Wiens Sportstadtrat Hacker sagt Nein zum Nationalstadion
Seit Mai 2018 ist der Sozialpolitiker Peter Hacker (SPÖ) Wiener Sportstadtrat. Ob Olympia, Nationalstadion, Skiweltcup oder neue Sporthallen in der Stadt – im KURIER-Interview weicht der 56-Jährige keiner Frage aus.
KURIER: Wien ist Jahr für Jahr unter den lebenswertesten Städten der Welt gereiht. Das geht sich im Sport nicht aus. Wie wollen Sie das ändern?
Peter Hacker: Wir sind nicht die Weltmeister im Sport, das stimmt. In manchen Bereichen sind wir sehr gut, in anderen gibt’s viel Luft nach oben. Es ist ein Miteinander mit Vereinen und Verbänden nötig, ich will nicht mit meinen Wünschen fuhrwerken. Das sind demokratische Prozesse, die auch zach sein können. Es gibt im Sport aber viel Faszinierendes.
Und zwar?
Ich komme aus dem Sozialbereich, wo das Ehrenamt große Bedeutung hat. Als Sportstadtrat kann ich sagen: Im Sport steckt noch mehr ehrenamtliches Engagement. Vor dieser besonderen Eigenschaft des Sports habe ich große Demut. Deswegen mache ich keine Polter-Politik, sondern gehe den schwierigeren Weg: Ich binde alle ein, und dieser Prozess dauert.
Wo können Sie jetzt schon Defizite klar benennen?
Ganz zweifelsfrei im Hallenbereich. Unsere Rundhallen werden hurtig saniert. Außerdem müssen die Bodenbeläge bei diversen Sportstätten schneller saniert werden. Da ist uns die Diskussion um die Zukunft des Kunstrasens dazwischengekommen. Auch wenn wir neue Spielfelder brauchen, kann ich nicht Steuergeld rausblasen für Kunstrasen, der vielleicht bald von der EU verboten wird. Und um noch ein Beispiel zu nennen: Im Schwimmen haben wir großen Ehrgeiz, die Lage zu verbessern.
Was bedeutet die in St. Marx geplante moderne Halle für die alte Stadthalle?
Zur Stadthalle laufen Gespräche, bei denen auch der Sport eine wichtige Rolle spielt. Da gibt es mehrere Varianten, die gerade ausgearbeitet werden. Etwa eine Halbierung, um in einer Hälfte eine Sporthalle für 5000 Zuschauer zu schaffen. Einigkeit gibt es, dass das extrem erfolgreiche Tennisturnier – neben anderen Sportveranstaltungen – nach St. Marx übersiedeln soll.
Sind Sie ein Mann der sportlichen Visionen? Was fällt Ihnen zu den Schlagworten Olympia, Formel E und Skiweltcup in Wien ein?
Olympia ist denkbar, aber das wäre ein Langzeitprojekt. Formel E finde ich spannend. Und Skifahren sollte man dort, wo auch Schnee fällt – also in den Bergen. Ich finde es großartig, wenn die Stadtkinder im Winter eine Wiese runterrutschen, das habe ich selbst am Nußberg gemacht. Aber ich finde es skurril, über Naturschutz und Klimawandel zu diskutieren, auf der anderen Seite aber Tonnen von Schnee mit dem Lkw in die Stadt zu bringen, um einen Skiweltcup zu haben. Das ist doch absurd.
Wobei auch Olympia mit absurdem Aufwand verbunden wäre.
Ob Olympia in Wien absurd wäre, kann ich jetzt nicht sagen. Ich habe nur beantwortet, dass es vorstellbar wäre. Generell gibt es einen Trend, den ich nicht für gesund halte: Wenn das Geschäft den Sport verdrängt.
Wie meinen Sie das?
Wenn ganze Sportmärkte als wirtschaftliches Gut aufgekauft werden, ist das bedenklich. Ich bin nicht bereit, Steuergeld auszugeben und irgendwem Millionen zu zahlen, damit die Judo-WM in Wien stattfindet. Da muss es eine Balance geben zwischen Aufwand und Ertrag.
Muss dem Sportstadtrat einer Millionenstadt der Breitensport – Stichwort Joggen im Prater – wichtiger sein als einzelne Titel von Wiener Vereinen?
Das ist eine sehr gute Frage (denkt lange nach). Im Zweifelsfall: Ja! Ohne die Breite des Breitensports gibt es keinen erfolgreichen Spitzensport. Deswegen liegt mir der Breitensport mehr am Herzen – auch wenn es die großen Stars im Spitzensport braucht, die Sehnsucht und Träume bei den Mädchen und Buben auslösen.
Wie halten Sie es mit dem modernen Fußball?
