Viel Kritik nach der "Grande Farce"
Vieles war positiv am ersten der 19 Formel-1-Wochenenden des Jahres 2014: Ein spannendes Qualifying im Regen, ein abwechslungsreiches Rennen, ein verdienter Sieger Nico Rosberg im besten Auto. 13 der 22 Wagen kamen bei der Premiere der Sechszylinder-Turbomotoren in die Wertung, mehr als erwartet. Der Marktanteil für den ORF lag Sonntagfrüh bei 58 Prozent.
Dennoch überwiegt bei Medien und Fans der Ärger.
"Grande Farce" titelte die australische Herald Sun auf dem Cover, nachdem Lokalmatador Daniel Ricciardo Stunden nach dem Rennen Platz zwei aberkannt wurde. Der Benzindurchfluss bei seinem Red Bull sei zu hoch gewesen (siehe unten).
Zu spät Dass Regeln eingehalten werden müssen, ist Teil des Sports. Doch wie mit Verstößen umgegangen wird, ist zu überdenken: Mehr als 100.000 Fans feierten im Albert Park von Melbourne mit Daniel Ricciardo den zweiten Platz des Lokalmatadors. Dann folgten die Disqualifikation und kollektive Enttäuschung. "Grausame Wende für einen Tag, der für Ricciardo nahezu perfekt erschien", schrieb The Australian. Bei amerikanischen NASCAR-Rennen bleibt das Ergebnis auch bei einem Regelverstoß bestehen – bestraft wird im Nachhinein mit Geldbußen oder Punkteabzügen. NASCAR-Vize-Rennchef Robin Pemberton sagt: "Ein Fan muss wissen, wer gewonnen hat, wenn er die Strecke verlässt."
Zu kompliziert Verärgert war man auch über ein kompliziertes Reglement, das für den Zuschauer nur schwer nachvollziehbar ist. Selbstverständlich ist Spritsparen auch in der Königsklasse des Motorsports zeitgemäß. Doch das Problem beginnt schon dabei, dass ein Auto pro Rennen nicht mehr als 100 Kilogramm Sprit verbrauchen darf. "Wie viele Besucher auf der Tribüne werden wohl wissen, dass 100 Kilo nicht 100 Litern entsprechen?", schreibt beispielsweise speedweek.com. Mehr Bezug hätte der Zuschauer, wenn er wüsste: Im Tank sind 135 Liter. Das ist ungefähr drei Mal so viel, wie ich in meinen Kleinwagen tanke.
Zu undurchsichtig Begrenzt ist aber nicht nur die Benzinmenge pro Rennen, sondern auch der maximale Benzindurchfluss. Eine Regel, die kaum ein Fan versteht – und die auch nicht notwendig gewesen wäre. Eingeführt wurde die Regel, um zu verhindern, dass die Teams im Qualifying zusätzliche Leistung aus den Motoren kitzeln. Doch wer den Motor zu sehr strapaziert, wird ihn zerstören – und es stehen nur fünf Motoren pro Fahrer und Jahr zur Verfügung. Nun aber wird über Paragrafen und Direktiven gestritten, mit denen ein Zuschauer nichts anfangen kann.
Zu wenig Power Die neuen Turbomotoren mit dem Hybridsystem haben vergleichsweise wenig Leistung. Nico Rosberg fuhr seine schnellste Rennrunde mit einem Schnitt von 206,4 km/h. Im Vorjahr schaffte Kimi Räikkönen 213,8.
Zu leise Wer einmal einen Formel-1-Motor aus der Nähe gehört hat, für den ist ein Motörhead-Konzert Vogelgezwitscher. Doch nach dem Schritt in die neue Turbo-Ära schimpfen nicht nur die Fans über den matten Sound. Schnurrende Hybrid-Antriebseinheiten statt kreischender Saugmotoren. Sogar die Reifen hört man mittlerweile nach den Boxenstopps quietschen. "Ich denke, es ist vieles verloren gegangen", klagt Weltmeister Sebastian Vettel nach seinem frühen Ausfall in Australien. "Es hört sich eher an, als würde der Staubsauger nebenher laufen und nicht, als würde ein Rennauto fahren." Sarkastisch fügt er hinzu: "Schön, dass man sich wegen der leiseren Motoren nun unterhalten kann." Niki Lauda hingegen kann die Kritik nicht verstehen: "Wem es zu leise ist, der soll die Ohrenstöpsel rausnehmen."
Der Ausblick Am 30. März hat die Formel 1 in Malaysia ihre zweite Station. "Dort ist die Kühlung das große Thema", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Derzeit werden mehr als 35 Grad im Schatten gemessen. Dazu kommt die gewohnt hohe Luftfeuchtigkeit von mehr als 70 Prozent. Deshalb weiß auch Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda: "Kuala Lumpur ist für alle die nächste Prüfung. Wir haben noch einen langen Weg vor uns."
Um die Schlagzahl hochzuhalten, reisten die Teams nach dem Rennen allesamt zurück nach Europa. Melbourne-Sieger Rosberg dagegen überbrückt die Zeit bis zum Rennen in Malaysia mit seiner Verlobten Vivian auf Bali. Doch abschalten wird der 28-Jährige dort nicht, er bleibt in Kontakt mit dem Team. Auf dem Programm stehen tägliche Skype-Konferenzen mit den Ingenieuren in der Fabrik in Brackley.
Red Bull ist nach der Disqualifikation von Daniel Ricciardo (ursprünglich Rang zwei) verärgert. Die Verantwortlichen des Teams sind überzeugt, dass der Wagen nicht gegen geltendes Recht verstoßen hat. "Es ist kein Fehler von Daniel, und ich glaube, es ist auch kein Fehler des Rennstalls", sagte Teamchef Christian Horner. Dass am Auto des 24 Jahre alten Australiers ein unerlaubt hoher Benzindurchfluss festgestellt worden war, lag nach Meinung des Briten an einem fehlerhaften Sensor, mit dem die Teams ausgerüstet werden. Die Messungen durch Red-Bull-Apparaturen hätten "null" Abweichung von den erlaubten 100 Kilogramm Sprit in der Stunde ergeben.
Die Rennkommissare urteilten allerdings: "Das Team entschied sich dafür, seine eigene Verbrauchsmessung zu benutzen, ohne sich an die Anweisungen der FIA zu halten. Das steht im Widerspruch zur Technischen Direktive 016-14." Horner räumte ein, dass die FIA Red Bull während des Rennens darauf hingewiesen hatte, dass die Durchflussmenge über dem Maximalwert lag und man sie drosseln solle. Dies befolgte das Team nicht, weil man davon ausging, dass den Kommissaren falsche Werte vorlagen. Red Bull hat einen Protest angekündigt.
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