Mag ja sein, dass das Gros der Leichtathletik-Fans Usain Bolt vermisst. Immerhin hatte der Jamaikaner diesen Sport mehr als ein Jahrzehnt lang geprägt und belebt und nicht nur für Weltrekorde, sondern auch Rekordquoten gesorgt.
Seine Kollegen werden hingegen vielleicht gar nicht einmal so unglücklich darüber sein, dass der König des Sprints vor zwei Jahren abgedankt hat. Usain Bolt hatte Blicke und Scheinwerfer dermaßen auf sich gezogen, dass für den Rest der Leichtathleten nur wenig Rampenlicht abfiel. In Sachen Strahlkraft und Showtalent kann keiner dem Jamaikaner das Wasser reichen, aber seit Bolts Rücktritt sind einige Sportler mit Starpotenzial und großen Anlagen aufgetaucht.
Auf diese Athletinnen und Athleten sollten die Fans bei der am Freitag in Doha (Katar) beginnenden Weltmeisterschaft ein Auge richten:
Juan Miguel Echevarría
21 ist der Kubaner vor einem Monat erst geworden, aber er setzt jetzt schon die Maßstäbe im Weitsprung. Mit 8,65 Metern hält er die Jahresbestleistung, im vergangenen Jahr ist Juan Miguel Echevarría mit einem Hauch zu viel Gegenwind sogar schon auf 8,83 Meter gesegelt und lag damit nur zwölf Zentimeter hinter dem Weltrekord des Amerikaners Mike Powell aus dem Jahr 1991. Nicht wenige Experten trauen es dem baumlangen Kubaner zu, als erster Mensch die Neun-Meter-Marke zu überspringen.
Briana Williams
Kann sein, dass Katar etwas zu früh für das Supertalent aus Jamaika kommt – sie wurde am 21. März 2002 geboren. Aber das in Miami geborene Mädchen wird einer der Superstars der Leichtathletik werden, hält sie doch schon nahezu alle Nachwuchs-Weltrekorde im Sprint. In 10,94 Sekunden ist sie, die von Ato Boldon (der 45-Jährige aus Trinidad hat 1996 und 2000 vier Olympia-Medaillen ersprintet) trainiert wird, dieses Jahr die 100 Meter schon gelaufen. Nur vier WM-Starterinnen waren in diesem Jahr schneller. Aus der 2000er-Generation ist noch niemand so nah an der Weltspitze wie Williams. „Ich möchte so groß sein wie Bolt“, sagt sie. Wenn nicht, möchte sie die beste Athletin der Welt werden und die 100 Meter in 10,6 laufen.
Kevin Mayer
Die Könige der Leichtathletik werden die Zehnkämpfer gerne genannt, und der Franzose hat sich diesen Titel redlich verdient. Im Vorjahr gelang dem 27-Jährigen mit 9.126 Punkten ein Weltrekord, den kaum jemand für möglich gehalten hatte. Mit seinen Einzelleistungen wie 7,80 Metern im Weitsprung oder 5,45 Metern im Stabhochsprung wäre Mayer in Österreich die Nummer eins.
Nafissatou Thiam
Die 25-jährige ist Tochter eines Senegalesen und einer Belgierin. 2013 war sie die erste Belgierin, die einen Weltrekord aufstellte – Junioren-Hallenbestleistung im Fünfkampf. Seit drei Jahren dominiert sie den Siebenkampf, holte WM-Gold in London und Olympia-Gold in Rio de Janeiro. Sensationell sind ihre Leistungen im Hochsprung: 2,02 Meter im Rahmen eines Mehrkampfs sind unerreicht. In Österreich liegt der Rekord bei 1,97 m und wurde 1993 von Sigrid Kirchmann aufgestellt. Zudem ist diese Saison nur eine Frau höher gesprungen.
Armand Duplantis
Der 19-jährige Stabhochspringer stand schon immer hoch im Kurs. Bereits in jungen Jahren sorgte er in den diversen Altersklassen für Weltbestleistungen, inzwischen hat der Doppelstaatsbürger (USA, Schweden) auch in der Eliteklasse die Lufthoheit. Die persönliche Bestmarke von Armand Duplantis liegt bereits bei 6,05 Metern. Dem Jungstar ist das Talent freilich in die Wiege gelegt, sein Vater übersprang seinerzeit 5,80 Meter, seine Mutter war eine Siebenkämpferin.
Malaika Mihambo
Die neue Überfliegerin der deutschen Leichtathletik ist eine stille Genießerin und bewahrte auch nach dem Sprung ihres Lebens bei den deutschen Meisterschaften in Berlin die Ruhe, wo sie sich Anfang August mit ihrem Riesensatz auf 7,16 m den Titel sicherte. Keine andere Athletin ist dieses Jahr weiter gesprungen, nur zwei Konkurrentinnen haben es über sieben Meter geschafft. Wenn die 25-Jährige den Titel holt, ist sie die erste deutsche Weitsprung-Weltmeisterin seit Heike Drechsler.
1993 war Mihambo noch nicht einmal geboren. Die Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus Sansibar – Malaika heißt Engel oder guter Geist. Sie hat ein Politik-Studium, macht ihren Master in Umweltwissenschaften und engagiert sich in der Jugendorganisation „Starkmacher“.
Familie Ingebrigtsen
Allein, dass sie drei Weltklasse-Brüder sind, macht sie schon einzigartig. Henrik (28), Filip (26) und Jakob (19) sind Mittelstreckenläufer aus Norwegen. Henrik und Filip waren schon Europameister. Und Jakob holte sich letztes Jahr in Berlin EM-Gold über 1500 und 5000 Meter. Das kleine, aber sportliche Norwegen hat sich in den vergangenen Jahren zu einer richtigen Großmacht auf der Tartanbahn entwickelt. Ein weiteres Gesicht dieses rasanten skandinavischen Aufschwungs ist Karsten Warholm: Der 23-Jährige ist der Mann, den es über die 400 Meter Hürden zu schlagen gilt. 2017 war er bereits Weltmeister, 2018 Europameister, in dieser Saison lief er bereits 46,92 Sekunden – die zweitschnellste je erzielte Zeit über 400 Meter Hürden. Auf den Fabelweltrekord des Amerikaners Kevin Young (46,78 Sekunden) aus dem Jahr 1992 fehlt ihm damit nicht mehr viel.
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