Sieben außergewöhnliche Männer, die die Formel 1 geprägt haben
Die schnellste Rennserie der Welt hat Rückstand. Am 13. Mai 1950 starteten 21 Männer in Silverstone in das erste Formel-1-Rennen, das zu einer WM zählte (Foto rechts). Corona-bedingt feiert die Königsklasse erst heute, Sonntag, beim Jubiläums-GP den historischen Tag. Bis heute fuhren 765 Männer und Frauen zumindest ein Rennen, 108 von ihnen gewannen, 33 wurden Weltmeister, 34 verunglückten tödlich.
Es wäre ein Leichtes gewesen, die sieben einflussreichsten Protagonisten aus sieben Jahrzehnten zu nennen. Ein Online-Voting der Fans gewann vor zwei Monaten Michael Schumacher vor Bernie Ecclestone. Genannt werden müssten auch Enzo Ferrari oder Ayrton Senna. Doch der KURIER erinnert an jene Menschen, die selten ganz vorne im Rampenlicht gestanden sind. Dennoch haben sie die Formel 1 geprägt.
Sid Watkins
Der Lebensretter: 1978 wurde der Neurochirurg aus Liverpool von Bernie Ecclestone in die Formel 1 geholt, wo er bis 2004 Chefarzt war. Watkins saß bei 424 Grands Prix im Medical Car, unermüdlich trieb er in dieser Zeit die Sicherheitsstandards nach oben. „Es gibt doch nichts Besseres, als wenn ein junger, netter Bursche heil aus einem völlig verbeulten Wrack steigt“, sagte Watkins einmal. Der Rennarzt war stets als erster beim Verunglückten. Mika Häkkinen rettete er das Leben, als der Finne 1995 in Australien schwer verunfallte. „Wir holten ihn aus dem Wagen, und ich musste noch an der Strecke einen Luftröhrenschnitt machen.“ Nicht mehr helfen konnte Watkins, als sein Freund Ayrton Senna 1994 in Imola verunglückte. „Ich nahm ihm den Helm ab und sah in seine Augen ... da wusste ich, dass er es nicht überleben würde.“ Watkins, den viele „Professor Sid“ nannten, starb 2012 im 85. Lebensjahr.
Adrian Newey
Das Superhirn: Er hat elf Weltmeisterautos gebaut – und jenes, in dem Ayrton Senna in den Tod fuhr. Der 61-jährige Engländer, seit 2006 in Diensten von Red Bull, gilt als kreativster und eigenwilligster Rennwagendesigner der Formel 1. Newey war der Erste, der in den 1990er-Jahren verstand, dass Geschwindigkeit weniger mit schierer Motorleistung zusammenhängt, sondern vielmehr mit dem Luftstrom rund ums Auto. Vielleicht ist auch das ein Mitgrund, warum Newey für so legendäre Teams wie Williams und McLaren gearbeitet hat, aber nie für Ferrari, wo das Triebwerk bis heute im Zentrum aller Überlegungen steht. Der leidenschaftliche Hobbyrennfahrer, der seine Entwürfe bis heute noch per Hand zu Papier bringt, „genießt Regeländerungen. Sie erlauben dir, dich mit nichts anderem als einem leeren Blatt Papier zurückzulehnen und zu versuchen, die beste Lösung herauszuarbeiten.“
Rubens Barrichello
Der Rekordmann: Er ist bei weitem nicht der charismatischste Fahrer und schon gar nicht der erfolgreichste. Doch kein anderer Pilot absolvierte mehr Rennen als Rubens Barrichello. Der heute 48-jährige Brasilianer startete in 323 Grands Prix, gewonnen hat er gerade einmal elf. Allerdings gibt es kaum einen Fahrer, der so oft Opfer des „Teamsports“ Formel 1 wurde. Barrichello war in den Jahren 2000 bis 2005 Teamkollege von Michael Schumacher bei Ferrari, und seine Aufgabe bestand vor allem darin, Schumacher zu Siegen zu verhelfen. Der Deutsche holte fünf Mal den Titel, während Barrichello immer wieder zurückstecken musste. Tiefpunkt war der Grand Prix von Österreich 2002, als er in Führung liegend Schumacher kurz vor der Ziellinie passieren lassen musste. 16 Jahre später sprach Barrichello erstmals über das Rennen und erklärte: „Ich habe kotzen müssen – vor Wut.“
