In Erinnerung an David Lama: Denn er wusste genau, was er tut
„Erst nach und nach bekommen wir einen Überblick über alles, was David beschäftigte und berührte. Es erfüllt uns Eltern mit Stolz, wie viel David in seinem jungen Leben erlebt hat, und zeitgleich macht es uns traurig zu sehen, was er für die kommenden Jahre alles konkret vor Augen hatte und durch seinen frühen Tod wohl unvollendet bleiben wird.“
Claudia und Rinzi Lama
Mit diesen bewegenden Worten hatten die Eltern von David Lama vergangenen Sommer zur Trauerfeier in die Axamer Lizum geladen. Die Kulisse hätte ihrem Sohn gefallen. David Lama liebte die mächtigen Kalkkögel, die sich über seinem Heimatdorf Götzens auftürmen.
Hier hatte vor über einem Vierteljahrhundert alles seinen Anfang genommen und ein außergewöhnlicher Alpinist seine ersten Schritte gesetzt, hier sollten seine Familie, Freunde und Wegbegleiter von ihm Abschied nehmen.
Viel zu früh.
David Lama war gerade einmal 28, als er am 16. April 2019 in Kanada bei einem Lawinenunglück ums Leben kam. Seine Bergkameraden, die an seiner Seite starben, der Tiroler Hansjörg Auer (35) und der US-Amerikaner Jess Roskelley (36), hatten ihr Leben ebenfalls vor sich.
Der Zeit voraus
Andererseits hatte gerade David Lama zeit seines Lebens niemals in solchen Kategorien gedacht. Für ihn waren traditionelle Altersvorgaben dazu da, um gebrochen zu werden: Mit zehn Jahren kletterte er bereits die schwierigsten Routen, mit 15 war er jüngster Weltcupsieger im Sportklettern, mit 16 Europameister, mit 20 hatte er im Wettkampfklettern alles erlebt, sodass er die Finger von den künstlichen Wänden ließ und sich fortan seiner wahren Leidenschaft widmen konnte: dem Alpinismus.
„David wollte nie Zeit verlieren“, sagte Reini Scherer bei der Gedenkfeier in der Axamer Lizum. Der Osttiroler war Jugendtrainer, Wegbegleiter und Freund von David Lama und er sprach damals bei seiner Rede aus, was sich viele gedacht haben, die den Ausnahmekletterer näher kannten.
„Es wäre für ihn schade gewesen, die Zeit zu vergeuden. So als ob er immer schon gespürt hätte, dass er sich beeilen muss.“
Nüchterner Zugang
Denn David Lama war sich stets bewusst, welchen Gefahren er sich aussetzt. Auch wenn der Tiroler nicht mit seinem Leben spielte – ihm war klar, dass er bei seinen Expeditionen und Alleingängen immer sein Leben aufs Spiel setzte. „Es ist extrem wichtig, dass man sich immer auch vor Augen führt, was alles passieren kann“, sagte er im Herbst 2018 vor seiner Solo-Erstbesteigung des Lunag Ri (6.895 Meter) in Nepal, dem Heimatland seines Vaters.
Er sagte das völlig nüchtern, auf die Nachfrage, was denn passieren würde, wenn ihm dort oben irgendein gesundheitliches Problem widerfahren sollte, antwortete er emotionslos. „Du bist dort oben auf dich allein gestellt. Wenn etwas passiert, dann kommt keiner rauf und holt dich. Wenn du es nicht schaffst, selbst runterzukommen, bleibst du oben. Der Alpinismus ist kein Spiel.“
Neues Buch
War David Lama ein Getriebener? Wahrscheinlich. Aber ein lebensmüder Adrenalinjunkie war er deshalb noch lange nicht. Der Gipfelsieg stand bei ihm nie über allem, nicht nur einmal drehte er kurz vor dem Gipfel um, weil er Sorge hatte, nicht mehr ins Tal zu kommen.
„Alpinismus ist keine Spielwiese für Sturheit“, betonte er gerne. „Mit dem Kopf durch die Wand funktioniert es nicht. Du musst die Emotionen ausschalten, der Kopf muss über dem Herz stehen.“
Wie David Lama gelebt hat, was ihn bewegt hat, geht auch aus einem neuen Buch hervor, das nun ein Jahr nach seinem Tod erschienen ist. In "David Lama. Sein Leben für die Berge": Von ihm selbst erzählt zeichnen Christian Seiler, der Autor der ersten beiden Bücher von David Lama, und Florian Klingler, der Manager und Freund des Tirolers, nicht nur ein Bild des verstorbenen Alpinisten. Sie präsentierten auch Texte von Lama, die er nach seinen Expeditionen verfasst hat. In den Bergen könne er seinen Entdeckergeist ausleben, schrieb David Lama.
Entdeckergeist war und ist die Motivation jeder Reise ins Unbekannte. Entdecken heißt Erfahren und Erleben und das findet nicht in Büchern oder am Computer statt.
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