Wiener Fußball im Aufschwung: Totgesagte leben länger

Treue Fans: Rapid setzt auf seine Anhänger
Die einen jubeln über dermaßen viele Abos wie noch nie, die anderen über Fananstürme.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Wiens Bundesligaklubs sind nationale Fußball-Phänomene. Rapids Test gegen Milan ist seit Tagen ausverkauft, was zu Hans Krankls und Antonin Panenkas (und somit sportlich besseren) Zeiten im Vorfeld einer Freundschaftspartie undenkbar war. Die Austria jubelt über so viele Abos (7.700) wie noch nie, obwohl die Mannschaft mit dem Verpassen des Meister-Play-offs Anti-Werbung betrieb. Und dass die Vienna ihren 130-jährigen Bestand feiern kann, gleicht ohnehin einem Wunder.

In den Nachkriegszeiten, als viele Wiener Hunger litten, soll die Vienna unter Journalisten besonders beliebt gewesen sein, fanden doch Pressekonferenzen der Döblinger mit Gratisspeis und Trank stets beim Heurigen statt. Manch Winzer war auch Mäzen. Oder sogar (wie Franz Mandl) Viennas Sportchef auf der Hohen Warte.

Inzwischen haben im Bezirk der legendären Naturarena nicht weniger als 27 Heurigen zugesperrt. Die Vienna aber existiert immer noch. Obwohl ihr x-mal ein Schicksal (=Auflösung) à la Wacker und WAC prophezeit worden war.

1965 stieg die Vienna erstmals ab. Später schienen die Blau-Gelben rosigere Zeiten entgegenzusehen. Als sogar WM-Schützenkönig Mario Kempes für Vienna stürmte.

1989 gelang letztmals die Qualifikation für einen internationalen Bewerb, 1997 der Einzug ins ÖFB-Cupfinale (1:2 gegen Sturm). Danach folgte nicht nur auf dem Spielersektor sondern auch an der Vereinsspitze ein dubioses Kommen und Gehen. Präsidenten wurde nachgesagt, sich mehr für die einzigartige Liegenschaft Hohe Warte im Nobelbezirk als für das Abschneiden des Klubs interessiert zu haben.

2017 schlitterte die Vienna endgültig in den Konkurs, der sportlich die Versetzung in die fünfte Leistungsstufe bedeutete. Da erbarmte sich die Uniqa des ältesten Fußballklubs und wurde für Vienna zur Überlebensversicherung. Nach einem Durchmarsch (plus der Hilfe etlicher Kleinsponsoren) darf in der Jubiläumssaison sogar vom ersten Platz in der Bundesliga geträumt werden.

In der obersten Spielklasse gewann die Vienna zum letzten Mal 1955 den Meistertitel. Doch zur Teilnahme am Europacup wurden nicht die Döblinger, sondern die (von ihnen mit 5:0, 5:1, 4:1 deklassierten) Rapidler zugelassen. Wobei sich Letztere gegen Meistercup-Titelverteidiger Real Madrid sehr ehrenvoll schlugen. Nach einem 2:4 in Madrid und einem 3:1 in Wien (dreifacher Torschütze Rapids Abwehrchef und Freistoßkönig Ernst Happel) schieden die Grün-Weißen erst mit 2:4 im notwendig gewordenen Entscheidungsspiel aus, das nicht auf neutralem Boden, sondern erneut in Madrid stattfand. Mit unzähligen Pesetas für Rapid hatte sich Real den Heimvorteil erkauft.

Geschäftlich gelten für die Madrilenen bis heute andere Gesetze. So hat der Klub mit den meisten Schulden soeben mit dem meisten Geld ungeniert den teuersten Spieler der Welt (Kylian Mbappe) von Paris nach Madrid gelockt.

Real ist und bleibt ein internationales Phänomen.

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