„Sebastian ist in der Form seines Lebens“

Nach dem Aufstieg zu Red Bull stand Daniel Ricciardo im Fokus.
Daniel Ricciardo nimmt 2014 im Red Bull Platz. Ein Gespräch über die größte Herausforderung seiner Karriere.

Sebastian Vettel kennt kein Erbarmen. Auch gestern fühlte sich der Vierfach-Weltmeister pudelwohl als Spielverderber, killte jegliche Spannung und gewann zum siebenten Mal in Folge. Daher sind viele Augen längst auf die kommende Saison gerichtet – und somit auf Daniel Ricciardo. Der 24-jährige Australier, gestern im Toro Rosso 16., übernimmt das begehrteste Cockpit der Formel 1. Mit der Beförderung zu Red Bull wurde aus Ricciardo, 48 GP-Starts, 29 WM-Punkte, über Nacht ein Sieganwärter.

Der Weg zum Interview mit ihm ist weit. Toro Rosso darf seine Zelte nur weit hinten im Fahrerlager aufschlagen. Auch das wird sich für Ricciardo schon bald ändern.

KURIER: Herr Ricciardo, was erwarten Sie sich von der kommenden Saison bei Red Bull?

Daniel Ricciardo: Ich erwarte auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit und Herausforderungen. Gegen Sebastian zu kämpfen ist vermutlich die größte. Hoffentlich können wir erneut den Konstrukteurstitel gewinnen.

Wie groß ist der Druck?

Mal sehen, ob das Auto schnell ist. Wenn es das ist, hat Sebastian den größeren Druck. Er ist der vierfache Weltmeister. Keiner erwartet von mir, dass ich zu Red Bull komme und sofort die Nummer eins bin.

Wie schwierig ist es, sich noch auf 2013 zu konzentrieren?

Es geht ganz gut jetzt. Das Wochenende in Monza war hart, als die Verpflichtung bekannt gegeben wurde. Da habe ich erstmals ein Gefühl dafür bekommen, was mich nächstes Jahr erwarten wird.

Wie sehen Sie Sebastian Vettel: als Weltmeister oder als den Kerl, gegen den Sie seit Ihrer Jugend fahren?

Ich sehe ihn als beides. Klar, er ist der Beste derzeit. Aber ich habe das Glück, dass ich ihn auch außerhalb des Fahrerlagers kennengelernt habe. Er ist sehr bodenständig, keiner, der Allüren hat. Das gefällt mir. Mir ist aber auch klar, dass sich unser Verhältnis ein bisschen ändern wird, wenn wir im gleichen Auto sitzen.

Können Teamkollegen Freunde sein?

Das hängt davon ab, was sie unter Freund verstehen. Ich kann mit meinem Kollegen Abendessen gehen, Party machen und über Dinge sprechen, die außerhalb der Formel 1 liegen. Aber ich würde ihn nicht zu mir nachhause zum Weihnachtsfest einladen. Wir bleiben immer Rivalen. Wenn Sebastian mir nächstes Jahr den Arsch aufreißt, werde ich nicht besonders glücklich sein.

Sehen Sie Parallelen zwischen Vettel und Ihnen?

Charakterlich sind wir uns wohl ähnlicher, als man meinen mag. Er ist ganz lustig – ich bin es manchmal auch (lacht). Er schützt extrem seine Privatsphäre und die Leute, die ihm nahestehen. Die Formel 1 sieht er als einen Job. Diese Einstellung teilen wir. Es gibt Fahrer hier, die sehen sich auf einer Ebene mit Hollywood-Schauspielern. Ich fühle mich nicht so.

Ist Vettel für Sie im kommenden Jahr der Maßstab?

Er ist die Referenz – und zwar eine verdammt gute.

Wie kommt man gegen Vettel an? Haben Sie ein Rezept parat?

Ich erkenne derzeit keine Schwäche bei ihm. Sebastian ist in der Form seines Lebens. Ich gebe mich aber bestimmt nicht jetzt schon geschlagen. Sollte ich langsamer sein, werde ich mir genau ansehen, was er anders macht. Oder ich mische einfach etwas in sein Essen (lacht).

Das Nachwuchsprogramm von Red Bull gilt als exzellent, aber auch hart. Wie schwierig war es, dort zu überleben?

Nichts ist einfach im Motorsport. Aber Red Bull bietet jungen Fahrern ein fantastisches Gesamtpaket. Das Leben wird so für einen viel, viel einfacher. Als Gegenleistung verlangen sie eben das Maximum, den Sieg. Manche können mit diesem Druck weniger gut umgehen. Aber für mich wäre die Belastung höher gewesen, wenn meine Familie ihre gesamten Ersparnisse in meine Karriere gesteckt hätte.

Sie sind Teil der jungen Generation von Fahrern, die früh in die Formel 1 gekommen ist. Worin unterscheidet die sich im Gegensatz zur älteren Generation?

Es ist in vielen Sportarten so. Du arbeitest viel früher bereits professionell. Du kommst zwar früher in die Formel 1, bist aber bereits genauso erfahren im Rennsport wie frühere Generationen.

Sie haben einmal gesagt, der beste Zeitpunkt aufzuhören, ist nach dem ersten WM-Titel. Meinen Sie das ernst?

Sollte ich nächstes Jahr gewinnen und sofort aufhören, würde das ein paar Leute verrückt machen, oder? (lacht) Im Ernst: Ich bin noch immer jung, aber ich möchte nicht noch mit grauem Haar im Kreis fahren.

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