Interview mit Olympiasieger Guerdat
„Einen Moment noch, ich muss nur noch ganz kurz telefonieren“, sagt Steve Guerdat mit französischem Akzent. Das Telefonat wird in englischer Sprache geführt, das nächste in französischer.
Der 30-jährige Schweizer aus Bassecourt im Kanton Jura ist seit etwas mehr als drei Monaten auf der ganzen Welt begehrt. In London sicherte sich der Schweizer im August die Goldmedaille im Springreiten. Glänzende Begleiterscheinung: Seit Anfang November ist er die Nummer eins der Welt.
Olympiasieger trifft man nicht oft – und überaus selten in Österreich. Monsieur Guerdat hebt in der Wiener Stadthalle anlässlich des 26. Pferdefestes nur auf den Rücken seiner Pferde ab und bleibt ein bodenständiger Typ.
KURIER: Sind Sie in der Schweiz ein Volksheld?
Steve Guerdat: Das ist zu viel gesagt. Aber natürlich redet man darüber. Die Schweizer fühlen sich ja alle bei einem Triumph als Olympiasieger.
Welche Bedeutung hat der Springreit-Sport in Ihrer Heimat?
Eine sehr große Bedeutung. Denn außer Roger Federer gibt es ja sehr wenig. Tennis und Springreiten sind bei uns die bedeutendsten Sportarten. Da wird viel berichtet, unser Sport hat eine große Tradition, nicht erst seit meinem Olympiasieg. Über Ski wird nur ein paar Monate geschrieben.
Was halten Sie von Roger Federer?
Er ist der erfolgreichste Sportler der Geschichte. Er ist eine Ausnahme-Erscheinung. Beeindruckend ist, dass er über viele Jahre konstant in der Weltklasse ist.
Jetzt gibt es eben auch Guerdat. Sie wurden auf Nino des Buissonnets Olympiasieger. Sind die Pferde, die Sie reiten, in Ihrem Besitz?
Nein, ich habe nur ein paar junge Pferde ...
Dann sind Sie abhängig ...
Ja, das ist unser Geschäft. Aber ich habe kein Geld, um mir Top-Pferde leisten zu können. Aber: Ich würde lieber verhungern, bevor ich eines meiner Pferde verkaufe.
Manche zahlen Millionen für Pferde, manche behaupten, der Wert des Pferdes ist nur der Fleischwert. Wie sehen Sie diese Diskussion?
Meine Pferde haben keine Zahlen, das kann man nicht hochrechnen. Du verbringst mit Pferden den Großteil deiner Zeit. Oder verraten Sie mir, wie viele Millionen Ihre Frau wert ist?
Ich bin nicht verheiratet... Egal. Was wäre aus Steve Guerdat geworden, wäre er kein Reiter geworden?
Ein unzufriedener Mensch.
Sie sind vor einigen Jahren für einen ukrainischen Milliardär geritten. Würden Sie das heute noch einmal tun?
Warum nicht? Viele werfen mir das vor, aber ich habe nichts zu bereuen. Ich will immer reiten, und das mit den besten Pferden und dem besten Umfeld. Ich habe erst dann Stop gesagt, als ich für die Ukraine hätte reiten sollen. Das werde ich nie tun, ich bin Schweizer.
Hugo Simon reitet mit 70 noch immer. Was halten Sie von ihm?
Seine Erfolge, seine Siege sind einfach geil. Alle Achtung vor dieser Karriere. Aber es ist Zeit, aufzuhören.
Nur noch die letzte Frage ...
Nein, Hugo sollte endlich aufhören, das ist unsinnig. Das ist kein Sport mehr, den er betreibt. Mich wird man in diesem Alter nicht mehr in den Parcours sehen.
Das wäre die letzte Frage gewesen. Danke.
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