Rallye-Star Jutta Kleinschmidt: „Eh klar, eine Frau. Die kann es nicht!“

Rallye-Star Jutta Kleinschmidt: „Eh klar, eine Frau. Die kann es nicht!“
Jutta Kleinschmidt ist die einzige Siegerin der Rallye Dakar. Warum Männer Probleme haben, wenn sie von einer Frau überholt werden und welche Vorteile eine Frau in der Formel 1 hat.

Jutta Kleinschmidt gewann im Jahr 2001 in der Automobilgesamtwertung die legendäre Rallye Dakar. Die Deutsche ist bis heute die einzige Frau, die sich beim Klassiker in die Siegerliste eintragen konnte. „Eigentlich habe ich schon gehofft, dass das andere Frauen motiviert, diesen Weg einzuschlagen“, sagt die 62-Jährige, die am Freitag im Festspielhaus Erl im Rahmen der Veranstaltung glück.tage gemeinsam mit der Schauspielerin Verena Altenberger auftreten wird.

KURIER: Frau Kleinschmidt, war Ihnen damals bewusst, dass Sie Sport-Geschichte geschrieben haben?

Jutta Kleinschmidt: Darüber habe ich mir damals nicht so viele Gedanken gemacht. Für mein Leben hatte dieser Sieg aber schon Auswirkungen. Die Öffentlichkeit ist erfreulicherweise immer noch an mir interessiert, ich halte Vorträge für Unternehmen und finde es schön, dass ich auch 23 Jahre später noch sehr gefragt bin. Auch für meinen beruflichen Werdegang war der Erfolg hilfreich. Ohne den Sieg bei der Dakar wäre ich wahrscheinlich nicht die Präsidentin der FIA Cross Country Rally Commission geworden.

Sie sind Pionierin und Role Model. Warum ist der Motorsport trotzdem immer noch nicht sehr weiblich?

Der Hauptgrund ist sicher, dass deutlich weniger Frauen mit dem Motorsport beginnen als Männer. Und wenn es an der Basis nur wenige Mädchen gibt, dann kommen auch weniger an die Spitze. Dabei geht es darum: Trau’ ich mir denn als Mädchen das überhaupt zu? Wir leben seit Jahrzehnten mit Zweifeln an der Leistung einer Frau in der Gesellschaft. Und natürlich kann das junge Frauen abschrecken, wenn um einen herum gesagt wird: ,Was soll das Ganze, das wird eh nichts.’

Wir leben im Jahr 2024. 

Früher waren diese alten Rollenbilder und Vorurteile noch viel ausgeprägter. Zu meiner Zeit gab es noch Schulen nur für Jungs, in denen Technik unterrichtet wurde. Und reine Mädchenschulen für Haus- und Betriebswirtschaft. Dadurch wurden schon viele relativ jung in eine Rolle reingepresst.

Warum haben wir keine erfolgreiche Frau in der Formel 1?

Es gibt verschiedene Theorien. Manche sagen, dass Frauen durch die hohen Fliehkräfte, die während des Rennens auf die Halswirbel wirken, benachteiligt sind. Sie haben dadurch einen körperlichen Nachteil, der sich unter Umständen auf die Konzentration auswirken kann.

Glauben Sie das?

Ich bin nicht Formel 1 gefahren, aber im Cross-Country waren wir auch extremen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Da gibt es viele Sprünge und die Etappen gehen über viele Stunden. Früher wäre es für eine Frau sicher körperlich herausfordernder gewesen, aber heute mit den technischen Unterstützungen, wie etwa der Servolenkung, sehe ich diesen Nachteil nicht mehr.

Apropos früher: Wie ist es Ihnen als Exotin im Fahrerfeld ergangen. Wurden Sie kritisch beäugt, womöglich sogar belächelt?

Mein Einstieg war diesbezüglich unproblematisch. Ich kam als junge Frau mit dem Motorrad zur Dakar-Rallye und die Männer fanden das richtig cool. Problematisch wurde es für mich erst dann, als ich eine ernstzunehmende Konkurrentin wurde. Für den einen oder anderen Teilnehmer war es halt unangenehm oder gar peinlich, gegen eine Frau zu verlieren.

Haben Sie das denn gespürt und erlebt?

Natürlich. Ich wurde sicherlich stärker bekämpft als männliche Konkurrenten. Manchmal sogar mit unfairen Mitteln.

Das klingt fast so, als hätten Sie damit Erfahrungen gemacht.

Ich habe einmal bei einer Rallye in Mittleren Osten einen Saudi überholt und zufällig ist die Szene vom Hubschrauber aus gefilmt worden. Und das wurde dann auch im lokalen Fernsehen ausgestrahlt. Der Veranstalter ist dann zu mir gekommen und hat mit einem Schmunzeln gemeint: "Das geht nicht, jetzt wollen auf einmal alle Frauen bei uns auch Autofahren." Ich habe nur geantwortet: Das ist doch super. Aber natürlich ist es für so einen Lokalmatador schon ein Problem, wenn er nach Hause kommt und ihn alle aufziehen, weil ihn eine Frau überholt hat.

