Ferrari in der Formel 1: Eine fast unmögliche Aufgabe

Ferrari in der Formel 1: Eine fast unmögliche Aufgabe
Die Scuderia wird auch 2023 nicht Weltmeister, beim emotionalen Heimrennen in Monza will man die Fans versöhnen. Der neue Teamchef mahnt indes Ruhe und Sachlichkeit ein. Kann das gelingen?

Die Stoppuhr lüge nicht, heißt es in der Formel 1. Aber die ganze Wahrheit erzählt eine schnelle Runde auch wieder nicht. So gesehen war die Bestzeit von Ferrari-Mann Carlos Sainz im zweiten Training für den Großen Preis von Italien (Sonntag, 15 Uhr) gleichermaßen verführerisch wie trügerisch.

Man kennt das aus der Vergangenheit. Die Scuderia fährt im königlichen Park von Monza gerne die eine oder andere PR-Runde mit wenig Benzin im Tank und/oder frischen Reifen.

Eine schnelle Trainingsrunde steigert die Vorfreude und nimmt etwas den medialen Druck, ehe es am Samstag im Qualifying wirklich zählt. „Wir wollen uns bei unseren Fans für ihre Unterstützung durch dick und dünn revanchieren. Wir nehmen uns eine großartige Show und ein Rennen vor, auf das wir stolz sein können“, sagte Frédéric Vasseur im Vorfeld seines ersten Heimrennens als Ferrari-Teamchef.

Der Franzose, zuvor bei Alfa Romeo und Renault, trat im Winter einen der prestigeträchtigsten Jobs im italienischen Sport an. Manche nennen die Tätigkeit jedoch ein Himmelfahrtskommando. Während etwa der Wiener Toto Wolff seit nunmehr zehn Jahren die Geschicke des Mercedes-Teams leitet, ist Vasseur im selben Zeitraum bereits der fünfte Ferrari-Teamchef. Dabei gilt in der Formel 1 Kontinuität als Schlüssel zum Erfolg.

Den sucht man in Maranello seit mehr als einem Jahrzehnt vergeblich. Letzter Fahrerweltmeister im Ferrari war Kimi Räikkönen 2007, der bisher letzte Konstrukteurstitel glückte 2008. „Wie in jedem Rennteam gibt es Höhen und Tiefen. Ich denke, bei Ferrari sind die Hochs sehr hoch und die Tiefs sehr tief“, sagt Teamchef Vasseur. „Meine Aufgabe ist es, die Übertreibungen etwas abzumildern und zu versuchen, in der Herangehensweise etwas unbeirrbarer zu sein.“

Die an den Tag gelegte Nüchternheit und Sachlichkeit des Franzosen sind zwei Eigenschaften, die Ferrari – auch mit den Erzeugnissen – so gar nicht repräsentiert. Die Scuderia, als einziges Team bereits seit dem Weltmeisterschaftsbeginn 1950 in der Königsklasse des Motorsports vertreten, verkörpert emozione e passione.

Das zeigt sich nicht nur auf der Rennstrecke, die Strahlkraft der Marke mit dem aufbäumenden Pferdchen wurde am Donnerstag auch bei den Filmfestspielen von Venedig deutlich. Am Lido feierte der Hollywood-Streifen „Ferrari“, der die Lebensgeschichte des legendären Gründers Enzo Ferrari erzählt, eine viel beachtete und umjubelte Premiere (siehe Trailer oben).

Filmreif ist aktuell nur das Scheitern. Der letzte Grand-Prix-Erfolg gelang im Sommer 2022 durch Charles Leclerc, in der Konstrukteurswertung liegt man vor dem letzten Europa-Rennen der Saison nur auf Rang vier.

„Wir sind nicht in der einfachsten Situation“, räumt Leclerc ein. Der Monegasse träumt zwar weiterhin davon, „die Weltmeisterschaft mit Ferrari zu gewinnen“, wird aber zusehends ungeduldiger. Sein Teamkollege Carlos Sainz, der in der Gunst des Teams hinter Leclerc angesiedelt ist, sondierte bereits den Markt. Keine einfache Gemengelage vor dem emotionalen Heimspiel in Monza.

„Meine Aufgabe ist es, in Monza das beste Ergebnis zu erzielen. Dazu muss ich alle beruhigen“, gestand Teamchef Vasseur, der spätestens in der kommenden Saison Ergebnisse liefern wird müssen. Andernfalls ist der Große Preis von Italien 2023 vielleicht sein erster und letzter Auftritt in Monza als starker Mann von Ferrari.

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