Niki Lauda: Ein Phänomen, das nix zu verschenken hatte
Sebastian Vettel hat das eher nicht wortwörtlich gemeint. Der Ferrari-Pilot betonte in Monaco im Rahmen des Rennwochenendes, das ganz im Zeichen des Todes von Niki Lauda steht, der Formel 1 fehlen allmählich so Gesichter wie jenes von Lauda.
Vettel meinte Charakterköpfe, Typen, Ikonen.
Auf Lauda traf das alles zu. Die Königsklasse hatte sichtbare Spuren hinterlassen beim dreifachen Weltmeister, der zurückblickte auf 70 Jahre Leben und 50 Sekunden im Feuer. Lauda selbst ging stets am Rationalsten mit seinem Schicksal um. „Dann kam der Unfall“, sagte er 2017 im KURIER-Interview, „zufällig gefilmt von einem Buben mit einer Acht-Millimeter-Kamera. Wenn es diese Bilder nicht gäbe, wäre meine Geschichte bestimmt nicht so groß.“
Neun von zehn Österreichern gaben zuletzt in einer Umfrage an, sein Gesicht zu kennen. Kein Prominenter des Landes erreichte ähnliche Bekanntheitswerte. Bereits zu Lebzeiten ist der Wiener in den Legendenstatus gewechselt, beziehungsweise gedrängt worden.
Das Ausmaß der Anteilnahme – vor allem auch international – nach seinem Ableben überraschte einige dann dennoch. „Die Größe der Person Lauda zeigte sich am deutlichsten am Dienstagabend, als sowohl Österreichs Bundespräsident als auch der Bundeskanzler zuerst an Lauda erinnerten, ehe beide die vermutlich größte Regierungskrise der Zweiten Republik kommentierten“, sagt Rudolf Müllner, Sporthistoriker an der Universität Wien.
Ausnahme-Österreicher
Müllner befand sich in Polen, als ihn der KURIER erreichte. Im polnischen Fernsehen lief zur besten Sendezeit ein fast einstündiger Bericht über die österreichische Rennsport-Ikone. „Ich kann mir nur noch einen weiteren Österreicher vorstellen, der ein ähnliches mediales Echo auslösen kann“, sagt Müllner, „und zwar Arnold Schwarzenegger.“
Beide Ausnahme-Österreicher verbinde – trotz deren Internationalität – die emotionale Nähe zur Heimat, ist der Historiker überzeugt. „Laudas Sprache war speziell, authentisch, ungekünstelt und ein Markenzeichen.“
Wer wissen will, wie es um die Marke Lauda bestellt ist, der wird in der Wiener Mariahilfer Straße bei der Werbeagentur GGK Mullenlowe fündig. Dieter Pivrnec und Michael Kapfer, die beiden Chefs, sind Spezialisten für Authentizität. Sie haben Hermann Maier den Satz I must to the bank entlockt und Niki Lauda das legendäre Ich hab’ ja nix zu verschenken.
Die Kampagne für ein niederländisches Bankinstitut lief sechs Jahre lang bis 2015. „Der Werbeeffekt wirkt noch immer nach“, sagt Dieter Pivrnec.
Zwölf Fernseh-Spots gab es in den sechs Jahren. Die Formel-1-Ikone reinigte dabei im Regen das Auto und ließ sich im Nobelrestaurant das Schnitzel einpacken. Für jeden Spaß war Lauda aber dennoch nicht zu haben, er habe ein exzellentes Gespür dafür gehabt, was authentisch war, erklärt Werbe-Mann Pivrnec: „Es durfte nicht zu konstruiert sein. Er hat mehrmals gesagt: ‚Das bin ich nicht, und das mache ich nicht!‘“ Es ging um einen Spot im Neoprenanzug.
Ansonsten gab es im Leben von Niki Lauda nicht viele Tabus. „Man hat ihm schon auch sehr viel verziehen“, sagt Sporthistoriker Rudolf Müllner, „er war etwa nicht als großer Feminist bekannt.“
Ungemein unprätentiös sei er gewesen, für Sporthistoriker Müllner zentraler Bestandteil der Popularität Laudas: „Seine Herkunft aus vermögenden und privilegierten Verhältnissen hat er nie zu seinem Vorteil verwendet.“ Der Unfall 1976 habe ihm nicht nur eine heroische Aura verliehen, glaubt Müllner: „Nur wenige Leute konnten sich vorstellen, wie es ist, ein Formel-1-Auto zu fahren. Aber jeder war schon einmal krank oder verletzt und hatte Selbstzweifel.“
Gage: nicht verhandelbar
Über seinen Marktwert wusste Lauda bestens Bescheid, wie die Herren aus der Werbung zu berichten wissen: „Die Summe, die er nannte, war daher auch nicht verhandelbar.“
Dafür bekam man einen „hochprofessionellen Werbeträger“, dessen Wirkung enorm war. Als Lauda für ein Werbefilmchen auf einer Strandliege ein Buch las, wollten einige Medien wissen, um welches Buch es sich handle. Den Buchhandel hätte es gefreut, doch die Agentur musste alle enttäuschen. Das Buch war eine Attrappe.
Einzigartig waren seine Stellung und sein Selbstverständnis. Nur ihm war es im Fahrerlager der Formel 1 möglich, am Kommandostand von Mercedes einen Grand Prix zu verfolgen und zehn Minuten später bei RTL für viel Geld darüber zu urteilen. Der Aufsichtsrat der Silberpfeile frühstückte bei Red Bull (weil’s besser schmeckte) und ging von dort geradewegs in die Ferrari-Garage.
Die Offenherzigkeit und Kommentierfreude stellte für manche Unternehmen schon eine Herausforderung dar, sagt Michael Kapfer von GGK Mullenlowe: „Niki hat sich ja zu allem und zu jedem geäußert. Das Geniale daran war, und das haben wir auch immer als eine seiner Stärken gesehen, dass er komplexe Zusammenhänge völlig einfach erklären konnte. Wenn er dir erklärt hat, warum ein Flugzeug fliegt, hast du es verstanden.“
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