Viel Beachtung erhielt vergangene Woche die Entscheidung des Box-Weltverbandes, russische Athleten unter russischer Flagge wieder zuzulassen. Ein „bedeutender Triumph“, jubelte Sportminister Matyzin. Er hoffe, dass weitere Organisationen folgen. Dass es gerade die IBA war, die den ersten Schritt gemacht hat, war wenig überraschend – der Verbandschef ist der Russe Umar Kremlew, enger Putin-Verbündeter.
Als etliche internationale Sportverbände nach dem Einmarsch in der Ukraine im Februar den Ausschluss russischer Athleten verkündet hatten und während die Welt darüber diskutierte, ob es fair sei oder nicht, russische Sportler und Sportlerinnen für die Politik ihrer Regierung verantwortlich zu machen, hatte es hinter den Kulissen auch heftige Kritik gegeben: Denn zwar wurden Aktive ausgeschlossen – russische Funktionäre blieben jedoch in vielen Verbänden (und auch im IOC) weiter an den Schalthebeln. So auch Kremlew.
Seine Putin-Nähe zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass er Mitglied der Motorradgang „Nachtwölfe“ war, die als inoffizielle Bodyguards Putins gelten und etwa bei der Krim-Annexion 2014 wichtige strategische Aufgaben am Boden übernahmen.
Politik im Sport - Sport in der Politik
„Es ist unsere Pflicht, Sport und Athleten von der Politik fernzuhalten“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dieser Tage, als er von Putin ausrichten ließ, der russische Sport solle weiter dafür kämpfen, auf die internationale Bühne zurückkehren zu können.
Politik von Sport fernhalten? Wenn man den russischen Sport genauer unter die Lupe nimmt, kann man unschwer erkennen, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Fast alle, die federführend mit der Organisation der Olympischen Spiele in Sotschi beauftragt waren, sind Politiker oder Putin-nahe Oligarchen.
„Der russische Sport ist Teil des aktuellen russischen Regimes, Teil von dessen Propaganda“, sagt Soziologin Alexandra Yatsyk zum KURIER, die an der Universität von Lille forscht und als Dozentin an der renommierten Sciences Po in Paris tätig ist. Der Sport sei ein „staatlich gefördertes System“. Jahrelang hat man durch Sponsorendeals, Austragungsorte, Freundschaften und Wirtschaftspartnerschaften, unterstützt von der Politik internationale Vernetzungen von Sport, Politik und Wirtschaft geschaffen, aus denen der Weltsport sich kaum entwirren kann.
Der nächste Schritt: Einen eigenen Kosmos aufbauen. „Die sportliche Souveränität wurde als zentrales Ziel Russlands für die kommenden Jahre erklärt“, sagt Yatsyk. Man wolle ein System sportlicher Wettkämpfe als Alternative zu den Olympischen Spielen aufbauen. Freunde wie China, Brasilien, afrikanische Länder oder Indien können mit ihren Athletinnen teilnehmen. Der russische Fußball versuche, sich an den Asiatischen Verband anzuschließen. Die Athleten und Athletinnen also, die die wichtigsten Botschafter Moskaus in der Welt sind, sollen also weiter auftreten. Und das System soll fürs Erste weiter am Leben erhalten werden.
Russland werde weiter an der sportlichen Infrastruktur arbeiten, heißt es aus Moskau. Allein nach 2014, als viele „westliche“ Staaten die Annexion der Krim kritisiert hatten, wurden mehr als 300 internationale Sportwettbewerbe in Russland abgehalten, zählte ARD Sport Inside. Der Ausschluss, so glaubt man in Russland, der könne nicht von Dauer sein. „Angesichts der anhaltenden militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine, der geopolitischen und wirtschaftlichen Isolation Russlands, der sich vertiefenden innenpolitischen Krisen und auch der Vorkriegsgeschichte von Sportdoping und Korruptionsskandalen erscheinen diese Äußerungen des Kreml sehr optimistisch“, glaubt allerdings Yatsyk.
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