Militär-Torjubel und Rassismus: Der politische Fußball

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Vom türkischen Militär-Torjubel und bulgarischen Rassisten. Aber auch einem Friedensprojekt in Korea.

Wie politisch ist der Sport? Und wie politisch darf er sein? Diese Diskussion haben dieser Tage die türkischen Fußballer angestoßen.

Montagabend erzielte Kaan Ayhan im Stade de France das 1:1 für die Türkei gegen Frankreich. Daraufhin feierten türkische Spieler um Verteidiger Merih Demiral von Juventus Turin mit dem Militärgruß. Schon beim Spiel gegen Albanien am Freitag hatten die türkischen Spieler auf dem Platz und später auch in der Kabine mit der Hand an der Stirn salutiert. Dieser Jubel wird nicht als Solidarität mit den Soldaten in Nordsyrien gesehen, sondern als Unterstützung für die Kriegskurs von Präsident Erdoğan.

"Jetzt trainiert der Kriegs-Unterstützer beim Erdoğan-Klub mit", titelte am Dienstag die Bild-Zeitung. Kriegs-Unterstützer ist Cenk Şahin, der sich auf Instagram mit der Militär-Offensive solidarisiert hatte und am Montag deswegen bei Zweitligist St. Pauli rausgeflogen ist. Schon gestern trainierte er bei Başakşehir Istanbul, dem Lieblingsklub des türkischen Präsidenten Erdoğan.

FPÖ-Hofer gegen Kavlak

In Österreich twitterte Ex-Teamspieler Veli Kavlak letzten Mittwoch: "Es begann. Möge Allah mit uns sein und unser Heer siegreich machen. Die türkische Nation ist bei dir." Für Norbert Hofer von der FPÖ ist der mittlerweile gelöschte Post des 30-Jährigen der Beweis, dass sich in Österreich lebende Türken "mit der Integration schwertun oder sie verweigern". Auch Juventus-Spieler Demiral und Roma-Kicker Ünder hatten ihre Solidarität mit dem türkischen Militär via sozialer Medien bekundet. Die Klubs schweigen dazu, aber Italiens Sportminister Vincenzo Spadafora fordert, das Champions-League-Finale nicht in Istanbul auszutragen.

Aber nicht nur die türkischen Teamspieler waren am Montagabend ein Aufreger. Im Vasil-Levski-Stadion von Sofia hatten bulgarische Fans die Hände zum Hitlergruß gehoben und englische Spieler – vor allem Stürmer Raheem Sterling – mit Affenlauten rassistisch verhöhnt. Schon in der ersten Halbzeit unterbrach der kroatische Schiedsrichter Ivan Bebek zwei Mal das Spiel, beim dritten Mal hätte er das Spiel beenden müssen. Doch vor der Pause griff die Security durch und verwies eine Gruppe von rund 50 Personen aus der Fankurve. Nach dem Spiel erklärte Bulgariens Teamchef Krassimir Balakov: "Ich persönlich habe keine Rufe gehört."  Mittlerweile hat sich sogar der Fußball-Weltverband (FIFA) eingeschaltet.

Rücktritt in Bulgarien

"Es ist unakzeptabel für Bulgarien, das eines der tolerantesten Länder der Welt ist, mit Rassismus und Xenophobie in Zusammenhang gebracht zu werden", schrieb Regierungschef Boiko Borissow. Der Präsident des bulgarischen Fußballverbandes, Borislaw Michailow hat gestern seinen Rücktritt eingereicht. Danach gab es in der Verbandszentrale sogar einen Polizeieinsatz zu Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

Aber es gibt auch Sportler, die sich dem Kollektiv entziehen oder stellen. So versuchte Bulgariens Kapitän Popov am Zaun, die Chaoten zum Schweigen zu bringen. Und der türkische Torschütze Ayhan beteiligte sich in Paris nicht am militärischen Jubel, ließ sich auch von Mitspieler Demiral nicht umstimmen, lief nach seinem Torjubel zurück in die eigene Hälfte.

Euro 2020 Qualifier - Group H - France v Turkey

Problemlos verlief das Spiel Kosovo gegen Montenegro. Der Serbe Ljubiša Tumbaković hatte sich im Juni als Teamchef geweigert, gegen den Kosovo auf der Bank zu sitzen. Der montenegrinische Verband warf ihn hinaus und machte den Bosnier Faruk Hadžibegić zum neuen Teamchef.

Spiel in Nordkorea

In Pjöngjang ging es am Dienstag um die Qualifikation für die WM 2022. Aber das Spiel zwischen Nord- und Südkorea hatte historische Dimensionen. Erstmals seit 1990 spielte der Süden im Norden, 29 Jahre hatte man entweder im Süden oder auf neutralem Boden gespielt. Die FIFA jubelte über die völkerbindende Kraft des Fußballs, FIFA-Boss Gianni Infantino war sogar angereist. Die Wirkung war aber eher homöopathisch.

Die Südkoreaner fuhren die 230 Kilometer nicht mit dem Bus, sondern mussten nach Peking um sich Visa zu lösen und danach weiter nach Pjöngjang fliegen. Spieler und Funktionäre mussten ihre Laptops und Handys in der Botschaft in Peking abgeben. Südkorea musste beim Verbündeten USA anfragen, welche Sportausrüstung man aufgrund der Sanktion mitnehmen dürfe – Schuhe oder Leiberl durften nicht im Norden gelassen werden. Das Spiel endete 0:0. Es gab keine Live-Übertragung und keine Fans im Stadion.

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