Muster: "Ich bereue nichts, außer..."

Muster: "Ich bereue nichts, außer..."
Die Tennis-Legende spricht vor dem Abschied in Wien über Spötter, große Siege, Sensationen und Schlussakkorde.

Als Dominic Thiem 1993 geboren wurde, hatte Thomas Muster gerade in Kitzbühel sein erstes Turnier in Österreich gewonnen. Am Dienstag treffen die beiden Generationen in der Wiener Stadthalle aufeinander.

Nicht nur, um ein einzigartiges Duell mit Österreichs größtem Talent ("Ich hab mir dieses Match immer gewünscht") auszufechten, sondern auch, um dem großen Muster Lebewohl zu sagen. Entgegen seiner Gewohnheiten lässt sich der 44-Jährige zuvor noch einmal in der Players' Lounge zum Interview bitten und blickt auf seine Karriere zurück.

"Golfer? Das ist ein Gerücht"

KURIER: Sie sagten vor zwei Wochen in Linz, dass Sie sich nicht richtig verabschiedet hätten. Warum sind Sie 1999 nach der Niederlage gegen Lapentti in Paris sang- und klanglos einfach von der Tennisbühne verschwunden?
Thomas Muster: Ich wollte nie groß ankündigen, dass ich eine Abschiedstournee mache. Dann hätte ich ununterbrochen Fragen zu diesem Thema beantworten müssen, das wäre nicht gerade leistungsfördernd gewesen. Aber der Zeitpunkt war schon lange zuvor klar, der Ort mit Paris der richtige, weil ich dort 1995 meinen größten Erfolg gefeiert habe.

Aber alles wartete auf eine Fortsetzung...
Dass es mein letztes Turnier war, wussten nur meine Eltern und mein Manager Ronnie Leitgeb. Und mein Physiotherapeut hat es in dem Moment begriffen, als ich ihm nach meiner Niederlage meinen Schläger geschenkt habe.

Warum haben Sie damals aufgehört? Sie waren erst 31.
Es ist wie beim Heiraten oder bei Scheidungen. Du spürst einfach, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Der Trubel wurde einfach zu viel, ich habe damals bewusst einen Schlussstrich gezogen und wollte wie ein halbwegs normaler Mensch leben. In Australien habe ich drei Jahre keine Tennisnachrichten gelesen, alles verhindert, was mich mit diesem Sport in Berührung bringt.

Und es tauchten Fotos mit einem übergewichtigen Golfer Thomas Muster auf...
Golfer? Das ist ein Gerücht. Soviel habe ich ja gar nicht gespielt. Klar habe ich quantitativ ein Plus erworben (lacht). Aber ich habe gelebt wie ein normaler Mensch, ich hab' geraucht und eben gelegentlich ein Bier am Abend getrunken.

Ein "normales Leben", das sie bald beendet haben...
Irgendwann habe ich mir gesagt 'Das bin nicht ich' und bin nach der Scheidung zurück nach Österreich. Ich hab' von meinen 99 Kilo 20 verloren und dann eben auf der Champions Tour mein Comeback gefeiert.

"Spieler sind heute Geiseln des Materials"

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Und Sie sind 2003 Daviscup-Trainer geworden. Nach drei Jahren haben Sie das Amt bereits an Gilbert Schaller übergeben. Haben Sie zu wenig bewirken können?
Ich habe immer gesagt: "Dieser Job bedeutet Handtuch halten, Wasser halten, Mund halten." Das ist ein medialer Job, du kannst deine Spieler öffentlich loben, aber du kannst in den wenigen Tagen, wo du mit den Spielern zusammenarbeitest, sportlich wenig bewirken.

Oder konnten Sie den Spielern ihre Philosophie nicht vermitteln? Sie haben ja in der Profi-Karriere und jetzt wie ein Wilder trainiert, mehr als viele Profis heute...
Beim Daviscup-Team hatte ich speziell keine Probleme. Aber es stimmt, die Intensität des Trainings lässt heutzutage allgemein zu wünschen übrig. Früher waren auch die Hallen während der Turnierwoche voll, weil permanent irgendwer trainiert hat. Heute bekommst du bei jedem Turnier locker einen Platz zum Trainieren.

