Sie beschreiben sich selbst als Getriebener. War die Kontroverse beim WM-Finale vielleicht der richtige Ansporn für ein Jahr, in dem so viele Regeln neu sind?
Es gibt jedes Jahr motivierende Faktoren. Letztes Jahr hat es Spaß gemacht, sich zurückzukämpfen. Red Bull hatte zur Saisonmitte einen komfortablen Vorsprung. Aber das, was in Abu Dhabi passiert ist, haben wir alle noch im Hinterkopf. Es hilft, zu sagen: jetzt erst Recht.
Wie oft haben Sie sich die letzten Runden des WM- Finales angesehen, als ihr Pilot Lewis Hamilton noch den Titel verloren hat?
Ich kann mir die Bilder weder ansehen noch die Funksprüche anhören. Es ist zu aufwühlend. Wir müssen auch abschließen damit. Der WM-Pokal für den Fahrer-Titel steht in einem anderen Trophäenschrank. Punkt.
Wie waren die Reaktionen in Ihrem Umfeld danach?
Enorm. Den Grand Prix haben 108 Millionen Menschen gesehen, mehr als den Superbowl. Es war das zweitgrößte TV-Ereignis im Jahr nach dem Finale der Fußball-EM. In England gibt’s einen Spruch dazu. Die drei Themen, die man bei einem Abendessen besser nicht ansprechen sollte, sind: der Brexit, die Corona-Impfung und die letzte Runde in Abu Dhabi. Das zeigt, dass es viele Menschen bewegt hat. Die Mehrheit hat gesehen, dass Lewis, dem viele auch nicht immer alles gönnen, hier Unrecht widerfahren ist.
Wie steht es um Ihre persönliche Motivation? 2020 hatten Sie Zweifel, ob sie weitermachen möchten. Warum?
Ich wusste damals nicht, ob es mir noch Spaß macht. Die Freude war weg, weil sich etwas verändert hat.
Was denn?
2013 ging es darum, den Karren aus dem Dreck zu ziehen und überhaupt erfolgreich zu werden. Es war ein kleines Projekt, aus dem ein großes Unternehmen geworden ist. Das verändert vieles.
Was haben Sie geändert?
Es hat ein Jahr gedauert, bis die Freude wieder da war. Das lag daran, dass ich auf die Signale in meinem Körper nicht gehört habe. Ich hatte 220 Hotelnächte und 700 Flugstunden im Jahr 2019. Da kommt der Moment, an dem du keine Zeit mehr hast, auf dich selbst zu schauen oder Erfolge zu genießen. Ich musste das Tempo rausnehmen. Die Corona-Saison mit weniger Grands Prix und Reisen hatte da sogar positive Effekte. Auch Homeoffice tut der Lebensqualität gut.
Sie sind 2009 in die Formel 1 gekommen, als Teilhaber bei Williams. Hätten Sie damals gedacht, dass dieser Sport Ihr Leben verändern wird?
Nein. Ich war zwanzig Jahre lang Finanzinvestor, und so habe ich auch einst mein Engagement bei Williams eingestuft. Mein Plan war, drei Jahre lang dabei zu sein und dann meine Anteile wieder zu verkaufen. Aber irgendwann war es so groß geworden, dass ich mir die Frage stellen musste: Mach’ ich die Formel 1 zu meinem wirtschaftlichen Lebensinhalt?
Es heißt oft, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, verliert man sein Hobby ...
Guter Punkt. Es ist definitiv kein Hobby mehr, mich reizt es auch nicht mehr, in einem Rennwagen zu sitzen so wie früher einmal. Ich brauche mit 50 Jahren auch keinem Bubentraum mehr nachzujagen oder sportlich Saltos zu schlagen.
Seit heuer gilt erstmals eine Budgetobergrenze. Teams wie Mercedes mussten die Ausgaben drastisch kürzen. Wie schwierig war das?
Das verändert den Sport und unsere Organisation von Grund auf. Das angestrebte Ziel könnte erreicht werden. Denn ich glaube nicht, dass ein Team in den kommenden Jahren alle Meisterschaften gewinnen wird. Die Formel 1 funktioniert nach dem darwinistischen Prinzip: Es gewinnt nicht unbedingt der, der am besten ist, sondern jenes Team, das sich am besten anpassen kann. Wir haben alle Prozesse durchleuchtet, um die Anforderungen zu erfüllen und damit wir nicht 200 Menschen entlassen müssen. Das wäre natürlich der einfachere Weg gewesen.
Ist es von Vorteil, dass Sie viele Jahre lang in der Finanzwelt gearbeitet haben?
Ich habe Leute hier kennengelernt, die denken, die Formel 1 sei das ganze Universum. Wenn du einmal einen anderen Job auch gehabt hast, hilft das, zu relativieren und Dinge nüchterner zu betrachten. Es schadet wohl nicht, dass sich mein ganzes Leben nicht nur um die Formel 1 gedreht hat.
Sie sind begehrt bei Fans und Autogrammjägern. Wie finden Sie das?
Ich kann der Selfie-Generation nichts abgewinnen. Ich habe nie verstanden, warum man ein Foto mit jemand anderem haben will, um es dann auf Social Media Fremden zu zeigen. Am Ende bringt diese vermeintliche Bekanntheit kaum Vorzüge, außer dass man vielleicht mal im Restaurant einen besseren Tisch bekommt. Aber dafür geh’ ich zu selten essen. Das alles kann ab und an auch ein bisschen unangenehm werden für die Familie. Aber ich weiß, dass es in einem gewissen Maß dazugehört. Das hab’ ich vom Niki gelernt, der gesagt hat: „Manchen Leuten bedeutet es die Welt, ein Foto mit dir zu haben. Mach’ Ihnen die Freude, aber nimm’ dich dadurch nur nicht wichtig!“
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