Villarreal gegen Bayern: Das Geheimnis des spanischen St. Pölten

Villarreal hat sich zu einer Konstanten im Europacup entwickelt, heute kommen die Bayern
Der schöne Ausblick für die Bayern-Fans ist garantiert. Ob sie auch einen Sieg bejubeln können, ist trotz der Stärke der Münchner offen. Denn Villarreal spielt die David-Rolle in den Duellen mit den Goliaths des europäischen Fußballs überzeugend. Zuletzt mit einem 3:0-Sieg bei Juventus, im Sommer mit einem packenden 11:10-Triumph im Elfmeterschießen gegen Manchester United im Finale der Europa League.
Auf jeden Fall gibt es für die mitgereisten Bayern-Fans im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League (21 Uhr) einiges zu sehen. Denn der Auswärtssektor ist nicht nur der einzige (aus Platznot aufgesetzte) dritte Rang im Stadion, sondern auch der höchste Punkt dieser ungewöhnlichen Stadt.
60 Kilometer nördlich von Valencia liegt an der spanischen Ostküste Vila-real, das ist die vor Ort übliche valencianische Version. Der erst 1923 gegründete Verein wurde aber bereits in der spanischen Schreibweise benannt, als der erstmalige Aufstieg in die Primera Division (1998) noch weit weg war.

Durch Orangenverkauf wohlhabend geworden, floss das Kapital das Stadt in den Bau von Fabriken für Keramikfliesen. Eine sinnvolle Investition – und auch identitätsstiftend.
Das „El madrigal“, das im Europacup nur 22.000 Zuschauer fasst, heißt seit 2017 „Estadio de la Ceramica“. Der Grund dafür glänzt in der spanischen Abendsonne.

Mit über 2.000 Quadratmetern Keramik wurde die mitten im Stadtzentrum liegende Klub-Heimat verfliest.
Das gelbe U-Boot taucht auf
Wie ist es möglich, dass eine Stadt mit 50.000 Einwohnern – also kleiner als St. Pölten – seit 2004 in der erfolgreichsten Liga der Welt nur dreimal nicht in den Top 10 platziert war?
Fünfmal tauchte das „Gelbe U-Boot“ – so wird Villarreal aufgrund der gelben Dressen gerufen – bereits in einem europäischen Halbfinale auf. Der Europa-League-Krimi gegen Manchester United war dann der erste Titel überhaupt.
Parallel dazu stieg das Frauen-Team erstmals in die 1. Liga auf.
Sinnvolle Investitionen
Natürlich braucht es dafür viel Geld – umso mehr, weil die Zuschauer-Einnahmen eng begrenzt sind. Präsident Fernando Roig ist Milliardär und Mäzen. Aber so effizient wie bei diesem Verein wird das Kapital sonst kaum wo eingesetzt.

Der Nachwuchs ist stark und bekommt Chancen. Teamverteidiger Pau Torres ist sogar ein Bursche aus dem Ort. Starstürmer Gerard Moreno wurde als 17-Jähriger verpflichtet – vor mittlerweile zwölf Jahren.
Gespielt wird stets flach, nach vorne orientiert und technisch versiert, meist in einem offensiv ausgelegten 4-4-2. Das bekamen auch Rapid und Salzburg zu spüren: In den vergangenen vier Spielen gab es in Villarreal keinen Punkt.
Auffällig ist das gute Händchen bei der Trainersuche. Manuel Pellegrini (später Real) und Ernesto Valverde (später Barcelona) entwickelten sich in der Provinz.

Mit Unai Emery kam erstmals einer, der schon alles erreicht hatte. Zu drei Titeln in der Europa League kam mit Villarreal der vierte – diese Bestmarke wird dem 50-Jährigen lange keiner streitig machen.
Heute Abend wird Emery Trainerkollege Nagelsmann mit seinen Ideen herausfordern.
Der 50-jährige Baske Unai Emery stammt aus einer Familie aus Fußball-Tormännern, sein Großvater wurde Pajarito, das Vögelchen, genannt und gewann mit Irun vor fast 100 Jahren zweimal den spanischen Cup. Auch sein Vater spielte dort. Irun ist nur noch drittklassig und war verschuldet, weshalb im Vorjahr Unai und sein Bruder Igor Hauptaktionäre wurden. Die Kinder und Jugendlichen sollen eine Ausbildungsmöglichkeit haben. Für Jobs sorgt er auch mit einem Hotel in seiner Heimatstadt Fuenterrabia, der Grenzstadt zu Frankreich, sowie mit Restaurants in Valencia und in Madrid.
Unai kam als Feldspieler nur zu einer Handvoll Einsätzen in der Primera Division. Damals habe er sich nicht getraut, auf dem Feld Entscheidungen zu treffen, sagte er einmal. Darin liegt vielleicht das, was ihn als Trainer ausmacht. Akribisch analysiert er die Gegner, will sie überraschen und kontrollieren, hat einen klaren Spielplan. Damit nimmt er seinen Spielern viele Entscheidungen ab.
Mit 33 wurde er Spielertrainer in Lorca, mit 35 führte er Almeria in die höchste Liga, er trainierte danach auch Valencia, FC Sevilla und jetzt Villarreal. Was ihm nicht gelang, war, im Ausland Fuß zu fassen. Bei Spartak Moskau (2012) blieb er nur wenige Monate. Bei Paris (2016 bis 2018) scheiterte er am Anspruch Champions-League-Sieg. Bei Arsenal (2018/19) schaffte er den Umbruch nach Trainer-Legende Wenger nicht.
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