Dietrich Mateschitz
Der Mäzen: Die Formel 1 ist nicht die gefährlichste Sportart im Portfolio des Steirers. Aber sie ist neben Fußball die mit Abstand populärste. Ohne den Selfmade-Milliardär wäre die Formel 1 nicht das, was sie heute ist: die mit Abstand schillerndste Motorsport-Serie der Welt. Mit seinem Red-Bull-Team leitete Mateschitz Mitte der 2000er-Jahre eine neue Ära ein, die Formel 1 war auch neben der Strecke wieder flott. Auch sportlich ging es rasant dahin. Die zu Beginn noch als „Brausehersteller“ verspottete Renncrew holte mit Sebastian Vettel – ein Produkt des Red-Bull-Junior-Teams (wie u.a. auch Daniel Ricciardo und Max Verstappen) – vier Mal in Serie den Weltmeistertitel. Mittlerweile besitzt Mateschitz zwei Teams (Red Bull, Alpha Tauri) und eine Rennstrecke. Ein Ausstieg von Red Bull wäre für die Rennserie längst schmerzhafter als der Rückzug eines Automobilherstellers.
Hermann Tilke
Der Designer: Bahrain, Singapur, Abu Dhabi, Austin – der deutsche Bauingenieur ist nahezu für alle Formel-1-Strecken dieses Jahrtausends verantwortlich. Begonnen hat alles mit einem 600-D-Mark-Auftrag auf dem Nürburgring, als ein Fluchtweg verlegt werden musste, „und plötzlich war ich der Rennstrecken-Experte“, erinnert sich der 65-Jährige. Als sein Credo gilt, die Fahrer in Fehler zu treiben, „nur: Gegen uns arbeitet eine Armee der besten Ingenieure, die die Autos ständig weiterentwickeln. Und in den Autos sitzen die besten Fahrer der Welt.“ Dementsprechend groß ist auch die Kritik an Tilkes Streckendesign: Seine Kurse seien langweilig und viel zu ähnlich. Immerhin, Tilke spricht die Sprache der Piloten. Er selbst nahm an Langstrecken- und Tourenwagenrennen teil.
Gilles Villeneuve
Der Liebling: Michael Schumacher haben sie bei Ferrari verehrt, Niki Lauda respektiert, aber geliebt wurde in Maranello, der Hauptstadt des PS-Wahnsinns, einer: Gilles Villeneuve. Der Kanadier galt als absoluter Lieblingspilot von Firmenpatriarch Enzo Ferrari. Dabei hat es gerade einmal zu sechs Grand-Prix-Siegen und dem Vizeweltmeistertitel 1979 gereicht. Villeneuve war ein Draufgänger auf der Piste und der vielleicht spektakulärste Rennfahrer der Formel 1. Die Bilder des Zweikampfes mit Freund René Arnoux 1979 in Dijon sind für die Ewigkeit bestimmt. Ebenso wie die Villeneuve-Statue am Eingang zur Ferrari-Teststrecke in Fiorano. Keinem anderen Piloten wurde eine solche Ehre zuteil. Gilles Villeneuve starb 1982 in Zolder bei einem Auffahrunfall im Qualifying.
Charlie Whiting
Der Rennleiter: Der Engländer hatte jenen Job, in dem man sich nur Feinde machen konnte – und dennoch wurde er von allen gemocht. Das zeigte sich nicht nur nach seinem überraschenden Tod mit nur 66 Jahren im März 2019 in einem Hotel in Melbourne, einen Tag vor dem Start der Saison. Seit 1997 startete und beendete Whiting alle Grands Prix. Der ehemalige Chefmechaniker von Weltmeister Nelson Piquet war auch der Hüter der Regeln. Immer wieder bremste er die Piloten durch seine Vorgaben ein. Selten suchte er das Rampenlicht, nämlich nur dann, wenn es etwas zu erklären gab. Whiting tat dies mit Ruhe, Souveränität und Expertise. Mit ihm verlor die Formel 1 nicht ihren prominentesten oder schillerndsten Protagonisten, aber zweifelsfrei einen der wichtigsten.
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