Wie hat sich das Spiel selbst verändert? Ist es besser und schneller geworden seit Ihrer besten Zeit?
Das ist ein Irrglaube. Die Beläge und die Bälle wurden langsamer gemacht, dafür das Material schneller. Vor allem die langsamen Bälle sind für mich ein Rückschritt. Was bringt es, wenn einer draufhaut wie ein Wilder, der Ball aber langsamer wird? Dazu waren früher die Plätze grundverschieden. Heute zählt der Centrecourt in Paris zu den schnellsten, in Wimbledon wird von der Grundlinie gespielt. Irrsinnig. Die Spieler sind heute Geiseln des Materials. Aber die Athletik der Spieler hat sich verbessert, die Dichte an Topspielern hat zugenommen. Heute schlägt die Nummer 150 die Nummer 20, das hätte es früher selten gegeben.

"Das jetzt ist die dritte Karriere"

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Fehlen heute die Typen?
Sicher. Damals hat der eine Serve and Volley gespielt, der andere hat nur die Grundlinie gekannt, fast alle standen für ein Spiel. Heute ist alles monoton, wer spielt heute beispielsweise noch eine einhändige Rückhand? Damals hast du zehn Spieler auf der Straße gekannt, heute erkennt kaum jemand die Spieler, die hinter den Top 4 stehen. Aber vergessen wir nicht: Damals wurde Tennis viel öfter im TV gebracht.

Auch dank Ihnen. Sie wurden 1996 Nummer eins der Welt. Ihre Erinnerungen an diesen 12. Februar?
Es war ein verrückter Tag. Ich bin die ganze Nacht gereist, weil wir von einem Daviscup-Spiel in Südafrika zurückkamen. Am selben Tag habe ich noch in Dubai gegen den Australier Stolle verloren. Da haben alle gesagt und geschrieben, der ist Nummer eins und verliert gegen den Stolle. Die Leute sehen ja nur das Ergebnis Schwarz auf Weiß, nicht mehr.

Sie haben im Vorjahr ein Comeback gefeiert. Ist das jetzt die dritte Karriere? Stichwort Key Biscayne, 1989, als Sie ein Betrunkener umgefahren hat und Sie eine schwere Knieverletzung erlitten haben. Haben Sie damals an ein Karriereende gedacht?
Nein, weil mir damals die Tragweite der Verletzung nicht so bewusst war. Aber das Training war genauso hart wie es jetzt der Fall ist. Mit einem grundlegenden Unterschied: Damals ging es um die Existenz, da war es harte Arbeit - heute mache ich es aus Spaß. Aber es stimmt, das jetzt ist die dritte Karriere.

Ihre Erfolge standen ebenso im Mittelpunkt wie die gelebte Feindschaft mit Horst Skoff. Wie beurteilen Sie diese heute?
Das wurde ein bisschen hochgespielt und vor allem von unseren Managern verstärkt. Da ging es auch um gekränkte Eitelkeiten, weil mein Manager erfolgreicher war, egal, was er anfasste.

Gab es irgendwann eine Aussprache oder eine Versöhnung mit Skoff?
(Sehr ernst, Anm.) Nein, das gab es leider nie.

Haben Sie nach dem Comeback eigentlich viele eMails nach bekommen?
Ich bin in der IT-Geschichte ganz weit hinten. Ich bin froh, wenn ich das Handy zum Telefonieren gebrauchen kann (lacht). Natürlich, aber es kam auch immer wieder die Frage: "Warum tut sich der das an?" Gegenfrage: Warum soll ich mir etwas antun, wir leben in keiner Diktatur, in der einem alles aufgezwungen wird. Ich habe meinem Körper noch nie soviel Gutes getan. Ich bin eben immer ein extremer Typ, der macht, was er für richtig hält.

Manche ziehen einen Vergleich mit Michael Schumacher, der in die Formel 1 zurückgekommen ist....
Er kann sich eher auf das Material ausreden als ich. Im Ernst: In der Formel 1 hat sich nach seinem Rückzug damals die Fahrweise stark geändert, im Tennis die Spielweise. Und das merkt man bei uns.

Sieht man Sie nächstes Jahr definitiv nicht mehr in Kitzbühel oder Wien?
Nein, ich habe letztes Jahr bei diesem tollen Turnier spielen dürfen und werde heuer auch wieder ein tolles Erlebnis haben. Jetzt ist Schluss. Denn sonst wird es irgendwann fad.

Gibt es etwas, was Sie heute bereuen?
Nein. Oder vielleicht doch: Dass ich damals etwas zu früh aufgehört habe.

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