Rallye-Star Jutta Kleinschmidt: „Eh klar, eine Frau. Die kann es nicht!“

Das war jetzt ein positives Beispiel. Aber welche Nachteile erfährt eine Frau im Motorsport?

Wenn du zum Beispiel als Frau in einem Team mit mehreren Autos fährst, dann ist es schwierig, das beste Material zu bekommen. Das kriegt nämlich immer der Fahrer, an den die Teamleitung am meisten glaubt. Das kennt man auch aus der Formel 1. Da hast du als Frau im Team gerade zu Beginn einen Nachteil, weil viele nicht glauben, dass Du gewinnen kannst.

Sie haben mit Ihrem Sieg das Gegenteil bewiesen.

Und danach haben viele gesagt: ,Mein Gott, die Rallye Dakar kann ja gar nicht mehr so schwer sein, wenn das jetzt schon eine Frau gewinnt.“ Das steckt einfach in den Leuten drinnen und ist leider allgemeine Meinung. Wenn man heute die Bevölkerung fragt, ob eine Frau ein Formel-1-Rennen gewinnen könnte, würden mindestens 80 Prozent sagen, dass das unmöglich sei.

Karriere
Jutta Kleinschmidt (*29.8. 1962 in Köln) ist eine der erfolgreichsten Frauen in der Männerdomäne Motorsport

2001
gewann die Deutsche als erste und bislang auch einzige Frau bei der berühmten Rallye Dakar die Automobilwertung. Ein Jahr später landete die  studierte Physik-Ingenieurin auf dem zweiten Platz
 

Ist das wirklich so? 

Würde man es als Frau in ein Formel-1-Team schaffen, dann wäre man wahrscheinlich erst mal nur die Nummer zwei und hätte das schlechtere Material im Team. Und erst wenn man ständig zeigt, dass man wirklich besser ist, würde sich das ändern.

Das heißt im Umkehrschluss, eine Frau muss mehr leisten als ein Mann.

Das stimmt leider. Ich habe die Dakar damals mit einem Kundenfahrzeug gewonnen. Das war kein Werksauto. Mein Auto war deutlich schwerer als die Werksautos und war nicht so gut ausgestattet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Chance auf den Sieg hatte, da die Werksfahrer mit wesentlich besserem Material ausgerüstet waren.

Haben manche in der Männerdomäne Motorsport vielleicht sogar Angst, dass ihnen Frauen den Rang ablaufen könnten?

Das kommt ganz auf die Sichtweise an. Ich glaube, die Sponsoren finden es gut. Aber ob das allen anderen Fahrer gefällt, weiß ich nicht.

Werden wir in 15 Jahren in der Formel 1 Pilotinnen sehen oder bleiben die Frauen unter sich in eigenen Frauenrennserien?

Ich finde die Rennserien für Frauen im Nachwuchsbereich durchaus positiv, aber ansonsten ist Motorsport eine der wenigen Sportarten, wo Frauen und Männer gemeinsam und gegeneinander antreten können. Dass es funktioniert, zeigen ja Beispiele wie die Rallyefahrerin Michèle Mouton oder meine Wenigkeit. Natürlich ist der Fokus auf eine Frau ganz ein anderer, nicht immer zum Vorteil.

Inwiefern? 

Wenn ich als Frau im Rennen einen Fehler mache, dann steht es gleich in den Medien. Dann heißt es: „Eh klar, eine Frau, die kann es nicht.“ Ein Mann kann Fehler machen und es wird nicht gleich so groß aufgehängt.

Rallye-Star Jutta Kleinschmidt: „Eh klar, eine Frau. Die kann es nicht!“

Wo hat eine Frau im Motorsport Vorteile?

Man kann als Frau sicher mehr Aufmerksamkeit generieren, schon allein durch den Ausnahmestatus. Vorausgesetzt natürlich, dass man gut ist. Und dann glaube ich, dass sich Frauen akribischer vorbereiten und wirklich nichts dem Zufall überlassen. Sie wissen, dass, falls sie einen Fehler machen, der Fokus gleich auf ihnen liegt. Auch in der Ausdauer sind Frauen meiner Meinung nach richtig gut und das braucht man auch im Marathonsport. Da halten Frauen auch sehr gut durch.

Sie haben die klassische Dakar in Afrika gewonnen. Was ist die Faszination des Rennens?

Früher war die Dakar eine Rallye, bei der die meisten Teilnehmer nicht ins Ziel gekommen sind. Nur 30 bis 40 Prozent haben das geschafft. Du warst schon ein großer Held, wenn du die Rallye in der Wertung beendet hast. Die Dakar hat den Ruf, die härteste Rallye der Welt zu sein. Das macht auch ihren Reiz aus.

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