Was der Führungswechsel bei Ferrari bedeutet

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Die Umstellung an der Spitze der Scuderia ist nicht bloß ein Personal-, sondern auch ein Strategiewechsel.

Es könnte kaum zwei unterschiedlichere Köpfe im Formel-1-Fahrerlager geben als Maurizio Arrivabene, seit Montag Ex-Teamchef von Ferrari, und seinen Nachfolger Mattia Binotto. Auf der einen Seite Arrivabene, einst Marketing-Verantwortlicher beim Tabakkonzern Philipp Morris und als Vertreter deren Marke Marlboro seit mehr als 20 Jahren eng mit Maranello verknüpft, aber den Medien feindlich gesonnen, wortkarg und bitterernst; auf der anderen Seite Binotto, das heimliche Genie hinter Ferraris Aufholjagd auf Mercedes, Chef der technischen Entwicklung und mit dem Ruf eines einfühlsamen, besonnenen und weltoffenen Mannes.

Kein Wunder also, dass der Führungswechsel bei der Scuderia - Arrivabene raus, Binotto rein als Teamchef - auch ein Signal strategischer, inhaltlicher Veränderung ist. Schließlich fielen Ferraris Titelträume unter Arrivabene zuletzt zweimal in Folge in sich zusammen, weil man sich bei der Entwicklung oder bei strategischen Ausrichtungen im Rennen vertan hatte - oder weil Starpilot Sebastian Vettel kostspielige Fehler unterliefen. Den Schuldigen machte man bei Ferrari in der Gestalt von Maurizio Arrivabene aus.

Machtkampf gewonnen...

Spätestens mit dem unerwarteten Tod von Sergio Marchionne wurde die Luft für Arrivabene in Maranello zweifellos dünner. John Elkann, hauptverantwortlich für die Geschicke der Marke mit dem springenden Pferd, seit Marchionne im Juli verstarb, setzte sich von Anfang an für Binotto ein, sodass schon im Herbst über einen Machtkampf hinter den Kulissen der Scuderia spekuliert wurde, als der Titelkampf mehr und mehr zur verlorenen Schlacht wurde.

Seit Montag ist nun offiziell, wer diesen Machtkampf für sich entschieden hat: Arrivabene muss seinen Posten räumen - und dürfte wieder in den Schoß von Philipp Morris zurückkehren - während Binotto zusätzlich zu seiner Funktion als Entwicklungschef nun auch formell Teamchef der Scuderia ist. Das dürfte sich langfristig eher positiv als negativ auf die Titelhoffnungen der Italiener auswirken - vorausgesetzt, Binotto behält den ihm zugeschriebenen Kurs auch tatsächlich bei.

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Binotto soll das Ruder bei den Roten herumreißen.

Erfüllt Binotto die Erwartungen, dürfen sich die Fans 2019 auf einen deutlich offeneren Auftritt der Scuderia freuen. Vor allem in den sozialen Medien war Ferrari in der Arrivabene-Ära im Vergleich zur Konkurrenz zugeknöpft und präsentierte sich bisweilen eher rückständig - etwa, als man sich als einziges Formel-1-Team weigerte, Teil der eSports-Kampagne der Königsklasse zu sein. Das dürfte sich in Zukunft ändern.

... Vettel verloren?

Ändern könnte sich allerdings auch etwas an der Fahrerfront. Charles Leclerc gilt im Zweikampf mit Vettel als die Zukunft der Scuderia, und 2019 wird wohl schon früh die Entscheidung fallen müssen, auf welches der beiden springenden Pferde man bei den Roten setzen will. Zwar ist davon auszugehen, dass der oft als sensibel beschriebene Vettel vom einfühlsamen Führungsstil von Binotto profitieren könnte - aber dieser gilt als Verfechter von Leclerc. Gut möglich also, dass sich Vettel in der neuen Saison rasch als Außenseiter im eigenen Team wiederfindet.

Und dann? Italienische Medien sprachen schon im Oktober davon, dass Binotto - als Teil des Machtkampfes - versuchen könnte, Fernando Alonso zurück nach Maranello zu lotsen. Das ist vorerst missglückt, aber der Spanier hat mehr als einmal angedeutet, dass er einer Rückkehr in die Königsklasse nicht abgeneigt wäre, wenn die Chance auf Siege und Titel bestünde. Setzt Ferrari 2019 offen auf Leclerc, dann ist Vettels Abschied aus Italien durchaus denkbar - zumal sich einem vierfachen Weltmeister sicher auch bei Mercedes eine Türe öffnen würde, wenn Valtteri Bottas erneut enttäuscht...

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