Das Märchen von Handball-Traditionsklub Westwien geht weiter

Feste soll man feiern, wie sie fallen. Nicht so bei Westwien. Dort wurde nicht gefeiert, als man Mitte der Woche den Aufstieg in die erste Handball-Liga fixieren konnte. Nicht, weil vielleicht Lust oder gar Durst fehlten, sondern weil am Tag darauf gleich sechs junge Spieler um 8 Uhr die Schulbank drückten und bei der Deutsch-Matura zu glänzen hatten. Nur eine von vielen Episoden im Handball-Märchen von Traditionsklub Westwien.

Man drehe die Zeit eineinhalb Jahre zurück, als Klubmanager Conny Wilczynski bekannt gab, dass sich Westwien aus finanziellen Gründen vom professionellen Handball verabschieden müsste.
Westwien, die Auflösung vor Augen, präsentierte sich als verschworene Einheit, spielte noch einmal auf großer Bühne auf, um im Halbfinale in den letzten Wiener Derbys die Fivers aus Margareten in die Knie zu zwingen, und um im Finale gegen Linz den ganz großen Wurf zu landen. Ein Abtritt mit Stil und dem größtmöglichen Getöse.
Die Buberl-Partie
Im Mai 2024 kehrt Westwien zurück auf die Profi-Bühne. Mit einer Amateurmannschaft, die sensationell den Cup-Titel holte und wie erwähnt mittlerweile den Aufstieg fixierte. „Das ist ja alles irre“, schüttelt Coach Roland Marouschek den Kopf. Keine Sekunde hätte er mit dieser Renaissance gerechnet. „Wir sind der Phoenix aus der Asche. Wir alle wissen, was letztes Jahr los war.“
Der Klub verlor beide Torhüter, fünf Aufbauspieler und zwei Kreisläufer. „Jetzt kommen die nächsten Buben, und plötzlich spielen wir um den Supercup und sogar international in der Qualifikation zum Europacup.“

Dass die Nachwuchsarbeit bei Westwien eine sehr gute ist, war hinlänglich bekannt. Sie trägt dermaßen Früchte, dass vier 18-Jährige in der Grundformation stehen. Und die nächsten Talente stehen schon in den Startlöchern, das Futureteam weiß seit 26 Spielen nicht, wie sich eine Niederlage anfühlt.
Gegründet 1946 als Union West Wien
6 Mal Österreichischer Meister (1966, 1988/1989, 1990/91, 1991/92, 1992/93 und 2022/23)
3 Mal Österreichischer Cupsieger (1991/92, 1992/93 und 2023/24)
Der Rückzug: Die Saison 2022/23 verlief äußerst erfolgreich, Westwien stand mit einer fast ausschließlich aus Spielern des eigenen Nachwuchs bestehenden Mannschaft auf dem zweiten Tabellenplatz des Grunddurchgangs und im Cup-Semifinale, als im März 2023 bekannt gegeben wurde, dass mit Ende der laufenden Spielzeit der Profibetrieb eingestellt wird.
Als Gründe wurden wirtschaftliche Schwierigkeiten unter anderem in Verbindung mit der erfolglosen Suche einer Heimstätte innerhalb Wiens genannt.
Die ertragreiche Jugendarbeit, in der zahlreiche Nationalspieler ausgebildet wurden oder den Sprung in internationale Ligen schafften, sollte allerdings fortgeführt werden.
Am Ende der Saison 2022/23 kürte sich das Team, zum ersten Mal seit der Saison 1992/93, zum Meister und konnte so trotz des anstehenden Rückzugs aus der höchsten Spielklasse noch einen Titel feiern.
Ex-Manager Wilczynski sieht den Aufstieg sportlich nicht als große Überraschung an. „Es ist die logische Konsequenz aus der guten Nachwuchsarbeit.“ Nachwuchscoach Lukas Musalek entwickelte beispielsweise sämtliche Akteure, die sich heute Aufsteiger nennen dürfen. Kurios: Spieler wie Andreas Dräger und Paul Pfeifer sind aktuell die erfolgreichsten heimischen Handballer. In zwölf Monaten holten sie zwei Meistertitel und den Cup.
Sporttalk - Wilczynski, Kofler & Möstl (mit Untertitel)
So eine Wirtschaft!
Dem sportlichen Schritt muss aber auch der wirtschaftliche folgen, damit dem Projekt nachhaltiger Erfolg zuteil wird. Immerhin zwangen bekanntlich die Finanzen und die fehlende Unterstützung der Stadt hinsichtlich einer Heimhalle die Westwiener in die Knie.

Nun stehen die Wiener Stadthalle und die Halle in Liesing zur Verfügung, in Zukunft könnte es auch die neue Arena beim Happelstadion sein. „Da brauchen wir aber eine Mannschaft, die um den Titel mitspielen kann“, weiß Marouschek. In der kommenden Saison spielt man zunächst einmal gegen den Abstieg. „Doch das ist eine Momentaufnahme. Der Weg stimmt. Die Zeit ist auf unserer Seite.“
Am Samstag konnte Marouschek in der Stadthalle mit seinen Spielern feiern – beim finalen Auftritt gegen Lauterach mit einem 38:23-Kantersieg. Und ganz ohne Deutsch-Matura.
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