sie am Sonntag voll ausspielen können, sind sich Mama und Schwester sicher. „Das Beste, was sie machen konnte war, gleich auszureißen und vorne wegzufahren. Sie fühlt sich im Feld nicht wohl und ist am Berg extrem stark“, schwärmt die Mutter. Ob sie 41 Kilometer vor dem Ziel, als sie die letzten beiden Verfolgerinnen abschüttelte, noch Zweifel am Sieg ihrer Tochter hatte? „Ich habe befürchtet, dass eventuell die starken Holländerinnen als Gruppe aufholen können“. Aber diese Sorge war zum Glück unbegründet.
Emotionaler Zielsprint
Der Zieleinlauf sei emotional ein „Wahnsinn“ gewesen. Die Gefühle hätten Mutter und Schwester übermannt. „Es ist unbeschreiblich schön, dass sie das erreicht hat. Wir wissen gar nicht, wie wir das feiern sollen“, sagt Jutta-Katharina den Tränen nahe. Seit dem Triumph laufen bei den beiden die Telefone heiß. Zwischen den vielen Interviews hat sich auch die frisch gebackene Olympiasiegerin mit einer WhatsApp gemeldet. Alle hoffen, einander bald wieder in die Arme schließen zu können.
Stolz ist man auch in der Gemeinde auf das Erreichte der nun wohl prominentesten Kreuzstettnerin. „So etwas erreicht man nur mit viel Fleiß und einem eisernen Willen. Hut ab vor dieser Leistung“, sagt Bürgermeister Adolf Viktorik.
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