"Vettel hat keine Schwächephase"

In Budapest dürfen sich Teamchef Tost und sein Pilot Kwjat Hoffnungen auf WM-Punkte machen.
Der Toro-Rosso-Teamchef über seine Ex-Piloten, das WM-Duell und die Zukunft.

Es war ein aufreibender Samstag für den Tiroler Franz Tost auf dem Hungaroring: Am Nachmittag ein turbulentes Qualifying für den Großen Preis von Ungarn (14 Uhr/live ORFeins, RTL und Sky Sport), zuvor ein Meeting der Teamchefs mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone. Thema: die Zukunft der Formel 1.

Tost, 58, ist seit der Gründung von Toro Rosso im Jahr 2005 der Teamchef des Zweitteams von Dietrich Mateschitz. Er brachte sowohl Sebastian Vettel als auch Daniel Ricciardo die Formel 1 bei und gilt als scharfer Analytiker der Branche.

KURIER: Herr Tost, gefällt Ihnen die Formel 1 im Jahr 2014?

Franz Tost: Mir gefällt die Formel 1 prinzipiell.

Hat Sie Ihnen schon besser gefallen?

Man muss auch mal festhalten, dass die Formel 1 heuer einen Quantensprung gemacht hat, was die Technik angeht. Die Formel 1 wird allmählich wieder Vorreiter. Wir fahren mit einem kleinvolumigen Motor und zwei Energierückgewinnungssystemen. Das ist hochspannend. Der Fehler war ein anderer.

Was meinen Sie damit?

Man hat die Fans zu wenig aufgeklärt, welch tolle Technik die Autos an Bord haben. Und allen Kritikern zum Trotz haben wir heuer schon fantastische Rennen gesehen. Was das Kräfteverhältnis angeht, hat Mercedes einfach einen Sensationsjob gemacht.

Hat die Konkurrenz geschlafen?

Mercedes hat sich sehr früh und sehr intensiv mit dem neuen Reglement auseinandergesetzt. Und verfügt dazu über eine Top-Infrastruktur. Andere Motorenhersteller haben diese Herausforderung vielleicht ein wenig unterschätzt.

Klingt frustrierend für ein Kundenteam wie Toro Rosso, das auf die Motorenentwicklung weniger Einfluss nehmen kann als ein Werksteam.

Heuer wird das Gleichgewicht nicht mehr hergestellt werden können. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich Renault für die kommende Saison neu aufstellt, damit Red Bull 2015 wieder um die Weltmeisterschaft mitfährt und wir in diesem Windschatten.

Wie fällt eine Zwischenbilanz bei Toro Rosso aus?

Es ist ein auf und ab. Wir machen zu viele Fehler. Ein Beispiel: Unsere Auspuffanlage war 1,5 Kilo zu schwer, also haben wir eine Leichtversion gebaut. Die hat anfangs auch wunderbar funktioniert und fünf, sechs Rennen gehalten. In Monaco dann eben nicht mehr. Um Leistung zu gewinnen, sind wir zu viel Risiko eingegangen. Nur: Da spielt die Formel 1 nicht mit, die bestraft dich sofort und brutal.

Den Technologie-getriebenen Anspruch beansprucht auch die Langstrecke mit den 24 Stunden von Le Mans für sich. Wer kann das besser?

In Le Mans handelt es sich aber um Prototypen. Die haben mehr Platz, diese komplexe Technik zu verbauen. In einem Formel-1-Auto muss man radikaler vorgehen. Das kann ein Vorteil sein für die Serienentwicklung. Auch in einem Pkw geht es um Platz: Platz zum Sitzen, Platz für Gepäck.

Die neue Technik ist teuer, gleichzeitig ist eine Kostenreduzierung ein Dauerthema. Wie passt das zusammen?

Die Regeländerung war unverzichtbar, damit die großen Hersteller dabei bleiben. Ebenso wichtig sind Ideen zur Kostenreduktion. Nur eines beweist die Formel 1 auch immer wieder: Sobald Geld da ist, wird es ausgegeben.

Wenn Sie eine Maßnahme sofort ändern könnten – was wäre das?

Ich würde den Strafenkatalog für die Fahrer abschaffen. Der Pilot wird bestraft, wenn ihn das Team unsicher aus der Box entlässt? Das ist Schwachsinn.

Sind Sie überrascht von den Leistungen Ihres Ex-Schützlings Daniel Ricciardo?

Nein. Er hat sich schon bei Toro Rosso von Jahr zu Jahr gesteigert, deshalb ist er auch ausgewählt worden. Die Reglementsänderung kommt ihm ebenfalls zugute.

Inwiefern?

Weil er ein sehr feinfühliger Fahrer ist. Gleichzeitig war er einer der besten Piloten, die ich je hatte, was das technische Verständnis angeht.

Wurde er unterschätzt?

Er ist definitiv nicht der Sonnyboy, den so viele in ihm gesehen haben. Ein Sonnyboy nimmt das Leben auf die leichte Schulter. Das hat Daniel nie gemacht. Er ist ein verdammt harter und genauer Arbeiter.

Haben Sie eine Erklärung für Vettels Schwächephase?

Sebastian hat keine Schwächephase. Er hat nur eben vier Jahre lang den Vorteil eines sehr guten Autos genossen. Den Vorteil hatte Daniel zum Beispiel nie. Sebastian ist ein ganz anderes Auto gewöhnt. Für Daniel ist der heurige Red Bull schon ein Top-Auto.

Zum WM-Duell: Rosberg oder Hamilton – wer macht’s?

Wir sprechen hier von Unterschieden im Tausendstelsekunden-Bereich. Das ist absolute Extraklasse. Für mich hat Rosberg bisher alles sehr gut unter Kontrolle gehabt. Wird das Duell auf der Strecke entschieden, was ich hoffe, sehe ich Vorteile bei Rosberg.

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