Ausfahrt gesucht: Ist die Formel 1 noch zu retten?

In Turbulenzen: Sebastian Vettel in Spielberg
Die einseitige Saison sorgt für umfassende Kritik. Was erwarten Teams und Fahrer, was wollen Fans. Eine Analyse.

Saftiggrün die Landschaft, hochrot die Köpfe. Die Formel 1 präsentiert sich in Spielberg von ihrer sommerlichsten Seite. Besucher und Protagonisten suchen Abkühlung und Schatten. Dabei gäbe es genügend dunkle Wolken, die gerade über der Königsklasse hängen.

Die Formel 1 ist nach dem sensationell ereignislosen Grand Prix von Frankreich am vergangenen Sonntag in Alarmbereitschaft nach Österreich gekommen. Einige Medien, vor allem britische, forderten einen radikalen Kurswechsel, um den Sport zu retten. Dass ihr Starpilot Lewis Hamilton munter Richtung WM-Titel Nummer sechs steuert, änderte nur wenig an der Generalkritik.

Und auch der Mercedes-Pilot selbst ließ vor dem neunten Saisonrennen (Sonntag: 15.10 Uhr) aufhorchen mit der Aussage: „Seit vielen, vielen Jahren treffen sie schlechte Entscheidungen.“ Sie, das sind die Verantwortlichen der Rennserie.

Ausfahrt gesucht: Ist die Formel 1 noch zu retten?

Dabei scheinen die derzeit gültigen Regeln wie geschaffen für Hamilton und Mercedes. Der Brite gewann 53 der jüngsten 100 Grands Prix. Hauptrivale Sebastian Vettel (13) hat noch nicht einmal Nico Rosberg (17) eingeholt – doch der ist seit Ende 2016 in Rennfahrer-Pension.

Am Sonntag steht die Mercedes-Crew nun vor der nächsten Bestmarke. Mit dem (saisonübergreifend) elften Sieg in Serie würden die Deutschen den Rekord von McLaren aus dem Jahr 1988 einstellen. In Jubelstimmung würden nur die Wenigsten ausbrechen.

Hastige Suche nach Änderungen

Eilig wurde am Freitagvormittag in Spielberg eine Krisensitzung einberufen. Als Grundübel wurden wie so oft die Reifen ausgemacht. Der Vorschlag, inmitten der Saison zu den Reifenmischungen aus der Vorsaison zurückzukehren, fand jedoch keine Mehrheit. Hastig suchen die involvierten Parteien nun nach alternativen Änderungsansätzen, um die Formel 1 abwechslungsreicher zu gestalten. Auf das komplett neue Reglement (ab 2021) will man sich nicht verlassen.

In einem komplexen Sport wie der Formel 1 sind grundlegende Verbesserungen nicht einfach zu erreichen. Jede kleinste Änderung hat Auswirkungen auf Dutzende Bereiche. Die derzeitige Misere ist einem Mix aus vielen kleinen Fehleinschätzungen zuzuschreiben: Die Hybrid-Motoren sind teuer, um die Hersteller langfristig zu binden, hat man ihnen viel Mitspracherecht zugestanden. Dieses nutzen Mercedes und Co., um ihren Vorsprung abzusichern. Der Blick auf den WM-Stand spricht für sich. Den 1. und 2. trennen genau so viele Punkte wie den 6. und 17.

Das ausufernde Regelwerk hat zudem nicht für mehr Nachvollziehbarkeit gesorgt, sondern eher für Unmut. Kaum ein Rad-an-Rad-Duell gleicht dem anderen. Die Bestrafung, die Vettel in Montreal den Sieg gekostet hat, teilt das Fahrerlager bis heute in zwei Seiten.

Das Dilemma der Formel 1 hat auch mit dem Selbstbild zu tun. Einerseits lebt die Serie davon, die schnellsten aller Rennautos zu bauen. Andererseits will man spannendes Racing. Doch diese beiden Aspekte widersprechen einander mitunter. Formel-1-Autos erreichen ihre enormen Rundenzeiten (die Formel 1 war nie schneller als 2019) über hohe Kurvengeschwindigkeiten. Dies wird ermöglicht durch die Aerodynamik. Ein hinterherfahrendes Auto hat dadurch weniger Anpressdruck, kann in Kurven nicht nahe heranfahren und nur schwer überholen. Künstlich erzeugte Überholmanöver wie etwa durch das Verstellen des Heckflügels sind frei von Charme.

Just Vettel sprach zuletzt einigen aus der Seele, als er anmerkte, dass die Formel 1 „nicht mehr der Sport ist, in den ich mich verliebt habe“.

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