Die teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Straßen lassen das Rennen für die Fahrer zur Tortur werden. Viele Pavés werden von der französischen Regierung extra für das Rennen instand gehalten und bewusst nicht asphaltiert. Der Deutsche John Degenkolb, Sieger 2015, erklärte einmal für Laien: "Es ist, als würde man die gesamte Zeit gegen den Bordstein knallen."
Die Streckenlänge
Über insgesamt 259,9 Kilometer führt die Ausgabe 2024. "Die schwierigen Abschnitte zu Beginn machen das Rennen anstrengend", sagt Renndirektor Thierry Gouvenou. "Das kann sich in der Folge bemerkbar machen." Trotz einer Durchschnittsgeschwindigkeit (!) von etwa 45 km/h, wird die Siegerzeit bei knapp sechs Stunden liegen. Im Jahr 2018 erlitt der belgische Profi Michael Goolaerts während des Rennens nach etwa 100 Kilometern einen Herzstillstand und verstarb mit nur 23 Jahren. Ein Pavé-Sektor wurde nach ihm benannt und ein Gedenkstein errichtet.
Die Taktik
Anders als bei anderen Eintagesrennen wird bei Paris–Roubaix ständig um die besten Positionen im Feld gekämpft. Es gilt, möglichst weit vorne zu sein, um auf den Pavés freie Fahrt zu haben. Nur dann ist es möglich, seine Linie auf dem Kopfsteinpflaster selbst zu wählen – entweder auf dem kleinen Grasstreifen am Rand oder direkt in der Mitte. Der fünffache Sieger der Tour de France, Bernard Hinault, hasste das Rennen. "Paris-Roubaix ist Schwachsinn", sagte der Franzose – was ihn aber nicht daran hinderte, 1981 zu gewinnen.
Das Wetter
Normalerweise hofft jeder Radfan auf schönes Wetter. Nicht so bei Paris–Roubaix. Der häufige Regen im Frühling ist die Würze. Er macht vor allem die Kopfsteinpflaster-Passagen extrem schmierig. Immer wieder kommt es dadurch zu Stürzen, besonders, wenn auf den Pavés auch Gras wächst. Und sollte es doch einmal trocken sein, färbt der aufgewirbelte Staub die Fahrer in ein einheitliches Beige.
Die Fans
Nirgendwo kann man den Weltstars des Sports bei freiem Eintritt so nahe sein, wie beim Radsport – wenn auch nur ein paar Sekunden lang. Einer der spektakulärsten Abschnitte des Rennens befindet sich im Wald von Arenberg. Allein dort säumen Tausende Fans den 2.300 Meter langen denkmalgeschützten Weg. Immer wieder kommt es vor, dass Übermütige erst in letzter Sekunde den Schritt zurückmachen. "Es ist ein Zirkus", sagte einmal der Engländer Chris Boardman. "Ich verstehe, dass die Zuschauer das Rennen lieben. Aber ich möchte nicht einer der Clowns sein."
Das Material
Nicht nur für den Menschen ist Paris–Roubaix ein Härtetest, auch für das Material. Bei keinem anderen Rennen spielen Material (und Glück) eine derart große Rolle. Experimentiert wurde mit Federungen an Front und Hinterbau. Manche Profis fahren mit dicker gepolstertem Sattel oder doppelt gewickelten Lenkerband, fast alle mit breiteren Reifen von 30 Millimetern oder noch mehr und gesenktem Luftdruck. Scheibenbremsen sind mittlerweile Standard. "Wir verwenden Spezialfahrräder, die einmal im Jahr im Einsatz sind. Nur bei Paris–Roubaix", erklärt Marco Haller (Bora-hansgrohe), der einzige österreichische Starter.
Das Ziel
Das Rennen endet im Velodrom von Roubaix. Auf der Radrennbahn werden noch eineinhalb Runden bis zur Ziellinie gefahren. Der erste Sieger 1896, der Deutsche Josef Fischer, hatte so viel Vorsprung, dass er im Velodrom mit einem Glas Sekt in der Hand seine Runden drehte. Doch es haben sich auch schon Dramen abgespielt auf den letzten Metern. Etwa 1934, als Roger Lapebie kurz vor dem Velodrom Defekt hatte. Der Franzose schnappte sich das Damenrad einer Zuschauerin, schloss zu den Führenden auf und gewann den Sprint. Danach wurde er aber disqualifiziert, da ein Radtausch damals noch verboten war.
Der Pokal
Das Objekt der Begierde ist bei Paris–Roubaix kein edler Pokal aus Gold oder Glas. Der Sieger erhält als Trophäe einen Pflasterstein. "Hier hast du deinen Scheiß-Stein", sagte Sieger Hinault 1981 zu seinem Sportlichen Leiter und übergab ihm den circa 15 Kilogramm schweren Stein. Der Niederländer Theo De Rooij (*1957) durfte nie den Pflasterstein stemmen. 1985 musste er aufgeben, nachdem er lange Führungsarbeit geleistet hatte. Völlig verdreckt und erschöpft saß er im Teamauto und fluchte im Interview mit dem CBS-Reporter: "Dieses Rennen ist lächerlich! Man arbeitet wie ein Tier, man hat nicht einmal Zeit zu pissen, man macht sich in die Hose. Man fährt in diesem Gatsch, man rutscht. Es ist ein Stück Scheiße!" Ob er hier trotzdem jemals wieder starten würde? "Natürlich! Es ist das schönste Rennen der Welt."
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