Der 33-jährige Innsbrucker ist sechsfacher Weltmeister und dominiert seinen Sport seit über einem Jahrzehnt, kein Kletterer hat mehr Goldmedaillen gewonnen. Schubert, der Olympiadritte von Tokio 2021, ist in 100 Tagen der Favorit im Kombinationsbewerb, bei dem in den beiden so konträren Disziplinen Lead und Bouldern der beste Kletterer ermittelt wird.
KURIER: 100 Tage bis Olympia. Wie weit ist Paris für Sie entfernt?
Jakob Schubert: Die Olympischen Spiele sind bei mir sehr präsent. Das muss aber auch so sein. Seit ich das Ticket fix habe, dreht sich im Training praktisch alles um Olympia. Ich ordne Paris alles unter, die gesamte Vorbereitung ist darauf abgestimmt. In Wahrheit habe ich Olympia schon seit vielen Monaten im Kopf.
Kann man sich da nicht auch leicht verrückt machen?
Ich bin der Typ Sportler, der sich solche Ziele immer gerne vor Augen führt und sich damit intensiv beschäftigt. Und ich sage mir auch ständig, wie wichtig dieses Jahr ist und wie wichtig dieser Wettkampf. Mag sein, dass das andere Sportler unter Druck setzen und hemmen würde, für mich ist das ein enormer Antrieb. Und mir persönlich gibt das auch eine riesige Motivation.
Wie kann man sich das vorstellen?
Ich bin extrem fokussiert und gehe sehr analytisch an dieses Projekt heran und hinterfrage auch viel: Was kann ich optimieren, wo habe ich noch Potenzial, wie sieht die perfekte Vorbereitung aus?
Das klingt, als hätten Sie eine Art Masterplan.
Das hat jetzt aber nichts mit Olympia zu tun. Ich bereite mich auch auf Weltmeisterschaften so vor. Natürlich stehen Olympische Spiele noch eine Stufe drüber. Da habe ich den Luxus, dass ich das Ticket für Paris schon seit letzten Sommer habe und ich mir deshalb in der Vorbereitung keinen Stress machen muss. Jene Kletterer, die das Limit noch nicht haben, müssen jetzt schon in beiden Disziplinen in Topform sein, um sich zu qualifizieren. Zugleich ist es aber auch ein kleiner Nachteil, dass ich das Ticket schon so früh in der Tasche habe.
Inwiefern ein Nachteil?
Ich darf deshalb bei den letzten beiden Olympia-Qualifikationsbewerben nicht an den Start gehen. Das sind aber die einzigen Wettkämpfe bis Paris, bei denen das Olympia-Format mit der Kombination geklettert wird. Das ist nach wie vor unser großes Problem: Dass wir eine Disziplin bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften klettern mit Bouldern und Lead hintereinander, die es im Weltcup so eigentlich gar nicht gibt. Du kannst diese Situation auch im Training nur bedingt simulieren, weil da die Anspannung eine ganz andere ist.
Apropos Anspannung: Als Rekordweltmeister sind Sie der Topfavorit. Verspüren Sie einen großen Druck?
Wer mich kennt, der weiß, dass ich an mich selbst immer die höchsten Ansprüche stelle. Es ist sicher von Vorteil, dass ich die Olympischen Spiele schon erlebt habe und auch schon eine Olympia-Medaille daheim habe. Diese Erfahrung hilft mir bei solchen Events. Ich weiß, worauf es bei Großereignissen wie Olympia ankommt, ich kenne diese Drucksituationen und weiß, wie man da performen muss. Diese vielen positiven Erfahrungen, die ich während meiner Karriere gesammelt habe, geben mir eine Form von Sicherheit. Ich weiß, dass ich dem Druck standhalten kann.
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