Die besten Sportler unterhalten die ganze Welt, dafür sollen sie auch außergewöhnlich gut verdienen. Aber die Ablösen für Top-Fußballer erinnern mich mittlerweile an einen überzüchteten Immobilienmarkt, der auch einmal zusammenbrechen wird. Es ist mir nicht sympathisch, wenn sich Super-Reiche um Unsummen den Fußball als Spielzeug leisten.
Ex-Sportminister Strache wollte ein neues Nationalstadion im Prater. Wie sehen Sie das Thema und die künftige Spielstätte des Nationalteams jetzt?
Es gibt eine Vereinbarung mit dem ÖFB, und die ist völlig in Ordnung: Spiele, bei denen absehbar ist, dass das Happel-Stadion nicht voll werden würde, werden in anderen Bundesländern ausgetragen. Beim Thema Nationalstadion ist beim ÖFB manchmal das heiße Blut spürbar. Aber da muss man schon festhalten: Alle große Stadien und die Infrastruktur rundherum wurden mit Unterstützung von Steuergeldern gebaut, auch der ÖFB bekommt Millionen von der öffentlichen Hand. Da muss es möglich sein, ganz in Ruhe zu klären, wie Steuergeld im Fußball zielgerichtet eingesetzt und die Infrastruktur danach genutzt wird.
Es ist aber klar, dass Österreich mit den vorhandenen Stadien nie mehr ein Europacup-Finale oder die EM ausrichten könnte.
Da stellt sich mir auch die Frage: In welche lichten Höhen werden die Anforderungen geschraubt, die mit Steuergeldern finanziert werden sollen? Und als Dank dafür ist dann das Spiel selbst nur noch im Pay-TV zu sehen. Diese Logik ist zu hinterfragen. Und zum Europacup-Finale selbst stellt sich eine entscheidende Frage.
Und zwar?
Investieren wir 300 oder 400 Millionen Euro Steuergeld, um einmal ein Europacup-Finale zu bekommen? Bei einer angenommenen Lebensdauer eines Stadions von 50 Jahren wären das maximal fünf Endspiele, die nach Wien gehen. Und dafür diese enorme Summe? Sicher nicht! Dann sehen wir es eben nur im TV und investieren das Geld lieber in den Breitensport und unsere Kinder. Solche Entscheidungen hat die Politik zu treffen – und dazu stehe ich auch. Außerdem können wir aus dem Happel-Stadion noch viel machen.
Peter Hacker wurde am 29. Juni 1963 geboren. Der frühere Assistent von Bürgermeister Zilk arbeitet seit 1982 für die Stadt Wien. Von 1992 bis 2003 war der Sozialmanager Drogenkoordinator, von 2011 bis 2018 Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien. 2015 sprang Hacker, der als prononciert links gilt, als Flüchtlingskoordinator ein. Im Mai 2018 holte Bürgermeister Ludwig den Chef der SPÖ Alsergrund als Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport in die rot-grüne Regierung.
Naja, ohne Laufbahn wäre es vielleicht nicht so schlecht ...
Das stimmt. Aber ich schaue genau hin: Es gibt viel bessere Nationalteams als unseres, die in kleineren Stadien spielen, manche haben auch eine Laufbahn. Ein Top-Stadion, und alles im Fußball wird super? Nein! So funktioniert das nicht.
Wie soll es weitergehen?
Ich bin offen für eine Investition ins Happel-Stadion. Deswegen habe ich dem ÖFB-Präsidenten gesagt, dass der Verband jetzt klären soll: Was sind die wichtigsten Bedürfnisse? Als Beispiel: Alle träumen von tollen VIP-Areas. Aber die müssen sich auch rechnen, das muss sich refinanzieren. Es kann nicht sein, dass die Leute auf den billigen Plätzen für einen neuen VIP-Bereich zahlen, nur damit dort die Shrimps serviert werden.
Moderne VIP-Bereiche gelten doch als Cashcow, oder?
Grundsätzlich erzielen wir im Stadion durch die Pop- und Rockkonzerte positive Ergebnisse. Und die brauchen keinen neuen VIP-Klub im Juche, da sind die besten Plätze direkt vor der Bühne. Und mit ein paar Länderspielen pro Jahr ist es schwer, das zu refinanzieren.
Ihre Worte werden im ÖFB keine Freude auslösen.
Ich sehe das alles weniger emotional als der Ex-Sportminister. Wahrscheinlich wollte er mit den Vorschlägen von anderen Dingen ablenken. Ich möchte aber auch etwas Positives anmerken.
Bitte darum.
Nach anfänglichen Wehen ist es – bis Ibiza – mit Strache und auch den anderen Parteien gelungen, die Zukunft der Wiener Sportstätten ohne den parteipolitischen Hickhack, der ohnehin allen raushängt, ganz vernünftig und offen zu diskutieren. Das freut mich und ist der sinnvollste Weg.
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