„Das war eine der besten Football-Erfahrungen, die ich je hatte. Bei 23 Jahren in der Liga will das was heißen. Die Fans waren unglaublich!“, schwärmte Superstar Tom Brady am Sonntag nach dem 21:16-Sieg seiner Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks in München.
Alle Augen waren auf den 45-jährigen, siebenmaligen Super-Bowl-Champion gerichtet. Bereits beim Aufwärmen tobte die Menge, als der Spieler mit der Nummer 12 auf den Platz lief. Das gesamte Spiel über sangen die Zuschauer leidenschaftlich zur Musik und feuerten die Teams an.
„Das ist die größte Karaoke-Band, die ich jemals gesehen habe“, sagte Field Reporterin Sara Walsh. „Wer hätte gedacht, dass das Lied 'Country Roads' sich hier wie Zuhause anfühlt?!“
Wie ihre US-Kollegen und Seahawks-Cheftrainer Pete Carroll fragten sie sich: „Wie haben die Fans das bloß gemacht?!“
Im letzten Viertel holten die Zuschauer spontan Feuerzeuge heraus und tauchten die Allianz Arena in ein Lichtermeer. Niemand wollte das Stadion verlassen, selbst Minuten nachdem Tom Brady bereits vom Platz ging.
Fans aus aller Welt
Die „elektrisierende Atmosphäre“, wie Brady es nannte, erlebten auch die ÖFB-Spieler David Alaba und Marko Arnautovic sowie mehr als 69.800 Fans. Einige reisten sogar aus Amerika an.
„Seit acht Jahren habe ich kein einziges Spiel der Seattle Seahawks verpasst. Fan bin ich aber schon seit 37 Jahren“, sagte Wallace Watts, besser bekannt als Superfan „Captain Seahawk“.
Mit seinem grün-weiß bemalten Gesicht, den grünen langen Haaren und vier Seeadlern als Hut auf dem Kopf gab der Amerikaner ein schrilles Bild ab. Fünf verschiedene Outfits brachte er nach München.
„Angefangen habe ich als Fan. Später fand ich aber heraus, dass das Logo der Seahawks von meinem amerikanischen Ureinwohnerstamm in Kanada kommt. Deshalb gehe ich jetzt zu jedem Spiel, um allen auf der Welt zu erzählen, dass das Logo von meinem Stamm ist.“
Fliegender Seahawk
Hauptberuflich ist er Pilot bei United Airlines, um sich das Leben als Superfan leisten zu können, verzichtet er seit Jahren auf Urlaub. „Wir fahren nur zu den Seahawks. Über 200 Spiele habe ich schon live gesehen. Die Spieler kennen mich mittlerweile!“
Mithilfe anderer Seahawks-Fans sammelte der Captain innerhalb von zwei Tagen bereits 5.000 Euro für ukrainische Flüchtlinge. „Wir versuchen immer, etwas zurückzugeben.“ Vom ersten NFL-Spiel in Deutschland ist er begeistert: „Es ist so aufregend, und ich liebe es, hier zu sein!“
Ins Stadion wollten auch Marten und seine zwei Freunde. Die drei Schwaben standen am Abend vor dem Spiel in der Warteschlange für das Augustiner Stammhaus – die Heimat der Seattle Seahawks. Seit Wochen versuchen sie, Tickets zu bekommen. „Jetzt sind wir guter Dinge und werden 300 Euro Anzahlung für Karten machen“ sagte Marten, von Beruf Polizist. „Hoffentlich sieht meine Frau grad nicht mein Onlinebanking.“
Seit zwölf Jahren ist er Seahawks-Fan und Mitglied beim deutschen Fanklub. „Wir haben vor ein paar Jahren schon ein NFL-Spiel in London gesehen, da war alles viel schöner geschmückt. Der ganze Piccadilly Circus und die Straßen waren voll mit Bannern der Teams. Das kann man nicht vergleichen.“
Marten ist von der Deko in München enttäuscht. „Wir haben gerade mal drei oder vier Flaggen in der Fußgängerzone gesehen, und das Wirtshaus ist auch nicht so toll dekoriert. Dafür sind die Fans aber Weltklasse.“
Enttäuscht waren die drei Männer auch von der Vergabe der Tickets. „Eine Personalisierung wäre wichtig gewesen, damit die Tickets nicht am Schwarzmarkt für 2.000 Euro oder mehr verkauft werden.“ Aus den eigenen Tickets wurde am Ende leider nichts, und die 300 Euro sahen die Football-Fans nie wieder.
Aus Florida angereist
Mehr Glück hatten Rebecca und Justin aus Tampa. Die US-Amerikaner ergatterten zwei Tickets aus zweiter Hand für über 2.100 Euro. Warum sie extra aus Tampa anreisten, obwohl sie die Buccaneers vor der Haustüre haben? „Für die Erfahrung! Und ich wollte ein Schnitzel essen“, sagte Rebecca.
Beide sind große Fans der Buccaneers, weil das Team so viel für ihre Gemeinde macht. Rebecca ist Lehrerin und durfte das Engagement der „Bucs“ selbst erfahren. „Es gibt Schulen in der Gegend von Tampa mit niedrigem Einkommen, Armut, Hunger, Krankheit. Die Bucs machen ein Programm mit den Kindern, das Junior Bucs genannt wird. Wir besuchten mit Fünftklässlern ein Spiel, und die Kids durften hinter die Kulissen, aufs Feld, bekamen Hotdogs, Getränke und mehr.“
NFL-Spieler mit Herz
Bezahlt wurde alles von den Bucs, und das ist laut Rebecca und ihrem Mann nur ein Beispiel. „Jeder Spieler hat auch seine eigenen Projekte. Krebsforschung, Diabetes, Kampf gegen den Hunger et cetera. Tom Brady und Mike Evans sind unsere Lieblingsspieler, sie tun so viel für die Gemeinschaft“, sagt Rebecca.
Diese Herzlichkeit der Spieler spiegelte sich bei den Fans im Stadion und in den Straßen Münchens wider. „Hey, wir feiern Football! Egal, ob die Bucs oder die Seahawks gewinnen.“
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